Was viele befürchteten und manche sogar mit großer
Sicherheit wussten, ist eingetreten. Der zweite Golfkrieg hat begonnen!
Wenige Stunden nach Ablauf des amerikanischen Ultimatums an den Irak fielen
die ersten Bomben und die Invasion begann. Grausame Bilder des Krieges
werden nun rund um die Uhr vom Fernsehen übertragen, die Öffentlichkeit
ist umfassend über den Verlauf des Krieges informiert. Die Meinung über
die Rechtmäßigkeit oder Rechtfertigung dieses Krieges ist zwangsläufig
geteilt. Erst wenn der Krieg beendet ist, wird man sich ein abschließendes
Urteil bilden können. Wer wollte eigentlich diesen Krieg? Es ist meiner
Meinung zu einfach hier die Schuld auf die amerikanische oder britische
Regierung zu schieben. Ein Krieg dieser Größenordnung wird nicht am
grünen Tisch ausgerufen und schon gar nicht im Alleingang eines
Präsidenten veranstaltet. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Blocks
war die Hoffnung auf eine friedlichere Welt groß. Der 11. September
veränderte alles und zeigte, dass die wirtschaftlichen und politischen
Machtzentren der USA verwundbar sind. Man kann der amerikanischen Regierung
nun nicht übel nehmen, dass sie daraus Schlussfolgerungen zog. So kam der
irakische Diktator ins Visier, der seinen Teil zur Verwirklichung der
UN-Resolution, die den ersten Golfkrieg 1991 beendete, nicht beigetragen
hatte.
Die USA suchten Unterstützung des Sicherheitsrates und
fanden sie auch, selbst von Mitgliedern, von denen man dies nie vermutet
hätte wie zum Beispiel Syrien. Doch dann liefen die Dinge aus dem Ruder und
arteten in eine Progagandaschlacht aus. Plötzlich verlief die Diskussion in
eine Richtung, die mit der ursprünglichen Resolution nicht mehr viel zu tun
hatte. Denn wer will schon einen Krieg? Der Mann auf der Straße gewiss
nicht, denn er möchte seinem Leben ungestört nachgehen. So entstand eine
Protestbewegung quer über den Erdball, die sich vornehmlich gegen die USA
richtete. Allerdings kommen Entscheidungen über Krieg oder Frieden nicht
durch Volksbefragungen zustande, das ist in keiner Verfassung vorgesehen.
Gefragt sind in solchen Zeiten die Diplomaten. Ich stimme
mit dem irakischen UN-Botschafter in diesem Punkt überein, wenn er meint,
die UN-Diplomatie hat versagt. Leider nahmen verschiedene Mitglieder des
Sicherheitsrates Positionen ein, die sie nicht mehr verlassen konnten. Die
USA hatten von Anfang an klar gemacht, dass sie zur Gewaltanwendung bereit
seien, wenn eine friedliche Entwaffnung des irakischen Regimes nicht
gelingen sollte. Der deutsche Bundeskanzler hatte die Irak-Krise zum
Wahlkampf-Thema gemacht. Die französische Regierung wollte keiner wie immer
auch formulierten zweiten UN-Resolution zustimmen. Beim Ausbruch des Krieges
erklärte sie aber, dass sie den Koalitionstruppen zu Hilfe eilen wolle,
falls der Irak chemische oder biologische Waffen einsetzt. Kurvenreiche
Diplomatie! Der russische Außenminister meinte noch ein paar Stunden vor
Ablauf des Ultimatums, dass Platz für diplomatische Lösungen sei. Er hatte
wohl den Kontakt mit der Wirklichkeit verloren.
Die Stationierung von nun etwa 300.000 Koalitionstruppen
bedarf eines gewissen zeitlichen Vorlaufs. Es war abzusehen, wann dies
abgeschlossen sein würde. Ein solcher militärischer Apparat entwickelt
letztendlich eine Eigendynamik und die Welt wurde vor vollendete Tatsachen
gestellt. Diese Zeit wurde von der Diplomatie nicht genutzt und die
Anstrengungen um eine friedliche Lösung waren nur halbherzig. Hier kann
sich niemand von Schuld freisprechen.