Wir, die wir schon lange in Thailand leben, wissen, dass
es mit der Wahrheit hier ein wenig anders bestellt ist als zum Beispiel in
Deutschland. In Deutschland werden wir von unseren Eltern erzogen, immer und
unter allen Umständen die Wahrheit zu sprechen, da Lügen ja eine Sünde
sei. In Thailand werden die Kinder zwar zur Wahrheit angehalten, aber sie
werden auch gleichzeitig instruiert, dass, wenn man immer die Wahrheit sagt,
man sich selbst oder anderen schaden könnte, ja, manche Menschen durch die
reine Wahrheit sich sogar verletzt fühlen könnten. Darum ist Schweigen
für sie auch in diesem Falle Gold. Also verschweigen die Thais immer und
gerne so einiges – und das kann man wirklich nicht als Lügen bezeichnen.
Aber in einem Falle wie SARS, der neuesten Seuche,
könnte sich das „goldene" Verschweigen sehr schnell zum Bumerang
entwickeln und sogar absolut tödliche Folgen haben.
Momentan kann man sagen, dass durch diese „Killergrippe",
wie sie auch manchmal bezeichnet wird, die Ökonomie des Landes mehr
geschädigt wurde, als durch den Irak-Krieg. Der Krieg ist zumindest auf ein
Land beschränkt, diese Krankheit aber, die ohne sich um Grenzen zu kümmern,
sich im wahrsten Sinne des Wortes ausbreiten kann wie der Wind, hat Angst
und Schrecken in der ganzen Welt verbreitet, denn eigentlich ist niemand
gefeit gegen eine Ansteckung. Zumindest bis jetzt noch nicht. Mehr als 1.600
Menschen wurden bereits weltweit infiziert und an die 60 starben daran.
Andere asiatische Länder haben bereits einige Fehler
gemacht, indem sie versuchten, die Gefahren von SARS herunterzuspielen oder
der Weltgesundheitsorganisation wichtige Fakten und Zahlen nicht mitzuteilen.
China, zum Beispiel, das Land, aus dem diese Seuche voraussichtlich stammt,
hat sich bis jetzt geweigert, die Todesrate in genauen Zahlen anzugeben. In
Hongkong verbreitet sich die Krankheit in rasendem Ausmaß, während
Singapur sie anscheinend in den Griff bekommen hat.
Nun ist Thailand an der Reihe. Die Regierung und die
zuständigen Gesundheitsbehörden treffen alle erforderlichen Maßnahmen,
heißt es. Man brauche sich noch keine Gedanken machen, denn noch habe man
alles im Griff. Man brauche aber auch in der Öffentlichkeit noch keine
Masken zu tragen. Ist man so überzeugt von dem, was man sagt, oder würde
es dem Image des Landes schaden? Das Gesundheitsministerium rief die
Menschen auf, nicht nach China, Taiwan, Singapur, Hongkong und Kanada zu
fliegen. Die Menschen, die von dort oder über diese Länder kommen, werden
auch beim Empfang am Flughafen auf ihre Gesundheit überprüft. Leute aus
gefährdeten Gebieten müssten außerdem eine Maske während ihres
Aufenthaltes hier im Königreich tragen, ansonsten drohen Strafen. Das ist
ja alles schön und gut, wer aber bitte überprüft das?
Genügen diese Sicherheitsmaßnahmen eigentlich? Könnte
es nicht sein, dass jemand gerade erst kurz vor Abflug angesteckt wurde und
die Zeichen seiner Krankheit am Flughafen noch nicht festgestellt werden
können, da die Inkubationszeit zwischen sieben und vierzehn Tagen liegt.
Man sollte die Augen vor diesen Tatsachen nicht verschließen, auch wenn man
die Touristen braucht, um der Ökonomie des Landes nicht zu schaden. Aber,
so frage ich mich, würde sich Thailand nicht noch mehr schaden, wenn durch
dieses Verschweigen oder Augen verschließen, Krankheiten ausbrechen würden?