Die Begeisterung des 18. Jahrhunderts für das antike
Griechenland war von großer Bedeutung für das kulturelle
Selbstverständnis der beginnenden Moderne. Am Werk Hölderlins und dessen
Entwurf des antiken Olympias zeichnet Alexander Honold die Leitmotive der
modernen Antikerezeption in der Literatur, Archäologie und Pädagogik nach.
Den Spuren des Dreiecks von Literatur, Archäologie und Körperpädagogik
haben sich bislang weder die Literatur- und Kulturgeschichte angenommen,
noch die Chronisten der olympischen Bewegung. So gibt dieser Band nicht nur
eine neue Sicht auf das Werk Hölderlins, sondern bietet darüber hinaus
einen umfassenden Abriss der Vorgeschichte des Olympia-Gedankens. Die
vorliegende Hölderlin-Studie Alexander Honolds ist ein Glücksfall
literaturwissenschaftlicher Forschung, weil sie über den Rahmen ihrer
eigenen Disziplin hinauszugehen vermag. Ausgehend von Hölderlins „Hyperion",
und dessen dichterischem Entwurf des antiken Olympia entfaltet Honold das
historische Panorama jener außerordentlichen Griechenland-Begeisterung, die
das 18. Jahrhundert kennzeichnete und den Beginn moderner Archäologie
markierte.
Das
Werk Hölderlins wird bei Honold zum Werkzeug der Kulturanalyse; und das
Olympia-Projekt erweist sich als der Fokus, in dem sich die Tendenzen des
modernen Antike-Kults und des nationalkulturellen und pädagogischen Reform-Diskurses
um 1800 bündelten. Bei Hölderlin war Olympia ein institutionalisiertes
Ritual der Aufnahme und Integration fremdkultureller Zuwanderung.
Wesentliche Elemente der Spiele waren die Ästhetik des Agonalen und der
athletische Körperkult.
Die Neue Zürcher Zeitung vom 27.06.2002 in ihrer Kritik:
„Ungewöhnlich dicht und kenntnisreich" nennt der
Rezensent Ralf Müller Alexander Honolds Studie über Hölderlins Bild der
Antike, und dasselbe trifft auch auf seine Rezension zu. „Jeder Blick in
die Vergangenheit ist zugleich Ausdruck der Gegenwart", schreibt
Müller einleitend und liest Honolds Buchtitel „Nach Olympia" sowohl
als Wegweiser in die Vergangenheit als auch als Selbstpositionierung im „Danach".
Honold erzähle demnach „zwei Geschichten": die von Hölderlin und
die vom europäischen Antike-Mythos. Wie die glühende Antikenverehrung zur
„existenziellen Selbstbefragung" wird, zeigt Honold in Hölderlins
Werk auf, wobei ihm in erster Linie der „Hyperion" als Bezugstext
dient. Der „unkonventionelle und phantasievolle Interpret" Honold,
wie Müller voll des Lobes schreibt, sieht diese Spannung der gleichzeitigen
Rück- und Selbstzuwendung in Hyperions Verhältnis zu seinem Lehrer Adamas,
das er als „Emblem einer Allianz von Antike und Moderne" liest, und
im dynamischen Bild der Quelle, das er als Metapher der Kulturkonstitution
versteht: „Kultur ist auch ‚als Effekt von Migration zu begreifen und
darzustellen’. Doch das Antike-Bild sei auch aufgrund der
wissenschaftlichen Entwicklung problematisch geworden, vor allem im Bereich
der Archäologie. Hölderlin habe den tiefgreifenden Paradigmenwechsel in
der Betrachtung der Antike miterlebt, in der Methodik die Einfühlung
ablöst. Für Honold zeige der „Hyperion" also ein doppeltes Olympia,
das zugleich „agonale Urszene und realhistorischer Trümmerhaufen"
sei. Später, als die Nazis die olympische Wettkampf-Metaphorik für die
soldatische Kriegsbereitschaft verpflichteten, „wurde aus dem olympischen
Agon Agonie", schließt der Rezensent pathetisch.
Zum Autor:
Alexander Honold, geboren 1962 in Chile, ist
Literaturwissenschaftler und Kritiker, Lehrtätigkeit an der Freien
Universität und an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1998/99 Fellow am
Kulturwissenschaftlichen Institut Essen; langjähriger Koordinator des
DFG-Projektes zur „Literatur- und Kulturgeschichte des Fremden" an
der Humboldt-Universität. Autor zahlreicher Aufsätze und Literaturkritiken
(u.a. FAZ und Zeit). Buchpublikationen u.a.: Die Stadt und der Krieg. Raum-
und Zeitkonstruktion in Robert Musils ‚Der Mann ohne Eigenschaften’ (München
1995); Der Leser Walter Benjamin. Bruchstücke einer deutschen
Literaturgeschichte (Berlin 2000); Hölderlins Kalender. Astronomie und
Revolution um 1800 (erscheint 2003).
Verlag Vorwerk 8, IBSN 3-930916-51-7, 19.00 Euro