Gestatten, meine Name ist:

Christel Pilz

Christel Pilz bewarb sich 1968 im Bonner Büro des Südwestfunks als Aushilfssekretärin. Zwei Jahre später übernachtete sie in den Schützengräben Vietnams und ist seither nur noch auf Besuch nach Deutschland zurückgekehrt.

Christel Pilz hatte an der Universität Bonn Volkswirtschaft studiert. Als sie auf der Suche nach einem passenden Thema für ihre Doktorarbeit war, kam ihr der auf zwei Monate begrenzte Aushilfsjob gerade recht. Doch beim Interview erklärte ihr der Personalchef, dass sie eigentlich gar keine Sekretärin bräuchten und eher jemanden suchten, der sich etwas mit Wirtschaft auskennt. „Na ja, ich war mir nicht sicher, ob ich mich auskenne, aber immerhin hatte ich es ja studiert", erzählt Christel mit einem verschmitzten Lächeln. Die Bonner Szene gefiel ihr gut, es war schon eine tolle Sache, alle diese wichtigen Leute zu treffen – und als junge, attraktive Frau unter den Journalisten hatte sie es natürlich leichter und sie war bald die „Henne im Korb". „Die meisten Politiker waren sehr hilfreich und gewillt, mir ein Interview zu geben. Irgendwie stand ich immer ein wenig im Mittelpunkt", sagte Christel darüber.

1970 erhielt sie ein interessantes Angebot: Ein Abgesandter der gerade in Mode kommenden kurdischen Freiheitsbewegung lud sie ein, den Kurdenführer Mohamed Mustafa Barsani zu interviewen. Natürlich in Kurdistan. Christel war begeistert. Sie träumte von weiten, schneebedeckten Landschaften und romantischen Berghütten. Angst hatte sie keine. „Vielleicht war ich immer zu naiv oder zu optimistisch. Aber Angst hatte ich immer erst hinterher." Der Abschied war bewegend, da ihre Freunde nicht daran glaubten, sie jemals lebend wiederzusehen. Der nette Freiheitskämpfer versprach, dass alles in die Wege geleitet sei und stellte ihr zwei Routen zur Auswahl. Sie entschied sich, nicht auf dem Eselsrücken über die Berge zu trekken, und wählte die nicht minder abenteuerlichen Reise via Persien in den Irak. Irgendwie kam die junge, abenteuerlustige Journalistin schließlich tatsächlich bei Barsani und somit bei den Kurden an. Sofort wurde sie mit einem schwarzen Tuch und einer Sonnenbrille ausgerüstet, damit niemand erkennen konnte, dass sich im Lager eine europäische Frau aufhielt. Sie war die einzige Journalistin, die zu dieser Zeit die Kurden besuchte. Kurz darauf kam dann allerdings ein dänischer Fotograf an, der zwei Wochen lang auf einem Esel über die Türkei eingereist war. Christel blieb bei den Kurden, lebte mit ihnen in Lehmhütten und wurde mit ihnen unter Beschuss genommen, bis endlich die Friedensgespräche mit Sadam Hussein begannen. Und schon lockte sie das nächste Abenteuer.

Ein günstiges Angebot der Fluggesellschaft hatte Christel auf die Idee gebracht, gleich einen Anschlussflug nach Saigon, wo sie Freunde hatte, zu buchen. „Da war damals auch einiges los", erzählt Christel temperamentvoll „ich dachte mir, ich könnte eigentlich auch in Vietnam noch ein paar Reportagen machen." Neben der Arbeit für den Südwestfunk schrieb sie nämlich bereits Artikel für die FAZ. Außerdem hatte Christel ihre Idee von der Doktorarbeit noch nicht aufgegeben und machte sich auf die Suche nach wirtschaftlichen Unterlagen in Vietnam. Ursprünglich sollte die gesamte Reise nach Vietnam nur drei Wochen dauern, doch da sie sich schon im Irak aufhalten lassen hatte, kam sie gerade zur „richtigen" Zeit an. In Kambodscha war König Sihanouk gestürzt worden und am 1. Mai marschierten die Amerikaner dort ein, um einen „Vietkong-freien Streifen" entlang der Grenze zu errichten. Christel flog mit den US-Truppen mit. „Die Amerikaner waren immer außerordentlich höflich, hilfsbereit und zuvorkommend. Ich hatte nie ein Problem mit der Truppe und wurde überall willkommen geheißen." Und „überall" war wirklich im gesamten Kriegsgebiet. Die Amerikaner verliehen den Journalisten, die über den Krieg berichteten, einen hohen Dienstgrad, so dass sie sofort und problemlos jedes gewünschte Transportmittel benutzen und in den Lagern der Soldaten übernachten konnten. „Es war eigentlich gar nicht so unkomfortabel, da es sehr selten vorkam, dass ich wirklich im Graben nächtigen musste. Die Amerikaner hatten für ihre Offiziere und Gäste luxuriöse Wohncontainer errichtet, in denen es an nichts mangelte," erinnert sich Christel. Ihre Kollegen in Saigon sahen die Reisen der jungen Journalistin allerdings nicht so gern. Eigentlich hätte sie, wie auch die anderen, in Saigon bleiben und auf den zahlreichen Empfängen teilnehmen sollen. Doch nur durch ihre ständigen Reisen konnte sie sich direkt ein Bild von den Geschehnissen machen und aus erster Hand berichten. „Außerdem liebe ich Hubschrauber. Immer wenn ich einen Hubschrauber sehe, muss ich damit fliegen. Es ist einfach traumhaft." Christel Pilz war die einzige deutsche Frau, die sich seit 1970 bis zum Ende des Indochinakrieges 1975 ständig in der Region aufhielt. Erst mit dem letztmöglichen Flug, kurz vor dem totalen Zusammenbruch, flog sie außer Landes nach Thailand. Dort hatte sie seit 1972 ein „Ausweichquartier" im Kansai-Hotel in Bangkok eingerichtet. Im gleichen Jahr noch, machte sie ihren ersten Besuch in Pattaya.

Sie mietete sich einen Bungalow in der Gegend des jetzigen Siam-Bayshore-Hotels und schrieb von dort ihre Berichte an die FAZ. „Ich fuhr immer ins Postamt nach Naklua und schickte von dort die Post ab. Schon damals dauerten die Briefe nach Deutschland nur vier Tage," berichtet Christel. 1972 lernte sie auch ihren Mann Ronald kennen, der als Asienbeauftragter einer Organisation der Weltbank in Indonesien tätig war.

Christel Pilz arbeitete jetzt als freie Korrespondentin der FAZ für ganz Südostasien und schrieb Beiträge „für alle, die etwas wissen wollten". So bereiste sie immer dann, wenn es nichts Neues aus Vietnam oder Kambodscha zu berichten gab, auch alle anderen Länder Süd-Ost-Asiens, kehrte aber immer „zum Einkaufen" nach Thailand zurück. Nach den Siegen der Kommunisten in Kambodscha und Vietnam 1975 erlosch der Nachrichtenstrom aus diesen Ländern völlig, die Journalisten flogen in ihre Heimatländer zurück oder errichteten neue Hauptquartiere in Bangkok. Alle Informationen liefen jetzt dort zusammen und Bangkok wurde das Zentrum der Indochina-Berichterstattung. Nachdem es in der Region ruhiger und die Arbeit weniger aufregend wurde, hatte Christel Pilz nun auch mehr Zeit, sich wieder ihrem eigentlichen Fach zuzuwenden, und schrieb zunehmend Wirtschafts- und Politikartikel. Bis 1980 arbeitete sie für die FAZ, die nächsten fünf Jahr dann für die „Welt" und von 1986 bis 1998 für das „Handelsblatt". Außerdem schrieb sie für den „Asien-Kompass", welcher hauptsächlich für deutsche Investoren in der Region bestimmt ist. Seit 1998 ist sie nur noch als freischaffende Journalistin tätig und schreibt Artikel für das Kultur- und Tourismus-Magazin „In Asien".

Christels nächstes Projekt ist es, ein Buch über den Spiritualismus in Java zu schreiben. Seit ihrer Oberschulzeit in Deutschland hatte sie sich schon mit der buddhistischen Lehre beschäftigt und zum Buddhismus bekannt. Durch ihre Begegnungen und Erfahrungen in Indonesien wurde sie zu viel weitergehenden spirituellen Interessen geführt. Christel erzählt lächelnd: „Mein erster Gesprächspartner in Indonesien war ein General. Mit Generälen kannte ich mich ja seit dem Vietnamkrieg aus. Bei meinem Besuch begrüßte er mich jedoch in Zivilkleidung in seiner Residenz, welche mit unzähligen religiösen Gegenständen ausgestattet war und eine tiefe Spiritualität ausstrahlte." Der General war der Erste, der sie mit der paranormalen Welt Indonesiens bekannt machte. Seither hat sie das Interesse daran nicht losgelassen. Durch die Krankheit und den Tod ihres Mannes im Jahre 1997 haben sich ihre spirituellen Erfahrungen vertieft. „Es ist ein Kreis, der sich schließt", meint Christel. „Als Kind war ich bereits sehr spirituell veranlagt. Das erste Buch, das ich anschaute, war ein Bildband über asiatische Kunst. Ich war von den Buddhastatuen fasziniert und wollte unbedingt nach Siam." Als Erwachsene reiste sie 30 Jahre lang durch die Region und entdeckte das asiatische Leben und die Kultur. Jetzt begibt sie sich auf eine Reise „nach innen", wie sie gesteht, um sich selbst zu entdecken. „Es ist etwas ganz anderes als die Arbeit als Journalistin. Meditation verschafft ein reines Glücksgefühl, vermittelt vollständiges Glück."

Christel Pilz ist, trotz ihrer Reise nach innen, immer noch genauso abenteuerlich und temperamentvoll wie in ihrer Jugend. Alle drei Monate reist sie nach Indonesien, um dort vor Ort bei ihrem Lehrer die spirituellen Lehren zu studieren. Sie fliegt, wie jeder andere, mit dem Flugzeug. Doch falls ihr jemand anbieten würde, die Reise mit einem Hubschrauber zu unternehmen, würde sie sicher sofort zustimmen.