von
Mott der Hund
***** Wertung: 5 Sterne
Jethro Tull ist ein wunderbarer Name für eine Band. Wenn
man nur den Namen hört, denkt man schon an Ian Anderson, diesen
langhaarigen Flötenspieler in seinem abgenutzten Regenmantel, der auf einem
Bein herumhüpft und seine ständig wechselnde Heerschar zu immer größeren
Herausforderungen führt.
Jethro
Tull begann in Birmingham in England im November 1967 und erzielte mit ihrem
ersten Album „This Was" im Oktober 1968 und der dritten Single „Living
In The Past" im Mai 1969 sofort einen Riesenerfolg. Zu diesem Zeitpunkt
hatten sie schon ihre einfachen Blueswurzeln hinter sich gelassen und sich
zu dem imagetragenden Hilfsmittel entwickelt, das Ian Anderson benötigte.
Daraus entstand die beste Mischung aus Blues, Jazz, ein Verschnitt von
Rhythm & Blues und definitiv progressiven Rock-Elementen. Schmecken Sie
das mit einer gesunden Dosis mittelalterlicher Volksmusik mit Ihrem
üblichen Hardrock, einigen guten Musikern und den gerade passenden
Instrumenten ab, und schon haben Sie Musik, mit der Sie mehrfacher
Millionär werden. Dieses Album, „Songs From The Wood", war das
zweite von fünf Alben, die von dieser Aufstellung von Jethro Tull
aufgenommen wurden, welche fast fünf Jahre beisammen blieb (was bei Tull
eine Ewigkeit ist). Allerdings dürfen Sie den Zugang von David Palmer an
den Keyboards (der aber schon seit der ersten Scheibe als Bearbeiter mit an
Bord gewesen war) und den tragischen Tod von John Glassock, der durch Dave
Pegg (vorher bei Fairport Convention) am Bass ersetzt wurde, nicht zählen.
Dave Pegg ist immer noch ein Mitglied von Jethro Tull und teilt sich seine
Zeit zwischen Tull und den Fairports. „Songs From The Wood" kam nach
dem Hardrock-Album „Too Old To Rock ‘n’ Roll To Young To Die"
heraus. Es war Ian Andersons Reaktion auf das Aufkommen des Punk Rock.
Jethro Tull beugte sich nie der herrschenden Mode und
achtete immer auf ihre Wurzeln (auch als die Charts voller Alben wie „Damned",
„Adam and the Ants" usw. waren) und veröffentlichte ihr bis dahin am
stärksten an der Volksmusik orientiertes Album. Die launenhafte Presse
stürzte sich natürlich darauf und machte die Band wegen ihrer absolut
altmodischen Art nieder. Besonders Ian Anderson wurde wegen seines Aussehens
und seiner Fähigkeiten als Songschreiber zu einem Objekt des Spotts.
Die Kunden in den Plattenläden hörten nicht sonderlich
darauf und das Album schoss in den amerikanischen und den britischen Charts
auf den achten bzw. dreizehnten Platz. Die Musik aller neun Stücke ist
einfach sensationell. „Hunting Girl", „Songs From The Wood"
mit seinem großartigen Mittelstück und „The Whistler" sind
vielleicht drei der besten Folkrock-Songs, die je produziert wurden.
„Ring out Solstice Bells" erinnert wie kaum ein
anderes Stück an Weihnachten, mit rhytmischem Händeklatschen. Im
vorletzten Song „Pibrack (copin hand)" kann der langjährige
Gitarrist von Tull, Martin Barre, mit der Elektrogitarre ins Rampenlicht
treten und gemeinsam mit Anderson ein wunderbares Duett spielen. Im Folkrock
entspricht dies etwa dem Spiel von Blackmore gegen Jon Lord bei der alten
Besetzung von Deep Purple. Es ist ein Ohrenschmaus.
Insgesamt ist „Songs From The Wood" ein
meisterhaftes Album, voller Überraschungen, und wenn Sie diese Sammlung
mögen, sollten Sie sich auch Tulls folgende Scheibe „Heavy Horses"
anhören: genauso gut ….. und doch anders.
Musiker:
Ian Anderson - Gesang, Flöte, Akkustikgitarre, Mandoline
& Pfeifen
Martin Barre - Elektrogitarre & Laute
John Evans - Piano, Orgel & Synthesiser
Barriemore Barlow - Schlagzeug, Marimba, Glockenspiel
& Tamburin
John Glascock - Bassgitarre & Gesang
David Palmer - Piano, Synthesiser, & Orgel
Inhalt:
Songs From The Wood
Jack-In-The-Green
Cup Of Wonder
Hunting Girl
Ring Out, Solstice Bells
Velvet Green
The Whistler
Pibroch (Cap In Hand)
Fire At Midnight