von
Mott der Hund
*** Wertung: 3 Sterne
Eigentlich komisch, aber dieses Album war ein schwacher
Punkt in der Karriere von Ian Hunter. Er hatte gerade die Tour zu seinem
erfolgreichen Album „Ian Hunter" (Ians erste Soloscheibe) durch
Europa und Amerika abgeschlossen und seine Hitsingle „Once Bitten Twice
Shy" hatte die Spitze der Charts erreicht. Ian Hunters Kumpel der
vergangenen achtzehn Monate, Mick Ronson, hatte sich entschlossen, seine
Gitarre zu packen und sich der „Rolling Thunder"-Tour von Bob Dylan
anzuschließen. Ian löste deshalb seine Band auf und fuhr mit Sack und Pack
nach Amerika, wo er noch immer lebt. Das ganze zweite Album beschäftigt
sich thematisch mit Hunters Umzug. Es wurde im Verlauf von drei Wochen
aufgenommen und alle Stücke wurden von Hunter selbst geschrieben,
arrangiert und produziert. Die meisten Texte sind ungewöhnlich in der
dritten Person geschrieben und es sieht so aus, als ob er sich nach seinem
Umzug in die Staaten von Bob Dylan, Randy Newman und vielleicht auch dem
anderen englischen Exilanten John Lennon inspirieren ließ. Offensichtlich
hatte sich Hunter auch von der Mythologie Amerikas und der Begeisterung, die
er dort vorfand, verführen lassen, und das Album mit neuer Kreativität und
Reife ausgestattet. Ganz bestimmt bewegte er sich mit dem Thema dieser
klarsichtigen aber manchmal beunruhigenden Aufnahmen auf wackligem Boden.
Hunter behandelte so unterschiedliche Themen wie Großbritannien, Amerika,
junge Liebe, die Mafia, Vergewaltiger, Korruption, Rock ‘n’ Roll und
Gott. Thematisch ist es das reifste und stärkste Album in der Hunter
Sammlung und jedes einzelne Stück verdient besondere Aufmerksamkeit.
Es gibt 5 Sterne für den Inhalt, doch das Album stolpert
darüber, dass Hunter eine Schar von glitzernden Musikern um sich geschart
hatte, die niemals die Gelegenheit hatten, sich zu einer Band zu entwickeln
oder wie eine zu klingen. Das war das Problem: alle Musiker zeigen
geschliffene Leistung - und so klingt es eben sehr glatt, aber etwas
klinisch und steril. Die meisten Alben von Ian Hunter klingen, als würde
die Band für einen Live Auftritt proben: Anfang, Mittelstück und Abschluss,
doch dieses ist eine gute Zusammenstellung von Songs. Sogar das einzige
Rockstück, „Restless Youth", klingt, als ob alle Angst hätten,
endlich einmal loszulassen, um niemanden zu beleidigen.
Trotzdem enthält das Album einige klassische Songs von
Hunter. Das Eröffnungsstück, „Letter To Brittania From The Union
Jack", ein angenehmes Lied, das besser in die Mitte des Albums gepasst
hätte, ist an Ians Heimatland gerichtet. „Irene Wilde" ist ein Song
an ein Mädchen aus Hunters Jugend, eine zarte, zerbrechliche Ballade voll
unerfüllter Liebe, die noch heute bei seinen Live Auftritten gehört werden
kann. Die Traumfrau der Jugendtage verstößt ihn in dieser
autobiografischen Geschichte wegen einer „ausgebliebenen Affäre". Er
wendet sich deshalb von seiner Heimatstadt Shrewsbry ab und einer
ehrgeizigen Karriere voller Ruhm zu.
Hunters frühere Band „Mott the Hoople" hatte
gemeinsam mit „Queen" zwei Touren durch die USA und Großbritannien
absolviert und steuerte beim hymnenartigen „You Nearly Did Me In"
einige Vokalpartien bei.
Ian Hunters „All American Alien Boy" kam im Juni
1976 heraus, da Hunter mit dem Album nicht auf Tour ging. Und da die
Plattenfirma C.B.S kaum Werbung machte (es gab keine besondere Single),
verlor sich das Album mehr oder weniger spurlos im Wind, obwohl es noch
immer Hunters eigenes Lieblingsalbum unter seinen Solowerken ist.
Musiker:
Chris Stainton – Klavier, Orgel, Mellotron & Bass
bei „Restless Youth"
Jaco Pastorius – Bass & Gitarre bei „God (Take
1)"
Aynsley Dunbar – Schlagzeug
Gerry Weems – Lead-Gitarre
David Sanborn – Alt-Saxophone
Dominic Cortese – Akkordion
Cornell Dupree – Gitarre bei „Letter To Brittania
From The Union Jack"
Don Alias – Congas
Arnie Lawrence – Klarinette
Dave Bargeron – Posaune
Lewis Soloff – Trompete
Ian Hunter – Rythmusgitarre, Klaver bei „All American
Alien Boy" und Gesang
Inhalt:
Letter To Brittania From The Union Jack
All American Alien Boy
Irene Wilde
Restless Youth
Rape
You Nearly Did Me In
Apathy
God (Take 1)