Gestatten, mein Name ist:

Siegfried Borchert

Siegfried Borchert kam vor sechs Jahren ganz zufällig nach Pattaya. Er war gerade pensioniert worden und wollte zunächst etwas Abstand von seiner gewohnten Umgebung gewinnen, um sich auf den neuen Lebensabschnitt vorzubereiten. Ein Freund wohnte mit seiner thailändischen Frau in Pattaya und so entschloss sich Siegfried, ihn für einige Wochen zu besuchen. Er blieb aber gleich ein halbes Jahr hier und hat diesen Rhythmus seither beibehalten: im Winter in Thailand, im Sommer in Deutschland.

Denn trotz all der schönen Dinge in Pattaya möchte Siegfried seine Heimatstadt Hamburg nicht missen. Er wurde in Hamburg geboren und hat die meiste Zeit seines Lebens dort verbracht. Zunächst sah es gar nicht danach aus, denn infolge der Wirren des 2. Weltkriegs wurde die Familie ausgebombt und musste Hamburg fluchtartig verlassen. Siegfried konnte deshalb auch die höhere Schule nicht beenden. Er absolvierte eine Ausbildung zum Bäcker und ging, als sich die Lage wieder etwas normalisiert hatte, auf die Abendschule, um das Abitur nachzuholen.

Und dann studierte er Mathematik an der Hamburger Universität. Nach seinem Studium begann er, als Mathe-Lehrer zu arbeiten und hat diesen Beruf dann 35 Jahre lang, bis zu seiner Pensionierung 1996, an ein und derselben Schule in Hamburg ausgeübt. „Die ersten Jahre waren hart", sagt er, doch das geht wahrscheinlich allen Lehrern anfangs so mit ihren frechen Schülern. Im Laufe von 35 Jahren sammelte sich jedoch so viel Erfahrung an, dass die Arbeit immer leichter wurde und immer mehr Freude machte. Während der letzten Schuljahre war Siegfried auch der Leiter der Oberstufe seiner Schule.

Siegfried führte ein ganz normales Lehrerleben. „Die Arbeitszeit der Lehrer ist sehr ungleich verteilt. Manchmal gibt es sehr viel Arbeit und dafür haben wir auch viele Ferien." Und diese nutzte er, um durch die halbe Welt zu fahren. Nach Thailand war er allerdings dabei nicht gekommen.

Nach seiner Pensionierung stand Siegfried dann plötzlich vor einem schwarzen Loch. „Ich hatte einfach Angst vor dem Nichts nach den Sommerferien", erinnert er sich. Nach einem so langen, gleichmäßigen und geregelten Arbeitsleben war es für ihn sehr schwer, die alten Gewohnheiten abzulegen. Deshalb entschloss er sich, erst einmal ganz weit weg zu fahren. Und als er dann in Pattaya ankam, erschien es ihm gar nicht so fremdartig und ungewohnt, so dass sich Siegfried immer mehr mit dem Gedanken anfreundete, doch mehr Zeit hier zu verbringen. „Die vielen internationalen Schulen, Krankenhäuser und Restaurants hier in der Stadt vermitteln Sicherheit und sogar Geborgenheit", sagt er.

Und dann fand er auch noch eine Möglichkeit, sich den Übergang aus dem beruflichen ins faule Rentnerleben zu erleichtern. Ein Jahr lang lehrte er an der Asian University of Science and Technologie vor den Toren Pattayas. Seine Studenten waren alle Thais und er unterrichtete die ersten beiden Jahrgänge, die diese Universität besuchten. Der Unterricht verlief natürlich in Englisch, denn so gut war sein Thai nicht, dass er Mathematik vermitteln konnte. „Ich hatte in den Mathe-Leistungskursen oft englischsprachige Literatur verwendet und mir dadurch die englischen Fachbegriffe angeeignet. Ich hätte damals nicht gedacht, dass ich sie einmal aktiv nutzen würde", meint Siegfried heute. „Doch wenn man mit der Materie vertraut ist, ist es auch auf Englisch recht einfach, einen guten Unterricht zu geben", sagt er. Nach einem Jahr als Universitätsdozent wollte sich Siegfried jedoch etwas zurückziehen und nur noch halbtags arbeiten. Dies war allerdings nicht möglich, so dass er sich von der Universität trennte. Seither ist er nur noch Pensionär und genießt das Leben in Pattaya. In den Jahren, die er hier verbracht hat, hat er auch genug Thai gelernt, um sich gut verständigen zu können, denn es ist „ein Zeichen der Höflichkeit gegenüber dem Land, in dem man lebt", dass man dessen Sprache spricht, betont er.

Er lebt jetzt in Jomtien, direkt am Meer und „außerhalb des Trubels", wie er sagt. Siegfried Borchert hat ein schönes Hobby, die Ornithologie. Das hat wahrscheinlich ein wenig auf ihn abgefärbt, denn immer, wenn in Deutschland der Frühling naht, fliegt er, wie die Singvögel, wieder nach Hamburg zurück. „Ich wohne ein halbes Jahr hier und ein halbes Jahr dort. Ich hänge noch sehr an Hamburg und möchte die Brücken nicht abbrechen", erklärt er und denkt dabei an die Blütenpracht und die Luft im nordischen Frühling, die er hier zu sehr vermissen würd