Peter Nordhues
2. Teil
In die Umgangssprache aller Völker sind zahlreiche
Anglizismen eingegangen. Da geht es der deutschen Sprache nicht anders als
allen anderen Kultursprachen auf dieser Welt. Auch in Thailand haben sich
verschiedene Deutschsprachige alle möglichen englischen Ausdrucksweisen
zugelegt. Warum? Hier liegen zwei Vorurteile zu Grunde. Das erste: Deutsch
ist eine schwere Sprache. Das zweite: Englisch als Umgangssprache ist viel
leichter, das versteht doch jeder.
Beide Vorurteile halten einer Überprüfung nicht stand.
Deutsch ist nicht schwerer zu erlernen oder zu beherrschen als andere
Sprachen. Zugegebenermaßen tut sich mancher mit der Beugung der Tätigkeits-
und Hauptwörter schwer; diese Beugung hat historische Gründe. Englisch ist
angeblich viel leichter zu beherrschen, da nur wenig Grammatik zur Anwendung
kommt. Das ist nicht richtig. In der englischen Satzkonstruktion werden in
besonderem Maße passivische Verlaufsformen benutzt, das ist dem Deutschen
fremd. Diese typische Satzkonstruktion wird von vielen Deutschsprachigen
jedoch nicht übernommen, sondern sie konstruieren einen englischen Satz so,
als ob es sich um einen deutschen Satz handele. So entsteht eine Art
zusammengebastelte Untersprache. Angloamerikanische Sprachwissenschaftler
gehen davon aus, dass es heute viele Unterarten des Englischen auf der
ganzen Welt gibt.
Möglicherweise wird dem Englischen ein ähnliches
Schicksal beschieden wie dem klassischen Latein. Entweder es erstarrt zu
einer Art Universalsprache oder es löst sich wie das Lateinische in
Untergruppen auf, aus dem die romanischen Sprachen in Europa entstanden sind.
Elemente des klassischen Lateins finden sich in allen europäischen Sprachen,
ein Hinweis darauf, dass die damaligen „Ursprachen" eine Fülle
lateinischer Ausdrücke übernommen haben.
Die Verwendung von Anglizismen ist daher wertfrei; wer
möchte, kann das gerne tun, man kann jedoch auch ohne sie auskommen. Oft
werden aber kritiklos ganze Begriffe oder Wörter übernommen, aus
Bequemlichkeit oder in der irrigen Annahme ein jeder würde das sowieso
verstehen.
Ein englisches Wort, das ständig auftaucht, ist „free".
Es wird überall zu passenden oder unpassenden Gelegenheiten benutzt.
Vornehmlich in der Gastronomie, wo es ein Getränk (oder sollte man lieber
Drink sagen?) oder einen Imbiss (oder sollte man lieber Snack sagen?) eben
„free" bei gezielten Werbemaßnahmen (oder sollte man lieber
Promotion sagen?) gibt. Da dieses Wort sogar in die thailändische
Schriftsprache Eingang gefunden hat, kann man es geradezu ideal benutzen,
jedermann versteht es doch!
Das englische Wörterbuch von Muret-Sanders führt 37
verschiedene Bedeutungen allein für dieses einzige Wort auf. Die Bedeutung,
die diesem Wort hier zukommt, ist kostenlos, frei. Warum sagt man nicht
einfach: Ein Getränk ist frei? Man sagt doch auch nicht: „Heute gibt es
Freebier." Man sagt: „Heute gibt es Freibier." Der Gebrauch
dieses Wortes ist überflüssig und außerdem unschön.
„Bangkok hat die zahlenmäßig stärkste
deutschsprachige Community in Thailand und Phuket ist die meistbesuchte
Touristendestination für Deutschsprachige in Thailand." Dieser Satz
stand in einer kleinen Reisebroschüre. Abgesehen vom etwas holprigen
Deutsch und der zweifelhaften Zeichensetzung werden hier zwei englische
Ausdrücke gebraucht, die nicht jedem Deutschsprachigen so einfach
verständlich sind.
Community ist nur im englischen Wörterbuch zu finden. Es
bedeutet organisierte Gemeinschaft oder Gemeinde. Aber füllt dieses Wort
hier wirklich das aus, was gemeint ist? Sicher nicht. Die Deutschsprachigen
in Thailand bilden weder eine politische noch soziale Gemeinschaft. Das
einzig angemessene Wort ist Gruppe.
Am schlimmsten ist aber das Ungetüm Touristendestination.
Der Duden führt den Begriff Destination tatsächlich auf. Aber für unser
Beispiel ergäbe sich gar kein Sinn. Das Wort wird wie folgt erklärt:
Bestimmung, Endzweck (aus dem Lateinischen, veraltend). In unserem Beispiel
ist es augenscheinlich aus dem Englischen übernommen und bedeutet Reiseziel.
Der schlichte Satz „Das meist besuchte Reiseziel deutschsprachiger
Urlauber in Thailand ist Phuket" tut es doch auch, oder?
Nun möchte ich zu einem meiner Lieblingswörter kommen,
dem Residenzler oder Residenten. Dieses Wort hat sich inzwischen so
eingebürgert, dass es schwerlich mehr wegzudenken, geschweige denn
wegzudiskutieren ist. Seinen Eingang in die hiesige deutsche Sprache hat es
wohl über die thailändische Ausländerbehörde (manche kennen dieses Amt
nur unter dem Begriff Immigration) gefunden. Diese erteilt unter anderem
auch Non-resident-Sichtvermerke im Pass.
Damit ist gemeint, dass der Passinhaber ein von seinem
amtlichen Wirkungskreis Abwesender ist. Er wohnt also nicht in seinem
Heimatland, sondern in diesem Falle hat er eine beschränkte
Aufenthaltsgenehmigung für Thailand. Das Gegenteil wäre also ein
Resident-Sichtvermerk. Und nun kommt es zu einem Durcheinander, aus dem wohl
der Residenzler entstanden ist.
Gehen wir systematisch vor. Im Duden finden wir zwei
Angebote. Resident: französisch, veraltet für Geschäftsträger, veraltend
für Regierungsvertreter, Statthalter. Residenz: lateinisch, Wohnsitz eines
Staatsoberhauptes, eines Fürsten, eines hohen Geistlichen; Hauptstadt.
Wohlwollend könnte man darunter dann jemanden verstehen,
der in der Hauptstadt wohnt, also in Bangkok; das ist aber offensichtlich
nicht gemeint. Hier ist also folgendes geschehen: Es wurde ein englisches
Wort eingedeutscht und mit einer Bedeutung versehen, die ihm eigentlich gar
nicht zukommt. Denn in der Regel sind die hier lebenden Ausländer eben
keine Residenzler, sondern, ja was sind sie eigentlich?
Sie sind im thailändischen amtlichen Sprachgebrauch Non-residents;
übertragen ins Amtsdeutsche: Nichtthailändische Staatsangehörige mit
einem amtlichen Sichtvermerk im Pass versehen. Na, ist das nichts? Aber
diese Sprachschöpfung wird uns wohl erhalten bleiben, auch wenn sie dem
Zugereisten erläutert werden muss.