Nick Linheim ist vor drei Jahren aus Kalifornien nach
Pattaya gekommen, weil es ihm dort zu kalt geworden war. Nick hat fast sein
gesamtes Leben in den USA verbracht und doch hat er seine Muttersprache
Deutsch nicht vergessen, denn immerhin war er erst sieben Jahre alt, als er
1938 aus seiner Heimat, die ihm und seiner Familie damals feindlich gesinnt
war, nach Amerika umzog.
Die Familie ließ sich in Minneapolis am Mississippi
nieder, wo schon eine von Nicks Tanten mit einem Amerikaner verheiratet war.
Der Schwager konnte Nicks Vater gleich einen Job vermitteln und im Kreise
der Gleichgesinnten ging der Neuanfang recht gut vonstatten. Nach seinem
Schulabschluss studierte Nick Volkswirtschaftslehre und arbeitete drei Jahre
lang als Dozent an der Universität. Anschließend war er in verschiedenen
internationalen Unternehmen tätig, bis er zum General Manager eines
Nahrungsmittelunternehmens aufstieg. Die Firma bot „Essen auf Rädern"
an, vorproportionierte Mittagessen für Schulen und Unternehmen. Im
Gegensatz zu den vielen Familienbetrieben in diesem Bereich handelte es sich
bei seinem Unternehmen jedoch um einen richtigen Industriebetrieb mit vielen
Tausenden Esspaketen pro Tag.
Die meiste Zeit seines Berufslebens verbrachte Nick in
Kalifornien. Damals lebte er mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen in San
Clemente, zwischen Los Angeles und San Diego.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen begann Nick,
als Reiseführer für deutsche Touristen in Kalifornien zu arbeiten. „Vier
Jahre lang bin ich mit den Deutschen die Küste auf und ab gereist",
sagt er, „dann hatte ich von Kalifornien genug gesehen". Vor allem
klagt er über das Wetter an der Sonnenküste des Sonnenstaates: „Es ist
dort direkt am Meer überhaupt nicht so warm, wie viele denken. Es herrscht
sehr viel Nebel und die Temperaturen sind nicht gerade übermäßig
warm."
Nick war schon einige Male als Pauschalurlauber nach
Pattaya gekommen und entschloss sich schließlich im Jahr 1999, für
längere Zeit hier zu bleiben. Aber auch hier konnte er sich nicht so recht
mit einem möglichen Rentnerdasein anfreunden.
Die ersten zwei Jahre in Pattaya unterrichtete er auf der
zweisprachigen Wittichot Schule Englisch, Mathematik und Naturwissenschaften.
Hier wurde ihm der Unterschied zwischen den USA und Thailand sehr deutlich
bewusst. „Ich war sehr erstaunt über die Unterrichtsmethoden hier",
sagt er. „Die Kinder werden nicht zum Denken angehalten, sie lernen alles
stur auswendig und müssen sich tief vor dem Lehrer verbeugen." Bei
Nick ging natürlich alles lockerer zu als bei den anderen Lehrern, denn der
„merkwürdige" Amerikaner erlaubte es nicht nur, dass ihn seine
Schüler bei Fehlern korrigierten, sondern lobte sie sogar dafür.
Pro Woche gab er 26 Stunden Unterricht, was ihn sehr
beanspruchte und selbst nachdem er seine Stundenzahl reduzieren konnte, war
es noch immer viel zu anstrengend. „Man steht als Lehrer dauernd auf der
Bühne, es ist eine ständige Anspannung", sagt er. Deshalb entschloss
er sich, seine Arbeit aufzugeben.
„Aber nicht für lange, denn irgendetwas musste ich tun",
erzählt er. Also stellte er sich der Redemptorist-Behindertenschule als
Lehrer zur Verfügung. Er erhält dort kein Gehalt und unterrichtet drei
Tage pro Woche Englisch für die körperlich behinderten jungen Menschen im
Alter von 17 bis 34 Jahren. „Sie sind alle so freundlich und haben ein
sehr gutes Benehmen", freut sich Nick und erklärt, dass er mit den
Kindern und der Schule ein sehr gutes Verhältnis hat.
Von Thailand ist Nick sehr angetan, ganz besonders von
der medizinischen Betreuung: „Das Bumrungrad Krankenhaus in Bangkok ist
eine ausgezeichnete Einrichtung. Die Ärzte verfügen über die beste
medizinische Ausbildung und man kann sich ihnen voll und ganz
anvertrauen", sagt er. Neben dem angenehmen Klima fasziniert Nick auch
die gelassene Lebensweise hier in Pattaya. Er hat sich im obersten Stockwerk
des Markland-Hotels ein 2-Zimmer-Apartment gekauft. „Ich habe die
Trennwände herausgerissen und die Möbel rausgeschmissen, es standen nur
noch die Wände, und dann habe ich mir meine Wohnung neu eingerichtet",
sagt er. Und wenn er aus seinem Fenster über die Bucht und die Stadt
blickt, freut er sich immer wieder über seine Entscheidung, hierher zu
kommen, da diese Wohnlage in Amerika „unmöglich" wäre.
Traurig ist Nick allerdings manchmal über die sorglose
Art der Menschen hier und über die Tatsache, dass er als „Farang"
wohl immer eine Art „Mensch zweiter Klasse" bleiben wird.
Oft fährt er zu kulturellen Veranstaltungen nach Bangkok, insbesondere
ins Goethe-Institut, von dessen Qualität er sehr begeistert ist. Noch hat
er keine Pläne, was er in der kommenden Zeit noch machen möchte. „Wahrscheinlich
bleibe ich hier, doch sehen wir einmal, was der morgige Tag bringt."