Premprecha Dibbayawan, Rechtsanwalt (MCI, Miami Universität) Verwaltungsratspräsident der swissSiam Gruppe

Lizenz zum Töten?

Seit Anfang Februar werden wir täglich geschockt mit Berichten in Tageszeitungen und am Fernsehen über die „Hinrichtung" von Menschen, die mutmaßlich und in welcher Form auch immer im Drogengeschäft beteiligt waren.

Menschenrechts-Aktivisten und Oppositionspartei sind beunruhigt

Menschenrechts-Aktivisten haben nun die thailändische Regierung aufgefordert diese erschreckende Zunahme von Tötungsdelikten, ausgelöst durch die lancierte Säuberungskampagne gegen Drogen, zu untersuchen. Es soll ermittelt werden, ob die Hingerichteten im Auftrag der Drogenmafia, wie die Polizei rapportiert, ermordet und zum Stillschweigen gebracht wurden, um sich so selbst vor dem Zugriff der Polizei zu schützen, oder ob es sich bei den Getöteten um Opfer einer sogenannten Extra-Justiztötung (extra juridical killing) durch einen oder mehrere Polizeibeamten handelte und ob auch Unschuldige irrtümlich ihr Leben lassen mussten. Zum Verständnis der Leser, „extra juridical killing" ist ein internationaler Rechtsbegriff, der eine Tat umschreibt, bei der ein Polizeibeamter in Aktion eines Kampfes mit Feuerwaffen einen oder mehrere mutmaßliche Kriminelle in Selbstverteidigung und/oder Notwehr erschießt. In einem solchen Falle schreibt das Gesetz vor, dass der/die betroffene(n) Polizeibeamte(n) einer Untersuchung über Tathergang und Erschießung unterzogen werden.

Die Oppositionspartei ist ebenfalls beunruhigt über die oben erwähnte Entwicklung und hat der Regierung, in der Parlamentssitzung Mitte Februar, ihre Befürchtung kund getan, dass die angewandte und rücksichtslose Vorgangsweise zur Bekämpfung der Drogenmafia und der Drogenabhängigen vom Volk als Eingeständnis gewertet werden könnte, die Polizei damit geradezu herauszufordern, Leute zu erschießen, die verdächtigt werden, in irgend einer Art und Weise als Hersteller, Händler oder Abhängige im Drogengeschäft tätig oder verwickelt zu sein. Menschenrechtler und Oppositionspartei befürchten gemeinsam, dass die Aktion zur Bekämpfung des Drogenhandels und -Missbrauchs außer Kontrolle der Regierung geraten ist und fordern diese auf, alles zu unternehmen, dass die entsprechenden Gesetze von der Polizei eingehalten und durchgesetzt werden und es zu keinen Verstößen gegen die Menschenrechte kommt.

Was das Gesetz verlangt

Für die Ermittlung in Extra-Justiztötungen schreibt das Gesetz folgendes vor:

1. Die Polizei muss beweisen, dass der Waffeneinsatz erfolgte um einen verdächtigten Kriminellen zu verhaften, der Verdächtigte sich der Verhaftung mit Waffengewalt widersetzte, als erster das Feuer gegen die Polizei eröffnete und die Polizei das Feuer in Notwehr erwiderte und der Kriminelle dabei getötet wurde.

2. Die Polizei muss die Erschießung sofort der lokalen Polizei melden und darf den Tatort nicht verändern.

3. Der diensthabende Polizeioffizier des lokalen Polizeipostens muss sich sofort zum Tatort begeben, einen Rapport mit Skizze des Tatortes erstellen, die Todesursache festhalten, die Tatwaffe beschlagnahmen und den Polizisten, der den Todesschuss abgefeuert hat, in Untersuchungshaft nehmen.

4. Das einzige Privileg, das dem inhaftierten Polizisten eingeräumt wird, ist die befristete Freiheit um den Vorfall seinem direkten Vorgesetzten zu rapportieren. Diese Vorgangsweise ist legal, da davon ausgegangen wird, dass das Tötungsdelikt in Notwehr und in Ausübung einer Polizeiaktion geschah.

5. Experten des wissenschaftlichen Ermittlungsdienstes der Kriminalpolizei, des Gerichtsmedizinischen Institutes, ein Arzt, ein Vertreter des Staatsanwaltes oder eine administrative Amtsperson haben unverzüglich ihre Ermittlungen am Tatort aufzunehmen.

6. Die wissenschaftliche Gerichtsabteilung ist in allen Fällen eines Extra-Justiztodes verpflichtet am Tatort zu ermitteln, Beweise zu beschaffen, Fingerabdrücke von allen Beteiligten einzuholen, eine Autopsie des Erschossenen auszuführen, und bei der Kriminalfahndung nachzuforschen, ob über die Beteiligten Akten vorliegen. Das Gesetz schreibt vor, dass alle Abklärungen unmittelbar nach der Tat erfolgen müssen, um sicherzustellen, dass keine Beweise vernichtet oder verfälscht werden. Im weiteren hat das Gerichtsbüro zu Handen des Staatsanwaltes alle Aussagen, Erkenntnisse und die Resultate der Autopsie einzureichen.

7. Der Staatsanwalt hat eine Akte zu erstellen und beim Gericht zur Beurteilung zu präsentieren, ob er den Fall einstellen oder weiter bearbeiten muss und eine Anklageschrift zu verfassen ist.

8. Während der Zeit, wenn die Gerichtsakte beim Staatsanwalt liegt, ist der betroffene Polizeibeamte von jeglichem Dienst suspendiert, erhält keine Lohnzahlung, hat im laufenden Jahr kein Anrecht auf eine Lohnerhöhung und kann für Beförderungen nicht berücksichtigt werden.

9. Wenn die Ermittlungen zum Schluss kommen, dass der Polizeibeamte in Notwehr getötet hat, erklärt der Staatsanwalt die Erschießung als anerkannte Extra-Justiztötung und der Fall ist somit abgeschlossen. Der betroffene Beamte nimmt seinen Polizeidienst wieder auf und erhält seinen einbehaltenen Lohn während der Suspendierung ausbezahlt. Er hat jedoch kein Anrecht auf Beförderung während des laufenden Jahres. Die Hinterbliebenen des Getöteten haben jedoch die Möglichkeit beim Kriminalgericht gegen den betroffenen Polizeibeamten eine Mordanklage und beim Zivilgericht eine Klage für eine Entschädigung, einzureichen.

10. Wenn entsprechendes Beweismaterial eingebracht werden kann, welches die Argumentation der Notwehr und/oder Selbstverteidigungstheorie widerlegt, qualifiziert der Staatsanwalt das Vergehen als „absichtlichen Mord". In einem solchen Falle wird der betroffene Polizeibeamte vom Polizeidienst mit sofortiger Wirkung freigestellt. Er hat sich vor dem Kriminalgericht mit einem eigenen Anwalt auf eigene Kosten selbst zu verteidigen. Die Zeit bis zu einem Gerichtsurteil dauert mindestens ein Jahr. Wird die Anklage des absichtlichen Mordes bestätigt, wird die Tat mit der Todesstrafe geahndet.

Konklusion

Gemäß den Aussagen eines Polizeigenerals gibt es keinen Polizeibeamten, der gerne in eine Extra-Justiztötung verwickelt wird. Er riskiert dabei sein eigenes Leben, seine Zukunft und beeinträchtigt dabei auch das Leben seiner Familie.

Obwohl es keine zuverlässigen Angaben gibt, gehen Insider davon aus, dass in Thailand bis anhin 300 Fälle von Extra-Justiztötungen pro Jahr begangen wurden.