Ranjith Chandrasiri
Natürlich wünschen sich Weinerzeuger jeden Herbst einen
famosen Jahrgang in den Keller. Trägt der Wein aber eine magische Zahl wie
die 2000 auf dem Etikett, sind Hoffen und Bangen noch viel größer.
Entsprechend groß war der Jubel der Produzenten, als ihnen das vergangene
Weinjahr eine qualitativ gute Ernte beschert hatte. Vielleicht war es ein
gutes Omen, dass sich die Natur bereits vor hundert Jahren nicht lumpen
ließ. Der Weinhistoriker Michael Broadbent bewertet den ebenfalls
emotionsbeladenen Jahrgang 1900 - zumindest fürs Bordelais - mit fünf
Sternen und ergänzt: „Vollkommene Witterungsverhältnisse. Ein
überreicher Ertrag herausragender Weine." Den 2000er wird er
möglicherweise ähnlich bewerten. Noch befinden sich alle ernsthaften Weine
in der Ausbauzeit. Bis sie in die Flaschen und Regale kommen - und also
verlässlich beurteilt werden können - dauert es noch eine Weile.
Jean
Bernard Grenie, der Eigentümer von Château Angelus mit Ranjith auf dem
St-Emilion-Premier. Château Angelus zählt man zu den vier oder fünf
besten Jahrgängen der letzten fünfzig Jahre und feierte diesen mit einer
eigenen Festschrift.
Weinliebhaber dürfen sich freuen. Der Jahrgang 2000 wird
ihnen eine Fülle fabelhafter Weine bescheren. Zum Weinen hingegen ist, dass
viele Winzer die exzellente Qualität wahrscheinlich als Argument für
weitere Preiserhöhungen vorschieben werden.
Schweiz: Jubel in allen Landesteilen
Der überdurchschnittlich warme Frühling sorgte überall
für eine frühe, regelmäßige und gute Blüte - und schuf damit ideale
Voraussetzungen für einen qualitativ und quantitativ ausgezeichneten
Jahrgang. Der nasse und kühle Juli bewirkte keinen Qualitätsverlust,
sondern verlangsamte mitunter lediglich den Reifeprozess, den der sonnige
und trockene August und September wieder beschleunigten. In der Romandie wie
im Tessin begann die Ernte rekordverdächtig früh. Die meisten Trauben
waren bereits eingekellert, als es im Oktober zu regnen begann.
Die Winzer in der Waadt sprechen von einem „année de
rêve". Die Öchslegrade waren hoch wie selten, der Reifefaktor perfekt.
Die Kollegen des Wallis schwärmen von feinen und ausdrucksvollen
Weißweinen und farbintensiven, gut strukturierten, konzentrierten Roten. Im
Tessin vergleicht man den 2000er mit dem superben 90er. Der in gewissen
Teilen des Kantons aufgetretene Hagel wirkte sich mitunter sogar
qualitätsfördernd aus: Die betroffenen Winzer mussten zwar kleinere
Erträge und eine aufwändige Ernte in Kauf nehmen, dafür wurden sie mit
ungewöhnlich dichten und tiefgründigen Merlots belohnt. Die traditionell
spätere Blauburgunderernte der Ostschweiz wurde teilweise verregnet. Doch
wer die einzelnen faulen Beeren aussonderte und den Ertrag im Griff hatte,
darf sich nun ebenfalls über großartige Weine im Keller freuen. Im
Bündnerland spricht man von einem Wein für die Annalen - nicht etwa weil
es sich um den ersten Jahrgang des Jahrtausends handelt, der 2000er bringe
alle Voraussetzungen für einen denkwürdigen Jahrgang mit, loben die Winzer.
Frankreich: zwischen Euphorie und Ernüchterung
In Frankreich sind die Meinungen über die Güte des
2000ers gespalten. Bloß in einem Punkt sind sich die Winzer einig: Dass es
sich um einen der ertragsreichsten Jahrgänge seit Menschengedenken handelt,
mit einem ungewöhnlich frühen Lesebeginn. Die nördlicheren Anbaugebiete
wurden von einem unregelmäßigen Klimaverlauf, von kalten, regnerischen und
heißen, gewittrigen Perioden gebeutelt. Sowohl in der Champagne wie im
Burgund zieht man deshalb den 99er dem 2000er vor. Das Burgund wird wohl
fruchtbetonte, eher rasch reifende Pinot noirs erzeugen, wobei die Weine der
Côte de Nuits jene der Côte de Beaune übertreffen dürften. Anders beim
Chardonnay: Der 2000er ist ein lagerfähiger Jahrgang und wird mit dem
tollen 1996er verglichen.
In den südlicheren Gebieten hingegen - dem Rhonetal, dem
Midi und vor allem dem Bordelais - sind die Weinbauern geradezu euphorisch.
Sie waren mit dem Wetter mehr als zufrieden, ernteten ebenfalls früh und
reichlich und staunen jetzt über die Intensität, Dichte und Kraft ihrer
Weine. In Bordeaux vergleicht man den jüngsten Jahrgang mit den
sensationellen 1990er, 1982er oder 1959er. Zwar wurde der Quatorze Juillet
noch unter dem Regenschirm gefeiert, danach aber war es in dieser Region
fast pausenlos schön und warm: Kalifornische Bedingungen, die große,
konzentrierte, alterungsfähige Cabernet Sauvignons und Merlots
hervorbrachten. Auf dem St-Emilion-Premier Château Angelus zählt man den
Jahrgang zu den vier oder fünf besten der letzten fünfzig Jahre und
feierte diesen mit einer eigenen Festschrift.
Italien: Hitze, Trockenheit und ganz zum Schluss Regen
In Italien war das Rebjahr - vor allem in Mittelitalien
und im Süden - von extremer Sommerhitze und Trockenheit gekennzeichnet. Das
führte zu einer frühen Ernte und Ertragsausfällen, der mengenmäßig
drittschlechtesten Vendemmia der letzten vierzig Jahre. Die Qualität der
Weine hingegen ist gut bis sehr gut. Wirkliche Topqualitäten wurden aber -
wenn überhaupt - nur im Piemont erzielt. Die Toskana wie auch die
aufstrebenden Gebiete des Südens beklagten Hitzeschäden. Farbe, Aroma und
Tannine der Trauben wurden von der sengenden Sonne buchstäblich verbrannt.
Aus der Toskana werden uns deshalb eher hellfarbene, alkoholische und
unverbindlich strukturierte Weine erreichen. Lagen, die in klimatisch
normalen Jahren bloß durchschnittliche Weine ergeben, dürften
paradoxerweise überdurchschnittliche Resultate erzielen. Zum sechsten Mal
hintereinander kellerten die Piemonteser bemerkenswerte Weine ein: Die
katastrophalen Niederschläge im Oktober kamen kurz vor Ernteschluss und
versehrten einzig letzte Nebbiolopartien. Barolowinzer sind denn auch von
ihrem 2000er begeistert. An eine derartige Serie guter Jahrgänge kann sich
kein Produzent erinnern. Ob das vorzügliche Jahr 2000 eine Preisberuhigung
bewirken wird, ist allerdings ungewiss: Mit dem hervorragenden Barolo-Jahrgang
1997, der jetzt in den Handel kommt, droht diesbezüglich jedenfalls neues
Ungemach.
Spanien: Generös und viel versprechend
Die spanischen Winzer fuhren mit dem Jahrgang 2000 eine
reiche Ernte ein und übertrafen die Menge des Vorjahres um mehr als zehn
Prozent. Über die Qualität lässt sich erst spekulieren, sie wird als „gut"
bis „sehr gut" bezeichnet. Zu erwarten sind fruchtbetonte, volle
Weine mit Rückgrat aus reifen, gesunden Trauben, die den Aufwärtstrend
bestätigen dürften, der den Weinbau Spaniens zurzeit bestimmt. Als
Geheimtipp des Jahrgangs gelten die Weine aus Rias Baixas.
Österreich und Deutschland: Problemlos und schwierig
Im Sommer erwartete man in Österreich und Deutschland
einen großen Jahrgang. Die Rebe war punkto Wachstum im Vorsprung, die
Blüte verlief ideal. Dann wurden die Entwicklungen der beiden Rebländer
durch unterschiedliche Klimaverläufe geprägt.
Die Österreicher hatten wenig Grund zum Granteln:
Abgesehen von kurzen Regenperioden im September und Anfang Oktober blieb der
Herbst trocken und schön. Die kühlen Oktobernächte sorgten in den
Spitzenlagen für eine aromatische Prägnanz der Weißweintrauben. Es darf
mit harmonischen und vielschichtigen Rot- und Weißweinen gerechnet werden.
Anders in Deutschland: Juli und September waren vielerorts die
niederschlagreichsten Monate der vergangenen 15 Jahre. Nur jene Winzer, die
den Ertrag begrenzt und bei der mühsamen Lese sorgfältig selektioniert
hatten, konnten gute Qualitäten einkellern. Bei den filigranen Rieslingen
von Mosel-Saar-Ruwer wird es ansprechende Kabinett- und Spätlese-Weine
geben. Höhere Prädikate wie Auslesen oder gar Beerenauslesen werden
allerdings rar sein.
Neue Welt: Allenthalben herrscht Freude
Das Jahr 2000 ist - wie letztmals 1990 - ein Jahrgang,
der überdurchschnittliche Weine rund um die Welt offeriert: Besonders
glücklich sind die kalifornischen Winzer. Der gesamte Weinstaat, vom Süden
bis in den Norden, weist eine ungewohnt große qualitative Homogenität auf.
Die Weine zeichnen sich durch Intensität und Harmonie in der Aromatik aus -
Resultat des problemlosen Wachstumsprozesses und einer Ernte ohne Hektik und
Komplikationen. Auch die australischen Produzenten sprechen von guten bis
sehr guten Qualitäten. Der trockene Winter und eine eher ungünstig
verlaufene Blütezeit hatten im Vergleich zum Vorjahr zwar ein rund vierzig
Prozent kleineres Erntevolumen bewirkt, die Güte der Weine litt darunter
aber keineswegs. Im Gegenteil: Die geringeren Erträge zeitigten etwa im
Barossa-Valley besonders reichhaltige und konzentrierte Cabernet-Sauvignon-
und Shiraz-Weine.
Ranjith Chandrasiri ist der Resident Manager im Royal Cliff Grand und der
Präsident des Royal Cliff Weinclubs, Royal Cliff Beach Resort, Pattaya,
Thailand, Email: ranjith @royalcliff.com oder [email protected]