Rechtspraxis in Thailand

Premprecha Dibbayawan, Rechtsanwalt (MCI, Miami Universität) Verwaltungsratspräsident der swissSiam Gruppe

Menschenrechte in Thailand

Am 10. Dezember feierte die Welt den Menschenrechtstag (Human Rights Day) und am gleichen Tage zelebrierte Thailand den Verfassungstag (Constitution Day).

Das ist eine besondere Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass die Thailändische Verfassung mit keinem anderen Land vergleichbar ist, da sie die Menschenrechte unter allen Umständen garantiert. Die Verfassungsurkunde enthält mindestens 67 Artikel, die individuelle und kollektive Rechte schützen, und ist in dieser Beziehung eine der umfangreichsten der Welt.

Zusätzlich bevollmächtigt die Charta die Einrichtungen von unabhängigen Institutionen wie das Verfassungsgericht, das Ombudsman-Office, das Administrative Gericht, die Nationale Gegenkorruptions-Kommission und andere Institutionen zu Vorbeugungsmassnahmen gegen Menschenrechtsverletzungen. Die wichtigste Institution zur Überwachung und Einhaltung der Menschenrechte ist die Nationale Menschenrechts Kommission (National Human Rights Commission – NHRC)

Die Verfassung ist seit 1997 in Kraft, die NHRC hat jedoch ihre Arbeit erst im Juli dieses Jahres aufgenommen. Die Arbeitsaufnahme hätte viel früher erfolgen können, wenn nicht zu viel Zeit und Energie in die Auswahl der 11 Kommissionsmitglieder investiert worden wäre.

Fairerweise muss erwähnt werden, dass die nun gewählten Mitglieder über umfassende Fach- und Sachkenntnisse verfügen und alle Schichten des Volkes repräsentieren.

In den vergangenen 18 Monaten hat sich die NHRC hauptsächlich mit organisatorischen Aufgaben befasst, ihre Funktion definiert und die Festlegung von Prioritäten und Aktionsprogrammen erstellt.

Bis heute ist außer einem Aktionsplan über den Zeitraum von 5 Jahren (2002 bis 2006) nichts wirklich greifbares präsentiert worden. Der Aktionsplan enthält unter anderem die Absichts-erklärung, dass die Kommission eine konstruktive Rolle zum Schutze der Menschenwürde, Menschenrechte und der Freiheit des thailändischen Volkes übernehmen soll. Durch die Umsetzung der gesteckten Ziele soll eine Menschenrechtskultur im Volk etabliert werden, die dazu führt, dass die vorgenannten Rechte verstanden, geschützt und eingehalten werden.

Professor Saneh Chamarik, Präsident der NHRC, vertritt die Meinung, dass die Menschenrechte das direkte Resultat von Volksbestrebungen und -Bemühungen sind, ohne Rücksicht auf deren Herkunft, Kultur und Tradition. Diese Meinung wird als richtungsweisendes Prinzip für die 11-köpfige Kommission dienen.

Anfangs nächsten Jahres will die NHRC ihren ersten Jahresrapport über die Menschenrechts-Situation in Thailand herausgeben. Dieser Rapport soll auf Menschenrechtsverletzungen hinweisen aber auch die zukünftige Marschrichtung der Kommission aufzeigen. Was die NHRC schlussendlich als Inhalt für diesen Rapport zur Veröffentlichung freigibt oder aber weglässt, wird das künftige Barometer darstellen, wie die Kommission die Menschenrechte aus ihrer Sicht, unter Berücksichtung des Thai Kontextes, behandelt. Auf jeden Fall wird es ein historischer Rapport sein.

Thailand hat nun mit diesem Rapport erstmals die Möglichkeit eine Selbsteinschätzung der Lage in Bezug auf die Menschenrechte im eigenen Lande abzugeben, ungefärbt von westlicher Beeinflussung, basierend auf Thaiwerten und Bewertungen. In der Vergangenheit war man in Thailand gewöhnt, das Ausland für die Nichtberücksichtigung asiatischer Standards in der Bewertung der Menschenrechtssituationen und einer entsprechenden Rapportierung verantwortlich zu machen.

Dieser Rapport wird in der Folge an verschiedenen respektierten ausländischen Rapporten gemessen werden, die jährlich vom Amerikanischen State Department, Amnesty International und Human Rights Watch herausgegeben werden. Seit 1979 erstellt das State Department jährlich einen Einschätzungsbericht über die Menschenrechte in mehr als 30 asiatischen Ländern, die meisten dieser Länder sind Empfänger von finanzieller Unterstützungshilfe von den Vereinigten Staaten von Amerika.

In der Vorbereitung des Rapportes wird die Menschenrechtsituation in den Nachbarländern ebenfalls überprüft werden, wo immer diese die Interessen von Thailand beeinflussen können. In dieser Beziehung wird die Notlage von deplazierten Personen, Minderheiten und Wanderarbeitern von Burma einer genauen Prüfung durch die Kommission nicht entgehen.

Erwartungen sind sehr hoch gesteckt, dass die NHCR in vorderster Front stehend, mit einer provokativen Annäherung das Volk wachsam hält, wo immer die Regierung versucht die Verfassung und das Gesetz in einer Form zu interpretieren, dass die Basisrechte des Thaibürgers, zum Vorteil von jenen an der Macht stehend, verletzt werden. Unter Berücksichtigung, dass die meisten Mitglieder der NHCR Sozialhelfer, vormalige Aktivisten und Mitglieder von lokalen Nichtregierungsorganisationen sind, würde ein Fehlschlag der Kommission in ihren Bemühungen einer großen Schande gleichkommen.

Es gilt festzuhalten, dass die NHCR keine rechtlichen Befugnisse hat irgend jemand zu bestrafen. Es ist jedoch ihre wichtigste Verantwortung, sicherzustellen, dass die Behörden in verschiedenen einschlägigen Bereichen ihre Aufgaben pflichtgemäß ausführen. Um ihren Auftrag erfüllen zu können, braucht die Kommission dazu die nötigen finanziellen Mittel und ausgebildetes Personal. In der kurzen Zeit wo nun die NHCR im Amt ist hat sich bereits herausgestellt, dass wenn irgend etwas geschehen sollte, die Kommission finanziell ungenügend ausgestattet sein wird und ebenfalls behindert werden wird durch bürokratische Machenschaften.

Von den 285 Menschenrechtsverstößen, die in diesem Jahr vom Volk gemeldet wurden, hatten die meisten derselben mit Verstößen von Regierungsangestellten zu tun. In der Tat, vom Staat sanktionierte Verstöße gegen die Gesetze, war die Politik über drei Dekaden des Demokratisierungsprozesses der Thai Gesellschaft, meistens begangen von Polizisten, Soldaten und Bürokraten. Auch im Zeitalter von HIV müssen Menschenrechtsnormen für die Opfer dieser Krankheit ihre Anwendung finden, weil Armut, sozialer Ausschluss und Diskriminierung zu einer weiteren Ausbreitung der Krankheit beiträgt.

Eine klare Stellungsnahme der NHCR gepaart mit der vollen Kenntnis eines Thaibürgers über seine Rechte ist gefordert, um wirkungsvoll dem bisherigen Muster von Gesetzesübertretungen ein Ende zu setzen. Darum ist es von großer Dringlichkeit, eine Menschenrechtskultur im Volk durch eine entsprechende Ausbildung und Praxis ins Leben zu rufen. Dazu wird es Zeit brauchen. Ironischerweise sind Klagen von Gesetzesverstößen hauptsächlich aus den Kreisen eingegangen, die über Mittel und Macht verfügen und nicht von „sprachlosen" und „machtlosen" Bürgern aus den ärmsten Gebieten des Landes oder von benachteiligten Gruppen.

Die Kommission hat über 79 Gesetzes- und Ergänzungsanträge bearbeitet, welche die Menschenrechte beeinflussen. Es geht nun darum erhört zu werden und das Volk zu informieren.

Zum jetzigen Zeitpunkt, wo die Machtausübenden sich bei fast allen unabhängigen Organisationen eingemischt haben, inbegriffen die Fixierung von Wahlen von neuen Mitglie-dern, ist es ermutigend zu wissen, dass die NHRC eine ungefärbte und unabhängige Institution geblieben ist.

Wie auch immer, Regierung und Politiker würden gerne eine „gutmütige" und „zahnlose" NHCR sehen. Es bleibt abzuwarten, ob die Kommission in der Lage sein wird für sich selbst zu agieren, wenn es zu einer Machtprobe kommt. Sollte dies der Fall sein, kann sich die Kommission in ihren Anliegen auf die Menschenrechtskriterien abstützen um die Regierungsaktivitäten und Missbrauch von Macht abzuschätzen beziehungsweise zu taxieren.

Die Erwartungshaltung im Volke ist groß, dass die NHCR alles unternimmt, was in ihrem Macht- und Befugnisbereicht liegt, um die Menschenrechte und die zivile Gesellschaft uneingeschränkt zu fördern und zu schützen. Ihr Erfolg ist unmittelbar mit der Wahrnehmung ihrer Aktivitäten durch das Volk verbunden. Wenn das Volk der Kommission misstrauen sollte, war die Nominierung der NHCR eine Verschwendung von Steuergeldern.