Roshan
Dunjubhoy lebt als Rentnerin in Chiang Mai. Roshan ist eine quirlige
aufgeweckte Dame, die immer in den vordersten Reihen der ökologischen
Frauenbewegung stand. Eine Frau die mit einem deutschen Pass reist, sich
aber selbst mit einem Augenzwinkern als Ur-Ur-Ur-Urenkelin von Lord McCawley,
dem Eroberer von Indien, bezeichnet.
Roshan wurde in Kalkutta geboren, im Alter von 1 Woche
beschlossen ihre Eltern zurück nach Ranchi zu ziehen, da ihr Vater dort ein
Psychiatrische Klinik aufgebaut hatte. Beim Ausstellen der Geburtsurkunde
dort unterlief dem Aussteller ein Fehler: der Name des Vaters stand in der
Spalte für die Hebamme, Vater war demzufolge „unbekannt" und der
Geburtsort war die „Klinik für Psychiatrie in Ranchi".
Roshan wurde von katholischen Nonnen unterrichtet und sie
sagt: „Sie zeigten mir die Liebe zur Literatur und weckten meine
feministische Ader. Mit 6 Jahren wollte ich Schauspielerin werden."
Talent war vorhanden und sie erhielt ein Stipendium, aber
ihr indischer Vater sagte „Nein". Also ging sie nach New York um
Journalismus zu studieren.
Dort allerdings nahm sie an einem Vorsprechen teil und
schrieb sich an der Schauspielschule ein. Daraufhin sperrte ihr Vater die
monatlichen Schecks und überließ sie ohne eine Rupie ihrem Schicksal.
Sie jobbte nebenbei um weiterhin ihr Schauspielstudium
machen zu können. In jenen Tagen begann ihre Aktivistenzeit, wo Hexenjagd
betrieben und linksgerichtete Parteien als Sicherheitsrisiko eingestuft
wurden. Die Bürokratie siegte und nach 3 Jahren musste Roshan Amerika
verlassen.
Frankreich war ihr nächstes Ziel, da es liberaler war.
Paris war eine Stadt, wo eine junge Frau mit stark ausgeprägten politischen
Ansichten wachsen und gleichzeitig ihre Lebenskonzepte in Hinsicht auf
Zukunft und Gesellschaft reifen lassen konnte.
Sie lernte viel über Filme und Fernsehen machen, in
Regie und Produktion in den 8 Jahren in Frankreich. Ihre Arbeiten wurden vom
Deutschen Fernsehen entdeckt und man beauftragte sie eine
Fernsehdokumentation in Ägypten zu drehen. Ihre politische Einstellung war
damals ein Plus, denn ein deutsches TV-Team hätte die Einreise- und
Drehbewilligungen normalerweise nicht bekommen. Später filmte sie sogar in
China und Nord Korea.
27 Jahre blieb sie dem Deutschen Fernsehen verbunden (u.a.
trat sie in Werner Höfers Sonntagsfrühschoppen auf) und während dieser
Zeit drehte sie in über 40 Ländern dieser Erde. Im exotischen Jamaika und
Venezuela, aber auch auf Kriegsschauplätzen in Angola und Vietnam.
Mit der Privatisierung des deutschen Fernsehens wurde der
Standard des Fernsehens schlechter. Die Produktionen von ernsthaften TV
Dokumentationen wurden durch hohle Serien ersetzt. Dokumentationen in die
Sparte „kurz vor Mitternacht" verbannt.
Es war Zeit sich nach etwas neuem umzusehen und Roshan
fand eine Nische innerhalb der deutschen Grünen. Diese politische
Vereinigung förderte die „Heinrich Böll Stiftung", welche wiederum
in viele sozialpolitische Projekte involviert war. Roshan, selbst grün
angehaucht und mit dem festen Glauben in soziologisch stützende Philosophie,
fand hier den geeigneten Platz sich selbst weiter zu entwickeln und
gleichzeitig etwas für weniger bemittelte Menschen zu tun.
Die Heinrich Böll Stiftung ermöglichte ihr das erste
Auslandsbüro zu eröffnen, ein Frauenprojekt in Pakistan. Sie war daran
beteiligt die pakistanische Regierung unter Druck zu setzen, die alten
Gesetze der Frauenunterdrückung zu ändern und gleichzeitig die weibliche
Bevölkerung zu lehren, politisch aktiver zu sein und ihre Rolle in der
Gesellschaft wahrzunehmen. „Unsere Arbeit dort war einzigartig", sagt
sie voll Stolz. „Von Pakistan aus wurde die Bewegung ausgedehnt und vor 4
Jahren ein Büro in Chiang Mai eröffnet."
Obwohl sie heute in Rente ist, arbeitet sie weiter, sie
sieht dieses System als ihre Berufung an. „Heute stecken wir mitten in
einer ökologischen Krise. Ich bin eine ökologisch sensitive Feministin –
wobei Frauen sowieso wesentlich sensitiver sind als Männer."
Sie beschäftigt sich momentan mit einem Projekt über
die Frage, warum Frauen in allen Hauptreligionen, selbst dem Buddhismus,
immer im Hintergrund standen. Auf die Frage, ob sie sich mehr als Inderin
sieht oder als Weltbürgerin, antwortet sie: „Meine Wurzeln sind indisch,
aber meine Ausbildung ist britisch." Sie schließt mit dem Hinweis auf
Lord Mc Cawley, der die Anglisierung der Inder forderte.
Roshan Dhunjibhoy wird nie aufhören das Leben und die
Gesellschaft neu zu entdecken.