Bücherwurm: Endmoränen
Monika Maron
Frankfurt/Main (AP) Vom
Älterwerden und sich dagegen sträuben, vom Gefühl, hässlich und unnütz
zu werden und sich dagegen zu wehren, handelt das neueste Buch von Monika
Maron, »Endmoränen«. Dass Altwerden zweifellos ein schmerzvoller Prozess
ist, aber auch schöne und spannende Momente enthält, wird von Maron schön
und spannend dargestellt. Johanna, die Ich-Erzählerin, gut 50 Jahre alt, ist
dabei, diesen Prozess durchzumachen. In der nordöstlichen
Endmoränen-Landschaft, im 36-Seelen-Dorf Basekow besitzen sie und ihr Mann
ein Haus. Dort verbringt sie einige Monate, vordergründig damit beschäftigt,
eine Biografie über die Gräfin Lichtenau, die Geliebte und Gefährtin von
Friedrich Wilhelm dem Zweiten zu schreiben.
Biografien, Vor- und Nachworte sowie Begleittexte zu
Schallplatten zu verfassen, ist Johannas Beruf, schon zu DDR-Zeiten. Damals
allerdings konnte sie in ihren Texten noch subversive Botschaften verstecken,
beispielsweise den Hinweis auf das Grab der Gräfin, das im DDR-Todesstreifen
liegt. Dies fällt jetzt weg.
Johanna hat es versäumt, eine neue Aufgabe zu suchen. Sie
muss feststellen, dass ihre Arbeit nach der Wende zunehmend ungefragter wird.
Das ist aber nur die eine Ebene der Geschichte. Die zweite: Johanna wird
älter. Sie sträubt sich zwar dagegen, resigniert auch. Sie duscht nicht
mehr, sondern badet unter Schaumbergen, um ihren Körper nicht mehr sehen zu
müssen. Sie merkt, dass auch die anderen Dorfbewohnerinnen und ihre
Freundinnen sich mit demselben Problem herumschlagen: Elli, die Biologin und
Karoline, die etwas verschlissene Elegante, liiert mit dem arroganten Russen
Igor.
Johanna verbringt in Basekow inhaltlose Tage und
schlaflose Nächte. In einer Nacht schreibt sie an Christian, einen Freund
aus DDR-Zeiten. Und siehe da: Er erlebt dasselbe, schmerzvolle Altern. Seine
Frau hat ihn verlassen, mit einem 15 Jahre jüngeren Mann, sein Verlag ist
verkauft worden, unter den Jüngeren wird er gerade mal geduldet.
Er möchte Johanna wiedersehen, aber sie weigert sich.
Obwohl sie beim Lesen seiner Briefe so etwas fühlt wie die berühmten
Schmetterlinge im Bauch, will sie nichts mehr beginnen, was wieder beendet
werden müsste. Und tut es dann doch: Kurz bevor sie nach Berlin zurückkehrt,
besucht sie Igor. Als sie mit ihm schläft, stellt sie verwundert fest: Trotz
Falten im Gesicht ist es, wie es immer war: das Begehren, die Lust, die Hitze,
das Fordern und Drängen. Auch in ihrem alternden Körper ist Johanna Johanna
geblieben. Auf der Rückreise nach Berlin schließlich findet sie im
strömenden Regen eine neue Aufgabe, einen Neuanfang sozusagen - einen zum
Schmunzeln.
Monika Marons Buch ist sorgfältig geschrieben, in einer
schönen, präzisen, stimmigen Sprache ohne Fehl und Tadel. Manchmal ist es
wohl ein bisschen zu nostalgisch, aber nie kitschig, wenn sie die alten
DDR-Zeiten heraufbeschwört. Mit dem Text wird für junge Leser der
schmerzvolle Prozess des Altwerdens nachvollziehbar, ohne ihnen Angst zu
machen. Bei den Älteren löst er viele Déjà-vue-Effekte aus. Tröstlich
schließlich, dass es allen gleich geht, Frauen und Männern. Schön, dass
für alle, die es wollen, viele Möglichkeiten offen bleiben. (Sonja Kolb)
(S. Fischer, ISBN 3-10-048810-5, 252 Seiten, 18,60 Euro)
Motts CD Hütte: Von „Nutz“ zu „Rage“ (Teil II)
von
Mott der Hund
***** Wertung: 5 Sterne
„Nutz Live Cutz" letztes Album mit A & M
Records, dümpelte in den Sonderangebotskästen der Plattenläden und sie
waren noch 2 Jahre durch einen Vertrag gebunden. Keyboarder Kenny Newton
verließ die Band und gründete „Nightwing", welche bis 1984 ihre
eigene Art bombastischen Rocks spielte.
Die verbleibenden Bandmitglieder traten zwei Jahre im
Ship Hotel auf den Jersey-Inseln auf. Dann wendete sich das Blatt. Geoff
Appleby, ein bekannter Plattenproduzent lud die Band zu einem Probeauftritt
auf dem Greyhound in Croydon ein.
Die Band betrat um 20:30 Uhr die Bühne und spielte
wesentlich länger als vorgesehen. Soviele Zugaben wurden gespielt, dass die
Menge zwei Versionen von „Wall Banger", 2 Versionen von „Sinner"
und einen neuen Song mit Namen „Bootliggers" zu hören bekam.
Unter den Zuhörern war der führende Heavy-Metall-D.J.
Großbritanniens, Neal Kay. Er stellte gerade ein neues Album zusammen und
bat Nutz, ihren neuen Titel „Bootligger" darauf aufzunehmen. Das
Album wurde mit dem Titel „The New Wave Of Heavy Metal" ein Riesenhit.
Die neue Firma Carrera Records unterzeichnete einen Vertrag mit den Jungs,
wollte sie berühmt machen und versprach ihnen alles. Sie entwarfen ein
neues Image, die Studiozeit war gebucht und sie hatten viel Zeit ein neues
Album aufzunehmen. Nach den Jahren der Frustration fanden sie den Namen „Rage"
angemessen.
Carrera Records , ein kleines Unternehmen, tat sein
Bestes, um das erste Album „Out Of Control" bekannt zu machen. Von
der Heavy-Metal-Bibel „Kerrang" erhielt es fünf Sterne. „Out Of
Control" ist ein perfektes Hardrock-Partyalbum, alle Songs sind mit
rasender Geschwindigkeit aufgenommen und durch die Scheibe zieht sich ein
ständiger Rhythmus.
Das Gitarrensolo des Eröffnungsstücks zeigt, dass Mick
Devonports Finger nicht eingerostet waren. Die Single vom Album, „She’s
On Fire" wurde die Nummer Eins in den Bandwagon Heavy Metal Charts.
David Lloyds Gesang brachte ihm Beliebtheit. Ein Probeauftritt im
weltberühmten Marquee-Klub in London war vollkommen ausverkauft und eine
zweite Vorstellung war notwendig. Zu den Zuhörern gehörten Mitglieder von
„Iron Maiden", „Def Leppard" und „Judas Priest" und
alle kamen, um die großen Jungs Hardrock Heavy Metal spielen zu hören. „Thank
That Women" von „Out Of Control" war der Höhepunkt des Abends.
Eine Tour führte durch Großbritanniens kleinere Hallen
und es kamen viele Zuhörer. Zur Aufbesserung des Sounds nahmen sie Barry
Myers an der Rhythmusgitarre dazu, während John und Mick vorne protzten.
Rage war ein Knaller! Es ging zurück in die Studios, um
das Album aufzunehmen das vielleicht der Höhepunkt ihrer Karriere war „Nice
‘n’ Dirty". Das Cover war nicht sehr angepasst und die meisten
größeren Plattenläden lehnten es ab. Während man bei Konzerten die
großartigen neuen Songs wie „American Radio Station", „Wasted
Years" und den Eröffnungssong „Silver And Gold" hören konnten,
war es fast unmöglich, das Album zu kaufen. Carrera Records hätte das
Cover ändern sollen, doch sie wollten den Künstlern ihre Freiheit lassen.
Und dann brach wieder einmal die Welt zusammen. Rage
fuhren mit Uriah Heep auf ihrer Conquest-Tour durch Großbritannien. Der
gegenseitig Hass der Mitglieder von Uriah Heep war so groß, dass die Tour
abgebrochen werden musste. Die schrecklichen Kritiken taten das Übrige.
Sounds Magazine schrieb: „Die Agonie & Die Extase" und zeigte ein
Foto des Lead-Gitarristen von Uriah Heep im Todeskrampf und Mick Devonport
unter Einfluss von Ecstasy. Sie schrieben weiter, dass die Rollen der Bands
ausgetauscht und Rage zur Hauptgruppe der Tour werden sollte. Nach der Tour
war Carrera Records in finanziellen Schwierigkeiten und Rage wurde ins
Studio geschickt, um ein neues Album aufzunehmen, diesmal mit einem
verkaufbaren Cover. Trotz der Erfahrungen der vorausgegangenen Monate waren
die Jungs nicht zu Neuem bereit und das Album „Run For The Hills" ist
bestenfalls als Stückwerk zu bezeichnen. Carrera Records war ruiniert und
das war das Ende für „Nutz / Rage".
Momentan ist keines ihrer wunderbaren Musikstücke
verfügbar. Es muss aber einen Markt für diese Musik geben. Mick, David,
Keith, Kenny und Barry, wo ihr auch immer seid, vielen Dank für die
Erinnerungen.
John Mylett hatte zwei Wochen nach dem Ende von „Rage"einen
tödlichen Autounfall in Griechenland.
Alben
„Bootliggers", das 1. Stück von „The New Wave
Of Heavy Metal"
Out Of Control
Nice ‘n’ Dirty
Run For The Hills
2 nicht auf Alben vertretene Singles
„Bootliggers 81"
„So You Want To Be A Rock ‘n’ Roll Star", aufgenommen unter
dem Namen „Spitfire"
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