Der Krieg, den niemand wollte

Peter Nordhues

Was viele befürchteten und manche sogar mit großer Sicherheit wussten, ist eingetreten. Der zweite Golfkrieg hat begonnen! Wenige Stunden nach Ablauf des amerikanischen Ultimatums an den Irak fielen die ersten Bomben und die Invasion begann. Grausame Bilder des Krieges werden nun rund um die Uhr vom Fernsehen übertragen, die Öffentlichkeit ist umfassend über den Verlauf des Krieges informiert. Die Meinung über die Rechtmäßigkeit oder Rechtfertigung dieses Krieges ist zwangsläufig geteilt. Erst wenn der Krieg beendet ist, wird man sich ein abschließendes Urteil bilden können. Wer wollte eigentlich diesen Krieg? Es ist meiner Meinung zu einfach hier die Schuld auf die amerikanische oder britische Regierung zu schieben. Ein Krieg dieser Größenordnung wird nicht am grünen Tisch ausgerufen und schon gar nicht im Alleingang eines Präsidenten veranstaltet. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Blocks war die Hoffnung auf eine friedlichere Welt groß. Der 11. September veränderte alles und zeigte, dass die wirtschaftlichen und politischen Machtzentren der USA verwundbar sind. Man kann der amerikanischen Regierung nun nicht übel nehmen, dass sie daraus Schlussfolgerungen zog. So kam der irakische Diktator ins Visier, der seinen Teil zur Verwirklichung der UN-Resolution, die den ersten Golfkrieg 1991 beendete, nicht beigetragen hatte.

Die USA suchten Unterstützung des Sicherheitsrates und fanden sie auch, selbst von Mitgliedern, von denen man dies nie vermutet hätte wie zum Beispiel Syrien. Doch dann liefen die Dinge aus dem Ruder und arteten in eine Progagandaschlacht aus. Plötzlich verlief die Diskussion in eine Richtung, die mit der ursprünglichen Resolution nicht mehr viel zu tun hatte. Denn wer will schon einen Krieg? Der Mann auf der Straße gewiss nicht, denn er möchte seinem Leben ungestört nachgehen. So entstand eine Protestbewegung quer über den Erdball, die sich vornehmlich gegen die USA richtete. Allerdings kommen Entscheidungen über Krieg oder Frieden nicht durch Volksbefragungen zustande, das ist in keiner Verfassung vorgesehen.

Gefragt sind in solchen Zeiten die Diplomaten. Ich stimme mit dem irakischen UN-Botschafter in diesem Punkt überein, wenn er meint, die UN-Diplomatie hat versagt. Leider nahmen verschiedene Mitglieder des Sicherheitsrates Positionen ein, die sie nicht mehr verlassen konnten. Die USA hatten von Anfang an klar gemacht, dass sie zur Gewaltanwendung bereit seien, wenn eine friedliche Entwaffnung des irakischen Regimes nicht gelingen sollte. Der deutsche Bundeskanzler hatte die Irak-Krise zum Wahlkampf-Thema gemacht. Die französische Regierung wollte keiner wie immer auch formulierten zweiten UN-Resolution zustimmen. Beim Ausbruch des Krieges erklärte sie aber, dass sie den Koalitionstruppen zu Hilfe eilen wolle, falls der Irak chemische oder biologische Waffen einsetzt. Kurvenreiche Diplomatie! Der russische Außenminister meinte noch ein paar Stunden vor Ablauf des Ultimatums, dass Platz für diplomatische Lösungen sei. Er hatte wohl den Kontakt mit der Wirklichkeit verloren.

Die Stationierung von nun etwa 300.000 Koalitionstruppen bedarf eines gewissen zeitlichen Vorlaufs. Es war abzusehen, wann dies abgeschlossen sein würde. Ein solcher militärischer Apparat entwickelt letztendlich eine Eigendynamik und die Welt wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Diese Zeit wurde von der Diplomatie nicht genutzt und die Anstrengungen um eine friedliche Lösung waren nur halbherzig. Hier kann sich niemand von Schuld freisprechen.