Francesca Marciano
Streunende Hunde nennt Alina die Frauen ihrer Sippe -
immer auf der Suche nach einem Besitzer, aber zu misstrauisch, um anhänglich
zu sein. Es sind vier starke Frauen, die in der Casa Rossa, dem Roten Haus
irgendwo in Süditalien, leben: die Großmutter Renée, eine nordafrikanische
Schönheit, angeblich eine Nazi-Spionin, die mit einer deutschen Frau
durchbrennt und Mann und Kind verlässt, die Mutter Alba, die aufwächst
zwischen der Grobheit des Dorfes sowie der Kultiviertheit ihres Vaters und
der französischen Stiefmutter, auch sie sucht Freiheit und ist ihrem Mann
untreu. Und schließlich die Töchter: Isabella, die Terroristin, die für
ihre Überzeugung ins Gefängnis geht, und Alina, die Sanfte, die es jedoch
schafft, sich aus eigener Kraft von Drogen loszusagen und in Amerika ein
neues Leben aufzubauen.
Die vier Frauen haben auch Männer, die sich zwar stark
gebärden, im Grunde genommen aber Schwächlinge sind: Großvater Lorenzo,
der in Wahrheit für die Nazis spioniert und dies seiner Frau in die Schuhe
geschoben hat. Vater Oliviero, ein begabter Drehbuchautor, aber zu weich und
weltfremd - er begeht Selbstmord. Enrico, der Terroristen-Freund Isabellas,
der im Prozess gesteht und nach der umstrittenen Kronzeugen-Regelung
frühzeitig frei kommt. Und schließlich Daniel, der amerikanische Freund
Alinas, der sich in Isabella verliebt, Alina verlässt und als
gutbürgerlicher und überforderter Familien-Vater endet.
Die Casa Rossa ist verkauft, Alina ist am Packen und auf
der Suche nach den letzten Geheimnissen, bevor sie endgültig die Tür
schließt. Dies ist der Rahmen für die spannende Familiengeschichte, die in
den 20er Jahren beginnt, als Lorenzo das Haus als Ruine kauft. Das rote Haus
steht in Apulien ganz im Süden Italiens, wo die Landschaft karg und trocken
ist, die Leute verschlossen und allem Fremden gegenüber misstrauisch sind.
Francesca Marciano versteht es, die jüngere Geschichte
Italiens in den Roman zu verpacken: Die Zeiten der wilden 20er, des Zweiten
Weltkriegs und schließlich der Roten Brigaden, der Entführung und Ermordung
Aldo Moros leben wieder auf. An manches erinnert sich der Leser wohl noch,
manches wird ihm in Erinnerung gerufen oder deutlich gemacht.
Obwohl die Geschichte kompliziert und vielschichtig ist,
verliert der Leser nie den Faden und bleibt dran. Manchmal wird es zwar etwas
melodramatisch, etwas zu üppig. Aber immer wieder schwelgt man in
wunderschönen Beschreibungen von Landschaften, Leuten und Begebenheiten. Wie
leicht kann man sich die Cinecitta Roma vorstellen, wenn man liest: „..es
ist, als bestünde die Menge der Flaneure auf der Via Veneto aus Eiskrem:
bunt, weich, schaumig." Und im Gegensatz dazu die düstere Beschreibung
von Müttern und Schwestern der Terroristinnen im Zug, auf dem Weg zu ihren
Lieben, die sie einmal im Monat im Gefängnis besuchen dürfen. Marciano
schafft es, das Land Italien zu schildern im letzten Jahrhundert,
wirklichkeitsnah, oft hautnah, zwischen Tradition und Moderne, Leichtigkeit
und Ernsthaftigkeit, Liebe und Gewalt. (Sonja Kolb)
(Karl Blessing Verlag, ISBN 3-89667-098-0, 444 Seiten, 23,90 Euro)
von
Mott der Hund
Die Vorherrschaft der Livealben in den 1970ern war eine
Antwort auf die Nachfrage der Hörer nach einer gründlicheren Erforschung
der Hits, welche von den albenorientierten Radiosendern geschaffen wurden.
Die Hardrock-Ikonen von UFO nutzten diesen Trend mit ihrem „Strangers In
The Night" von 1979 erfolgreich aus. Das Doppelalbum umfasste
zahlreiche Hits und Lieblingssongs der Fans und verdeutlichte das gewaltige
Improvisationstalent des Rockensembles von Michael Schenker. UFO vertieft
sich mit den im Verlauf zweier Konzerte in den USA aufgenommenen Titeln in
klassischen Stücken, die eine ganze Karriere umfassen, darunter die
wesentlichen Titel „Rock Bottom" und „Doctor Doctor". Obwohl
es zu Schenkers Schwanengesang mit der Band werden sollte, umfasste das
Album eine ehrgeizige Welttour und zementierte UFOs Status als eine der
aufregendsten – und lautesten – Bands der Zeit.
„Strangers In The Night" (1978) war die Krönung
für UFO. Es war der Höhepunkt einer großen Rock & Roll Band, die
viele Jahre lang ihre Pflicht getan hatte und schließlich die verdiente
Achtung der Kritiker und des Publikums erhielt. Und beinahe wäre es nie
passiert! Betrachten Sie das unwahrscheinliche Szenario, welches sich bei
der Gründung der Gruppe abspielte.
1973. Eine hungrige, junge englische Klubband (deren Name
von einem legendären Londoner Klub stammte und nicht von einem
außerirdischen Transportmittel) mit winziger Anhängerschaft fährt wegen
eines Fehlers in ihren Reisebuchungen ohne ihren Gitarristen ins Ausland. Um
ihren wichtigen Spieler zu ersetzen, sprechen sie einen 16 Jahre alten
Gitarristen von einer deutschen Gruppe an, die auf einem ihrer früheren
Auftritte als Vorgruppe gewirkt hatte. Nach einem kurzen Ritt durch ein paar
Rock-Klassiker geht der junge Michael Schenker mit ihnen auf die Bühne. UFO
erfüllt ihre Vertragsbedingungen und erhält das Geld für ihre Auftritte.
Kurz darauf bittet die Band das Gitarren-Wunderkind, mit ihnen nach England
zu gehen und seinen Bruder in Deutschland zurückzulassen. Sein Bruder,
Rudolf, sollte später die Scorpions zu Rocklegenden machen und Michael
sollte einige der besten Gitarrenklänge aller Zeiten in einer Band
hervorzaubern, mit der er nur eine gemeinsame Sprache hatte – den Rock
& Roll.
UFO produzierte eine großartige Serie von Gitarrensongs,
herausragenden Auftritten, netten Späßen, mehreren Alben, Touren, viel
Bier, unglaublichen Spannungen und Streitigkeiten ohne Ende.
Es kommt selten vor, dass unverfälschte Liveaufnahmen
die Studioversionen klassischer Songs übertreffen, doch mit „Strangers In
The Night" erreichte UFO genau das. „Doctor Doctor", „Rock
Bottom", „Lights Out", „Only You Can Rock Me", „Too Hot
To Handle" und viele mehr wurden wie mit einer Rakete in völlig neue
Höhen geschossen.
Die klassische UFO-Besetzung Ende der 1970er bestand aus
dem Lead-Sänger Phil Mogg, Paul Raymond an der Gitarre und den Keyboards,
Pete Way am Bass, Andy Parker am Schlagzeug und Schenker an der Lead-Gitarre.
Mogg, Way und Parker waren vom Anfang der Gruppe als „Hocus Pocus"
1969 mit dabei. In ihrer neuen Bezeichnung UFO erzielte die Band mit der
ursprünglichen Besetzung überraschend große frühe Erfolge in Deutschland
und Japan.
UFOs Angriff auf die USA und Großbritannien begann mit
ihrem Vertrag mit Chrysalis und der Veröffentlichung ihres ersten Albums
für das Label, „Phenomenon" (1974). „Force It" (1975) und „No
Heavy Petting" (1976) folgten kurz darauf und halfen, eine ständig
wachsende Fangemeinde zu schaffen. Als Raymond im Juli 1976 der Gruppe
beitrat, waren alle beisammen, um in der klassischen Besetzung von UFO ihre
künstlerischsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Alben aufzunehmen: „Lights
Out" (1977) und „Obsession" (1978). Beide Alben werden als für
ihr Genre bahnbrechend betrachtet. Auf der darauf folgenden Tour (für „Obsession")
trat UFO in den USA als Vorgruppe für „Blue Oyster Cult" auf. Auf
dieser Tour gab es einige unvergessliche Ereignisse, die für dieses
Livealbum aufgezeichnet wurden.
Phil Mogg formulierte es am besten, als er über die
Entstehung von „Strangers" sprach: „Es war einfach. Einige Bands
doktern so lange an ihren Livealben herum, bis sie tot sind. Ich bin so
stolz, dass ich sagen kann, dass unser Livealbum praktisch perfekt war. Wir
brauchten nicht noch endlos im Studio daran herumzubasteln." (Dafür
sorgte schon Michael Schenker durch seinen Bruch mit UFO im November 1978.
Er wurde später durch Paul Chapman ersetzt.)
Die Titel dieser neu gemischten und modernisierten
Version von „Strangers In The Night" wurden umgestellt, um die
ursprüngliche Reihenfolge der Band wieder herzustellen und gleichzeitig
bisher nicht veröffentlichte Versionen von „Hot ‘N’ Ready" und
„Cherry" in ihre ursprünglichen Konzertpositionen zu setzen. Achten
Sie auf den besonderen Humor und die Würze, die so eng zu den UFO-Konzerten
dieser Zeit gehörten. Diese Aufnahme wird zurecht als eines der
begeisterndsten Livealben der Hardrock-Ära angesehen und fängt genau die
Essenz von UFO auf dem Höhepunkt ihres Schaffens ein.
Inhalt:
1. Hot ‘N’ Ready
2. Cherry
3. Let It Roll
4. Love To Love
5. Natural Thing
6. Out In The Street
7. Only You Can Rock Me
8. Mother Mary
9. This Kids
10. Doctor Doctor
11. I’m A Loser
12. Lights Out
13. Rock Bottom
14 Too Hot To Handle
15. Shoot Shoot
Verantwortliche der Wiederherausgabe:
Executive Producer: Michel Etchart
Produziert & zusammengestellt von: David K. Tedds
Projektmanager: Dennis Argenzia
Kunst-Design: Lisa Glines, Sam Gay
Neu gemischt von: Bob Norberg bei Capitol Mastering
Musiker:
Andy Parker - Schlagzeug
Michael Schenker - Gitarre
Paul Raymond - Keyboard, Gitarre und Gesang
Phil Mogg - Gesang
Pete Way – Bass-Gitarre