In den europäischen Mitgliedsländern der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es keine Kinderlähmung mehr. Die
„Regional Commission for the Certification of Poliomyelitis
Eradication" (RCC -Regionale Kommission zur Bestätigung der
Ausrottung von Kinderlähmung) gab am 21. Juni diesen Jahres in Kopenhagen
die endgültige Ausrottung dieser Krankheit bekannt. Für die etwa 870
Millionen Menschen, die in den 51 Mitgliedsstaaten dieser Region leben,
bedeutet diese Mitteilung den bedeutendsten Meilenstein in der Entwicklung
des Gesundheitswesen seit Beginn des neuen Millenniums.
Mit dieser Erklärung ist Europa nach Amerika (1994)
und der Westpazifikregion (2000) die dritte Region, die von der WHO als
Polio-frei bestätigt wird. „Das ist in der Tat eine historische
Leistung", erklärte der Vorsitzende des Treuhandausschusses der
Rotary-Stiftung, Luis Vicente, vor der Jahresversammlung von Rotary
International in Barcelona. „Ich bedanke mich bei unseren Partnern
weltweit und bei allen Rotary-Mitgliedern für ihre Hilfe bei der
endgültigen Ausrottung dieser Jahrhunderte alten Geisel der Menschheit."
„Wir haben bei den globalen Anstrengungen zur
Ausrottung der Kinderlähmung eine herausragende Leistung erzielt",
erklärte Dr. Marc Danzon, der Regionaldirektor der WHO für Europa. „Um
dorthin zu gelangen, wo wir heute stehen, war das gesamte Engagement und
die Zusammenarbeit aller unserer 51 Mitgliedsstaaten, der volle Einsatz
der Ärzte und Krankenschwestern vor Ort, sowie die umfangreiche
Unterstützung unserer internationalen Partner erforderlich."
Europas letzter Fall des einheimischen Poliomyelitis
Virus wurde 1998 aus der östlichen Türkei gemeldet, wo ein zweijähriger
nicht geimpfter Junge durch die Krankheit gelähmt wurde. Allerdings
stellen die Polioviren, die aus Ländern eingeschleppt werden, in denen
die Krankheit noch auftritt, weiterhin eine Gefahr dar. Allein 2001 wurden
drei Fälle von Kinderlähmung unter Roma-Kindern aus Bulgarien sowie ein
nicht zur Lähmung führender Fall aus Georgien gemeldet. Alle diese
Fälle wurden von Viren hervorgerufen, welche ihren Ursprung auf dem
indischen Subkontinent hatten.
Zu den neuesten Fällen von eingeschleppter
Kinderlähmung erklärte Sir Joseph Smith, der Vorsitzende der RCC: „Wir
sind zufrieden, dass die erforderlichen Schritte eingeleitet wurden, um
sicherzustellen, dass die in die Region eingeschleppten Viren sich nicht
verbreiten konnten."
1988 beschloss die Generalversammlung der
Weltgesundheitsorganisation, die Krankheit weltweit auszurotten. Seitdem
wurden in den Ländern und Gebieten Europas und des östlichen
Mittelmeeres, in welchen Kinderlähmung heimisch war, viele Millionen
Kinder durch eine beispiellose Serie koordinierter nationaler
Impfkampagnen vor einer Ansteckung mit dem Poliovirus geschützt. In den
Ländern mit besonders hohen Risiken wurden bis 2002 zusätzliche
Impfkampagnen durchgeführt.
Die RCC hat sich als unabhängiger Ausschuss
internationaler Gesundheitsexperten seit 1996 um den formalen Prozess der
Bestätigung der Ausrottung der Kinderlähmung in Europa gekümmert. Bevor
diese Bestätigung erteilt werden konnte, mussten die RCC-Experten die
Überprüfungsdaten und Nachweise der nationalen Bestätigungsausschüsse
genauestens prüfen. Außerdem verpflichteten sich alle
Gesundheitsministerien, die Impfungen und Überprüfungen als Schutz gegen
das Risiko einer Infektion durch eingeschleppte Polioviren fortzusetzen.
Neben der Fortsetzung der Impfungen, der
Überprüfungen und der schnellen Reaktion bei eingeschleppten Fällen
katalogisieren die europäischen Staaten jetzt alle Laborvorräte an
Polioviren, um eine sichere Aufbewahrung der Krankheitserreger zu
gewährleisten.
Eine weltweite Ausrottung der Kinderlähmung erfordert
zusätzliche finanzielle Mittel von 275 Millionen US$ bis zum Jahre 2005.
Rotary beginnt in diesem Juli mit seiner zweiten großen Spendenaktion, um
bis 2003 80 Millionen US$ zur Unterstützung dieser weltweiten
Anstrengungen aufzubringen.