Bücherwurm: Die Geschworene
Katharina Zara
Frankfurt/Main (AP) Der Fall ist
brisant: Ein Mann wird von einem Geschworenengericht wegen Mordes zu
lebenslänglich verurteilt. Und der gleiche Richter, der das Urteil gefällt
hat, entscheidet später über die Wiederaufnahme des Verfahrens und lehnt es
ab. Einer Geschworenen, die Zweifel an der Entscheidung äußert, wird gesagt,
sie müsse lernen, mit einem Fehlurteil zu leben. Was der Laie nicht glauben
mag, wird in diesem Buch aufgedeckt: Manchmal wird in Rechtsstaaten geurteilt
wie in Bananenrepubliken.
Es ist das Verdienst von Katharina Zara, einer
Rechtsanwältin, die unter Pseudonym schreibt, dass solche Fälle öffentlich
werden. Ihr neues Buch »Die Geschworene« basiert auf der wahren Geschichte
des angeblichen Mörders Markowic und der Geschworenen Rosy, die ihn zwar
schuldig gesprochen hat, sich dann aber aufmacht, um ihn frei zu bekommen.
Schon kurz nach der Urteilsverkündung kommen Rosy erste
leise Zweifel. Bald ist sie überzeugt: Das Urteil war falsch. Rosy
überzeugt auch den Obmann der Geschworenen, die beiden beginnen eine
beispiellose Odyssee durch die Instanzen. Ihre eigenen Recherchen fördern
immer mehr geradezu hanebüchene Gegenbeweise zu Tage. Beispielsweise wusste
ein Polizist bereits vor der Obduktion, dass das Opfer erschossen worden war.
Der Mann, der die Lebensversicherung kassierte, hatte kein Alibi, und der
ermittelnde Beamte hatte ein Verhältnis mit der Frau des angeblichen Täters.
Doch es kommt erst Bewegung in die Sache, als es schon zu spät ist: Rosy und
Markowic haben den Fall bereits auf ihre Weise gelöst...
Es ist eine der Aufgaben von Schriftstellern, auf solche
Skandale aufmerksam zu machen. Aber es müsste sorgfältiger getan werden:
Dass die Geschichte um Rosy und ihre Familie ziemlich blass bleibt, ist das
eine. Das andere ist, dass die eigentliche Mordgeschichte nie erzählt wird.
Bruchstückhaft sind Informationen über die Tat und die beteiligten Personen
im Buch verstreut. Wer beispielsweise das Opfer war, wie die Hauptzeugin zu
wem stand und vor allem, wer ein Interesse an der ganzen Vertuscherei,
Verdreherei und dem Fehlurteil gehabt haben könnte, wird nicht klar.
Besonders ärgerlich aber ist die Sprache: Sie ist nicht
nur holprig. Es wimmelt geradezu von Schludrigkeiten und Fehlern. Mit dem
Konjunktiv und der indirekten Rede steht die Autorin auf Kriegsfuß und
anstelle von »als« gebraucht sie konsequent das Wort »wie«. Schade, ein
sorgfältigeres Lektorat hätte dies wohl vermeiden können. Aber immerhin -
das Buch deckt einiges auf, und von den gängigen TV-Gerichtsserien hebt es
sich allemal wohltuend ab. (Sonja Kolb)
(Beck’sche Reihe, ISBN 3-406-49403-X, 143 Seiten, 8,90 Euro)
Motts CD Hütte: Von „Nutz“ zu „Rage“ (Teil I)
von
Mott der Hund
***** Wertung: 5 Sterne
Von den Straßen von Liverpool (dem Geburtsort einiger
der besten Bands Englands, vor allem natürlich der Beatles) sammelte der
talentierte Gitarrist und Songschreiber Mick Devonport die besten Musiker
der Stadt auf und gründete eine Liverpooler Supergruppe, mit der er auf den
Spuren seiner berühmten Vorgänger die Welt erobern wollte.
Zuerst rekrutierte der den Superschlagzeuger John Mylett.
John hatte seinen eigenen, ganz besonderen Stil. Er stärkte die Band mit
der Flexibilität jedes Millimeters der Felle seiner riesigen Auswahl an
Trommeln und fügte den Auftritten mit seiner Fußarbeit an den Bässen ein
gewaltiges Donnergrollen bei. Das Mylett-Solo in der Mitte der Vorführung
war immer ein erlebenswerter Genuss. Es gab nicht viele Bassspieler, die
neben diesem Donnergott nicht verblasst wären, doch einer davon war Keith
Mullholand, der seinen Bass spielte, es sei er ein Lead-Gitarrist. Er trug
auf der Bühne immer Doc-Martens und stampfte so wild herum, dass oft die
Holzplanken zerbrachen, während seine Füße zum Rhythmus beitrugen. Der
Chef des Trios war natürlich der lebhafte Mick Devonport, ein Bewunderer
von Jeff Beck, der so lange und so hart geübt hatte, dass er seinem Mentor
mit seinen schreiberischen Fähigkeiten gleich kam. Er war ein extravaganter
Showkünstler mit einem wunderbaren Humor. Doch noch immer musste ein
Sänger gefunden werden. Als sie einmal in ihrer Kneipe saßen, lief auf dem
Fernseher gerade eine Werbung für den Cadbury-Riegel mit einem lärmenden
Sound und einer herrlichen Stimme. „Wenn wir ihn nur finden könnten",
dachten sie. Nach ein paar schnellen Anrufen fanden sie heraus, dass der
Bursche aus Liverpool kam und am darauffolgenden Tag mit seiner eigenen Band
im Cavern auftreten würde. In jener Nacht überzeugten sie Lead-Sänger
David Lloyd, seine Band aufzugeben und als erster Mann dieses neuen Quartets
zu singen, welches passenderweise „Nutz" genannt wurde.
Die Nächte verbrachten sie jetzt im Cavern und am Tage
nahmen sie ihr erstes Album auf. Es wurde 1974 veröffentlicht und erfüllte,
um ehrlich zu sein, nicht gerade die Erwartungen. Außer den Songs „Joke"
und „Round & Round" waren keine Lieder ihrer Bühnenshow darauf
vertreten. Umdenken war gefragt. Also ging es zurück ins Studio und diesmal
brachten sie Klang in ihre Songs. Schon von der ersten Gitarrenpause des
Eröffnungssongs „Nature Intended" auf ihrem 1975er Album „Nutz
Too" wird Ihnen klar, wie Hardrock klingen muss. Es sind sieben harte
Rocks von Mick Devonport, darunter der zuckende „Sinner", ein
Coversong von Pete Pizers „Changes Coming" und drei Balladen von
David Lloyd, mit dem wunderschönen „The Love That You Lost" und John
„Rabbit" Bundrick (später bei Free & The Who) am Klavier. „Nutz
Too" schaffte es in die Außenbezirke der britischen Charts. Doch dann
streuten ein paar schlechte Entscheidungen Sand ins Getriebe. Eine Tour
durch Amerika war ein Desaster, da die Alben wegen Problemen mit den
Druckrechten dort noch gar nicht erschienen waren. Mit dieser Tour verloren
sie ihren Schwung in Großbritannien und bewegten sich gewaltig in die roten
Zahlen. Doch das Schallplattenunternehmen A & M Records half ihnen aus
der Patsche und brachte sie auf die Black-Sabbath-Europatour 1976. Dort
hatte die Band die großartige Gelegenheit bekannt zu werden, obwohl es
insgesamt keine glückliche Tour war, da Black Sabbath in gegnerische
Fraktionen zersplittert war und kurz vor der Implosion stand. Doch wieder
kam Rettung, als Nutz am Nachmittag beim Saturday’s Reading Festival
auftreten konnte, was zu dieser Zeit ein wesentliches Rockereignis des
Jahres war. In diesen 45 Minuten zeigten sie sich auf dem Gipfel ihrer Kraft
und als sie die Bühne verließen, flehten die 95.000 Zuhörer um mehr. Aber
der Vertrag sagte 45 Minuten und nicht mehr, oder sie müssten eine Strafe
bezahlen. Die Chefs von A & M Records waren dort und sagten den Jungs,
sie sollten keine Zugabe geben. Auf wen hören Sie unter diesen Umständen?
Auf die Anzugträger der Plattenunternehmen oder auf die 95.000 schreienden
Fans? Sie liefen wieder auf die Bühne und spielten 2 Zugaben, bevor ihnen
der Strom abgestellt wurde.
A & M Records war wütend. An diesem Moment begannen
die Spannungen zwischen dem Unternehmen und der Band. Die Musiker gingen
wieder ins Studio und nahmen ein neues Album auf. Diesmal kam Kenny Newton
an den Keyboards dazu, um Klang hinzuzugeben. „Hard Nutz" kam 1977
ohne große Werbung heraus und die Band wurde wieder auf die Straße
geschickt. Sie spielten mit dem walisischen Trio „Budgie", die auch
von A & M betreut wurden, doch angesichts des Niedergangs von Budgie und
dem Erscheinen des gefürchteten Punk Rock hatten sie keine Chance. 1978
erfüllte A & M seinen Plattenvertrag mit Nutz durch die Herausgabe von
„Nutz Live Cutz", einem verblüffenden Album voller reiner, harter
Rock ‘n’ Roll Klänge mit einer erstaunlichen zwölfminütigen Version
der Nutz-Hymne „Wall Banger" plus Liedern von allen drei Alben. Doch
ohne Werbung, ohne finanzielle Unterstützung für eine Tour und mit dem
noch 2 Jahre andauernden Vertrag mit A & M wurde das Album, das hätte
groß herauskommen können, zu einem Flop. Die Moral der Geschichte war:
verärgert die Anzugträger nicht. So musste Nutz seinen Vertrag aussitzen,
doch es war noch nicht das Ende.
Musiker:
Mick Devonport – Gitarre
David Lloyd – Gesang
Keith Mullholland – Bass
John Mylett – Schlagzeug
Kenny Newton – Keyboards (Hard Nutz & Live Cutz)
Alben:
Nutz
Nutz Too
Hard Nutz
Nutz Live Cutz
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