Menschenrechts-Aktivisten haben nun die thailändische
Regierung aufgefordert diese erschreckende Zunahme von Tötungsdelikten,
ausgelöst durch die lancierte Säuberungskampagne gegen Drogen, zu
untersuchen. Es soll ermittelt werden, ob die Hingerichteten im Auftrag
der Drogenmafia, wie die Polizei rapportiert, ermordet und zum
Stillschweigen gebracht wurden, um sich so selbst vor dem Zugriff der
Polizei zu schützen, oder ob es sich bei den Getöteten um Opfer einer
sogenannten Extra-Justiztötung (extra juridical killing) durch einen oder
mehrere Polizeibeamten handelte und ob auch Unschuldige irrtümlich ihr
Leben lassen mussten. Zum Verständnis der Leser, „extra juridical
killing" ist ein internationaler Rechtsbegriff, der eine Tat
umschreibt, bei der ein Polizeibeamter in Aktion eines Kampfes mit
Feuerwaffen einen oder mehrere mutmaßliche Kriminelle in
Selbstverteidigung und/oder Notwehr erschießt. In einem solchen Falle
schreibt das Gesetz vor, dass der/die betroffene(n) Polizeibeamte(n) einer
Untersuchung über Tathergang und Erschießung unterzogen werden.
Die Oppositionspartei ist ebenfalls beunruhigt über
die oben erwähnte Entwicklung und hat der Regierung, in der
Parlamentssitzung Mitte Februar, ihre Befürchtung kund getan, dass die
angewandte und rücksichtslose Vorgangsweise zur Bekämpfung der
Drogenmafia und der Drogenabhängigen vom Volk als Eingeständnis gewertet
werden könnte, die Polizei damit geradezu herauszufordern, Leute zu
erschießen, die verdächtigt werden, in irgend einer Art und Weise als
Hersteller, Händler oder Abhängige im Drogengeschäft tätig oder
verwickelt zu sein. Menschenrechtler und Oppositionspartei befürchten
gemeinsam, dass die Aktion zur Bekämpfung des Drogenhandels und
-Missbrauchs außer Kontrolle der Regierung geraten ist und fordern diese
auf, alles zu unternehmen, dass die entsprechenden Gesetze von der Polizei
eingehalten und durchgesetzt werden und es zu keinen Verstößen gegen die
Menschenrechte kommt.
Für die Ermittlung in Extra-Justiztötungen schreibt
das Gesetz folgendes vor:
1. Die Polizei muss beweisen, dass der Waffeneinsatz
erfolgte um einen verdächtigten Kriminellen zu verhaften, der
Verdächtigte sich der Verhaftung mit Waffengewalt widersetzte, als erster
das Feuer gegen die Polizei eröffnete und die Polizei das Feuer in
Notwehr erwiderte und der Kriminelle dabei getötet wurde.
2. Die Polizei muss die Erschießung sofort der lokalen
Polizei melden und darf den Tatort nicht verändern.
3. Der diensthabende Polizeioffizier des lokalen
Polizeipostens muss sich sofort zum Tatort begeben, einen Rapport mit
Skizze des Tatortes erstellen, die Todesursache festhalten, die Tatwaffe
beschlagnahmen und den Polizisten, der den Todesschuss abgefeuert hat, in
Untersuchungshaft nehmen.
4. Das einzige Privileg, das dem inhaftierten
Polizisten eingeräumt wird, ist die befristete Freiheit um den Vorfall
seinem direkten Vorgesetzten zu rapportieren. Diese Vorgangsweise ist
legal, da davon ausgegangen wird, dass das Tötungsdelikt in Notwehr und
in Ausübung einer Polizeiaktion geschah.
5. Experten des wissenschaftlichen Ermittlungsdienstes
der Kriminalpolizei, des Gerichtsmedizinischen Institutes, ein Arzt, ein
Vertreter des Staatsanwaltes oder eine administrative Amtsperson haben
unverzüglich ihre Ermittlungen am Tatort aufzunehmen.
6. Die wissenschaftliche Gerichtsabteilung ist in allen
Fällen eines Extra-Justiztodes verpflichtet am Tatort zu ermitteln,
Beweise zu beschaffen, Fingerabdrücke von allen Beteiligten einzuholen,
eine Autopsie des Erschossenen auszuführen, und bei der Kriminalfahndung
nachzuforschen, ob über die Beteiligten Akten vorliegen. Das Gesetz
schreibt vor, dass alle Abklärungen unmittelbar nach der Tat erfolgen
müssen, um sicherzustellen, dass keine Beweise vernichtet oder
verfälscht werden. Im weiteren hat das Gerichtsbüro zu Handen des
Staatsanwaltes alle Aussagen, Erkenntnisse und die Resultate der Autopsie
einzureichen.
7. Der Staatsanwalt hat eine Akte zu erstellen und beim
Gericht zur Beurteilung zu präsentieren, ob er den Fall einstellen oder
weiter bearbeiten muss und eine Anklageschrift zu verfassen ist.
8. Während der Zeit, wenn die Gerichtsakte beim
Staatsanwalt liegt, ist der betroffene Polizeibeamte von jeglichem Dienst
suspendiert, erhält keine Lohnzahlung, hat im laufenden Jahr kein Anrecht
auf eine Lohnerhöhung und kann für Beförderungen nicht berücksichtigt
werden.
9. Wenn die Ermittlungen zum Schluss kommen, dass der
Polizeibeamte in Notwehr getötet hat, erklärt der Staatsanwalt die
Erschießung als anerkannte Extra-Justiztötung und der Fall ist somit
abgeschlossen. Der betroffene Beamte nimmt seinen Polizeidienst wieder auf
und erhält seinen einbehaltenen Lohn während der Suspendierung
ausbezahlt. Er hat jedoch kein Anrecht auf Beförderung während des
laufenden Jahres. Die Hinterbliebenen des Getöteten haben jedoch die
Möglichkeit beim Kriminalgericht gegen den betroffenen Polizeibeamten
eine Mordanklage und beim Zivilgericht eine Klage für eine
Entschädigung, einzureichen.
10. Wenn entsprechendes Beweismaterial eingebracht
werden kann, welches die Argumentation der Notwehr und/oder
Selbstverteidigungstheorie widerlegt, qualifiziert der Staatsanwalt das
Vergehen als „absichtlichen Mord". In einem solchen Falle wird der
betroffene Polizeibeamte vom Polizeidienst mit sofortiger Wirkung
freigestellt. Er hat sich vor dem Kriminalgericht mit einem eigenen Anwalt
auf eigene Kosten selbst zu verteidigen. Die Zeit bis zu einem
Gerichtsurteil dauert mindestens ein Jahr. Wird die Anklage des
absichtlichen Mordes bestätigt, wird die Tat mit der Todesstrafe
geahndet.