von
Walter Kretschmar
Noch nie war dieser Satz so aktuell wie jetzt. Ich
erlaube mir, Wilhelm Busch möge mir verzeihen, diesen Satz leicht
umzustellen in: Musik wird oft als schön empfunden obwohl sie mit
Gefahr verbunden.
Der letzte Discobesuch, die letzte Party im Freien mit
den unglaublichen Lautsprecheranlagen, das letzte Popkonzert, dann
vielleicht noch als VIP direkt vor der Bühne und den Lautsprechern
plaziert. Bei einer Abschiedsparty hat mir der Gastgeber bei der
Begrüßung Ohrstöpsel gegeben, ein sehr verantwortungsvoller Mann,
natürlich war er Ingenieur und hat sich sofort entschuldigt, dass er
nicht der Organisator war. Eigentlich ist es nicht der Sinn zu einem
Konzert zu gehen und Ohrstöpsel zu verteilen, dies mag richtig sein, wenn
man zur Formel 1 geht, denn dort ist das Ziel ein anderes.
Musik selbst ist natürlich hier nicht die Gefahr,
unser Problem ist die sorglos eingesetzte Technik, die eine ungebremste
Verstärkung erlaubt. Ärzte warnen seit langem und Sicherheitsingenieure
sind bemüht die Arbeitsumgebung optimal zu gestalten, um die Leistung zu
erhöhen und die Prämien der Berufsgenossenschaften zu senken, natürlich
auch die Gesundheit der Mitarbeiter aus ethischen Gründen zu erhalten.
Laut ist gefährlich!
Vergessen wir zunächst die Musik und sprechen vom
Lärm.
Was ist Lärm?
Lärm ist sehr subjektiv, deshalb sprechen wir nur dann
von Lärm, wenn es sich um Umgebungsgeräusche handelt, die uns stören.
So ist es nicht verwunderlich, wenn die Mutter anfängt wahnsinnig zu
werden, während die Sprösslinge vor Vergnügen den Lautsprecher noch
lauter machen und selbst noch dazu trommeln, tanzen und schreien oder
singen.
Das Empfinden hängt von der jeweiligen Verfassung und
Stimmung der Personen ab und natürlich davon, wie ausgebildet und noch
funktionsfähig das Sinnesorgan Ohr ist.
Als Ingenieur muss man Lärm als den Schall bezeichnen,
der den Menschen belästigt oder sogar gesundheitsschädlich ist.
Dies neutral und sachlich zu beurteilen ist nur mit
Messungen möglich. Messingenieure entwickeln natürlich Erfahrung und
können mit ihren eigenen Ohren eine recht gute Beurteilung abgeben.
Lärm hat sehr starke Auswirkungen auf den Menschen und
nicht nur auf das Gehör selbst. Lärm kann zu hohem Blutdruck und zu
Herzkreislauf-Beschwerden führen. Lärmstress kann Magengeschwüre
verursachen und kann die Atemfrequenz beeinflussen und die Durchblutung
der Haut vermindern.
Lärm ist ein sehr großer und gefährlicher
Stressfaktor!
Lärm sind uns unangenehme Schallwellen, die uns
stören. Was ist jetzt mit Musik, also Schallwellen, die wir als schön,
angenehm und als stimulierend empfinden?
Schallwellen beeinflussen uns sehr stark, direkt im
Gehör, in der Psyche und letztendlich den gesamten Menschen. Das, was uns
angenehm ist und uns positiv stimuliert und eine gewisse Zeit nicht
überschreitet, ist mit Sicherheit positiv für unser Wohlbefinden,
vorausgesetzt, dass eine gewisse real messbare Lautstärke, oder mehr
technisch gesprochen, ein realer maximaler Schalldruck nicht
überschritten wird. Wir sehen also, Musik wird als angenehm empfunden,
deshalb psychisch positiv, ob jedoch für das Ohr gefährlich, das hängt
ausschließlich von der reinen Lautstärke, dem Schalldruck und der
ausgesetzten Dauer ab.
Ab einem gewissen Schalldruck, kann sogar eine
einmalige Belastung das Gehör auf Dauer zerstören, wie z. Bsp. bei einer
Explosion.
Die gesamten Zusammenhänge sind sehr kompliziert, denn
es spielen viele Faktoren eine Rolle. Obwohl wir vom Menschen und einem
Sinnesorgan sprechen, wird es sehr technisch, will man die Vorgänge
beschreiben.
Die Auswirkung des Schalls auf das Ohr verhalten sich
proportional dem Logarithmus und werden in Bezug zur Hörschwelle gesetzt,
dieses Maß nennt man dann Dezibel oder kurz dB. Die Lärmbelastung hängt
aber auch noch von der Einwirkungszeit ab, dann spricht man von dB(A).
Der leiseste Ton, der gerade hörbar wird, ist die
Hörschwelle und damit 0 dB(A).
Die Schmerzgrenze ist bei ca 120 dB(A).
Bei einem Detonationsknall von 150 dB(A) wird mit
großer Wahrscheinlichkeit unser Trommelfell platzen.
Laut Berufsgenossenschaft (BG) wird mit einer Belastung
unter 85 dB(A) mit keiner Gesundheitsschädigung gerechnet. Diese Grenze
wird aber zur Zeit sehr stark diskutiert und es wird überlegt, ob sie
nicht auf 80dB(A) herunter gesetzt werden muss. Es ist jedoch eine
absolute Einigkeit, dass die Arbeitsleistung sehr stark von der
Lärmbelastung abhängig ist, deshalb werden bei überwiegend geistigen
Arbeiten die Belastungsgrenzen bei 55 dB(A) gesehen.
Tabelle:
Hörschwelle 0 dB(A)
Leises Waldrauschen
10 dB(A)
Flüstern 30 dB(A)
Gebläse eines PC 40 dB(A)
Norm. Gespräch 60 dB(A)
(Belastungsgrenze für geistige Arbeit)
Vorbeifahrender PKW
70 dB(A)
Belastungsgrenze 85 dB(A)
(Grenze der Dauerbelastung ohne Schaden)
Vorbeifahrender LKW 90 dB(A) (ab hier Hörschäden bei
langfristiger Belastung)
Kreissäge 100 dB(A)
Winkelschleifer 110 dB(A)
POP Gruppe 115 dB(A)
Düsenjet beim Start
120 dB(A)
(ab hier sofortige Verletzungsgefahren)
(100m Entfernung)
näher bis zu 130 dB(A)
Schmerzgrenze 150 dB(A)
Zerstörung des Gehörs
Zum besseren Verständnis kann man sich vorstellen,
dass sich etwa mit 10dB der Schalldruck verdoppelt.
Die größten Gefahrenquellen in der Freizeit lauern in
den Discos und in den Kopfhörern, vorallem bei den kleinen Walkmen. Der
Sportfan macht sich vielleicht fit, zerstört jedoch sein Gehör durch den
Walkman oder durch die zu laute Musik beim „Aerobic".
Natürlich sind die zu grossen Verstärker in den Autos
hier mit einzubeziehen, ganz abgesehen von den Gefahren, weil wichtige
Signale des Verkehrs nicht mehr wahrgenommen werden. Die unmittelbaren
psychischen Auswirkungen auf den Fahrer durch die Art und Lautstärke der
Musik haben einen enormen Anteil an der Verkehrssicherheit bzw.
Gefährdung.
Aufgrund des Aufbaues des Gehörs spielen die
Frequenzen noch eine Rolle. Der Bereich um etwa 4.000 Hz, also 4 kHz ist
besonders sensibel, weil diese Nerven ungeschützt direkt am Eingang des
Ohres liegen, deshalb treten in diesen Frequenzen auch meist die ersten
Schwerhörigkeitseffekte auf. Dies sind dann meist Zischlaute, die nicht
mehr wahrgenommen werden können.
Im Arbeitsbereich sind zumindest in Deutschland alle
Themen zum Lärm optimal geregelt. Die grundlegenden Vorschriften sind in
den VDI-Richtlinien VDI 2058 zusammengefasst mit allen weiterführenden
Themen. Die VDI Richtlinien sind beim TGI verfügbar, meist in deutscher
und englischer Sprache und können sogar dort bezogen werden, denn das TGI
ist eine offizielle Auslagestelle.
Die Berufsgenossenschaften (BG) haben die
entsprechenden Vorschriften in der BGV B3 (bisher VBG 121) zusammengefasst.
Die BG arbeitet seit langem mit großem Erfolg
vorbeugend, während unsere Krankenkassen leider dabei sind, wieder zur
Reparaturversicherung zu werden.
Wie an vielen anderen Stellen müssen wir feststellen,
dass zunehmend die Gefahren für unsere Gesundheit und Wohlbefinden im
Freizeitbereich lauern. Hier liegt eine große Verantwortung bei uns
selbst, denn wir müssen mehr Mut aufbringen uns auch hier konsequent zu
verhalten. Höflichkeit ist nicht angebracht, wenn es um unsere Gesundheit
geht. Gleichzeitig haben wir auch eine Verantwortung, wenn wir selbst
Veranstalter und Gastgeber sind. Aufklärung zum Thema Lärm ist wirklich
erforderlich, vorallem bei unseren jungen Menschen.
Das, was der Ausdruck der Freude, sinnlicher Genuss und
Gesellschaft ist und was Kommunikation bedeutet und auch ist, kann, wenn
wir es falsch machen, zur lebenslangen gesellschaftlichen und sozialen
Isolation führen. Nur derjenige, der jemanden mit Schwerhörigkeit in
seinem Bekanntenkreis oder gar Familie hat, kann ermessen, welche
Isolation und Belastung auf diesen Menschen lastet.
Wir müssen leider dieses Thema sehr aktiv angehen,
weil es ein schleichender Effekt ist und wenn die Auswirkung kommt,
erkennen wir oft nicht mehr den unmittelbaren kausalen Zusammenhang
zwischen Ursache und Wirkung. Sorgen Sie selbst dafür, dass nach
akustischen Belastungen Ihr Gehör wieder lange Erholungspausen bekommt.
Das Gehör arbeitet immer, auch während des Schlafes.
Insbesondere Kleinkinder sind oft hilflos der
Unvernunft der Erwachsenen ausgesetzt und können sich nicht wehren.
Gerade hier in Thailand erfahren wir zusätzliche Belastungen durch
Klimaanlagen, die den Grundpegel anheben.
Wir müssen uns heute auf viele Arten schützen,
vielleicht auch manchmal mit Ohrstöpseln im Konzert. Ich habe das schon
getan und scheue mich nicht, dies wieder zu tun und zwar ganz bewusst und
für alle sichtbar, denn es ist schließlich mein Körper, mein Gehör,
meine Gesundheit und mein Wohlbefinden, da ist mir egal, was andere denken.
Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie noch recht lange
das Säuseln im Winde, die herrlichen Vogelstimmen und die wunderbaren
Musikstücke hören können, vom tiefen Ton des Cello bis zu den höchsten
Tönen der Geigen.
Den Zauber unserer Sprache, vom romantischen Flüstern
bis zur lauten Begeisterung in voller Dynamik erleben, das ist
Lebensqualität.
Es wäre schade, dies alles durch eine Modeerscheinung,
Unwissenheit und Unvernunft zu verlieren. Bekennen wir uns zur
Verantwortung für uns selbst und für andere.