Die Frage der Psychiatrisierung von Patienten hat auch
heute noch nichts von ihrer Aktualität verloren. Das Schicksal des
jüdischen Dichters Jakob van Hoddis zeigt, wie ein Mensch zum Objekt der
Akten und Anstalten wird. Der Autor des vielleicht berühmtesten
expressionistischen Gedichtes „Weltende" geriet kurz vor dem 1.
Weltkrieg in die Mühlen der Psychiatrie und wurde 1942 aus einer jüdischen
Heil- und Pflegeanstalt deportiert. Übriggeblieben sind ein paar Gedichte
und Briefe, einige Krankenakten und die Erinnerungen seiner Freunde und
Verwandten, die nur ein unscharfes und unvollständiges Bild von der
Persönlichkeit van Hoddis zeichnen. Fritz Bremer lässt den Menschen van
Hoddis wieder lebendig werden. Erst in der Erzählung wird die Person van
Hoddis sichtbar und spürbar, in seiner Genialität wie in seinen Schwächen.
In
dem Spannungsfeld aus Fakten und Fiktion steht die Literaturszene und die
psychiatrische Landschaft zu Beginn unseres Jahrhunderts wieder auf.
Fulminanter Höhepunkt ist eine Zeitreise des Patienten Hoddis in das Triest
der 70er Jahre. Hier, weit entfernt von dem realen Vernichtungsprozess, an
einem Geburtsort der Psychiatriereform, deutet sich die Alternative einer
vorurteilsfreien Begegnung mit dem Wahnsinn an.
Resonanz
Irene Stratenwerth in Die Zeit: „Bremers
Biographie fragt, ohne es auszusprechen: Wie würde uns jemand wie Hoddis
heute begegnen? Als eine jener Gestalten, die, unverständliches Zeug
murmelnd, durch die Städte streifen und auf Lüftungsschächten schlafen?
Oder als braver Patient der Drehtür-Psychiatrie, eingepackt in einen dicken
Mantel antipsychotischer Medikamente? Kann man Menschen wie Hoddis ‚einfach
verschleppen, verstecken und zur Nichtexistenz erklären?’ fragt der
Klappentext. Doch die Fragen, die diese brillant erzählte Geschichte
außerdem stellt, sind sehr viel beunruhigender."
Leo Navratil in Spektrum: „Fritz Bremer hat die
Lücke zwischen den sorgfältig zitierten Dokumenten mit seiner
Vorstellungskraft ausgefüllt, wobei man ihm neben Behutsamkeit intime
Kenntnisse psychotischer Menschen und großes literarisches Geschick
zuerkennen muss."
Jens Clausen in Sozialpsychiatrische Informationen:
„Dieses kleine Kunstwerk (...) lädt uns ein in eine dichterische und
zugleich präpsychotische, dann immer psychotischer werdende Erlebniswelt
des Jakob van Hoddis, und selten ist uns eine Psychose auf bedrucktem Papier
so hautnah vermittelt worden."
Jakob van Hoddis - Fragmente einer Biographie von Fritz
Bremer
ISBN 3-88414-188-0, 150 Seiten, 12,40 Euro