E-mail aus München

Von Nicola Hahn

„Geiz ist geil", „Ich bin doch nicht blöd" (zuviel zu bezahlen), „...wo die kleinen Preise wohnen" – die deutschen Discounter geben sich in ihrer Werbung seit einiger Zeit selbstbewusst aggressiv. Und das mit Erfolg: Jüngsten Umfragen zufolge fanden es die Deutschen noch nie so akzeptabel wie heute, bei Billigketten einzukaufen. Selbst die Fastfood-Kette mit dem schottischen „Mc" im Label springt auf den Sparzug auf und wirft uns nun zwei Apfeltaschen zum Preis von einer in den Rachen.

Zu spüren bekommt die Sparwelle der Einzelhandel, vier Prozent weniger setzte er diesen März im Vergleich zum Vorjahr um. Bei gleichzeitig steigenden Mieten in den Citylagen bedeutet dieser Trend das Aus für viele Traditionsgeschäfte. In München z.B. machte letzten Monat das Bekleidungshaus Wöhrl in der Sendlinger Straße dicht, gerade läuft der Räumungsverkauf der Edelboutique „annas" an. Nur zwei von vielen Beispielen, in deren Ladenräumen dann entweder lange Öde oder große Ketten einziehen, die sich die horrenden Mietpreise noch leisten können. Und so werden Sie beim nächsten Besuch in der Heimat feststellen: ob Hamburg, München, Berlin, Köln oder... – das Angebot ist inzwischen überall das Gleiche.

Notleidend sind inzwischen sogar die Kirchen. Weil selbst die katholische Kirche nicht mehr nur auf Gott vertrauen will, um sich zu sanieren, holten sie die Unternehmensberater von McKinsey ins heilige Haus. Die konfrontierten die Oberhirten letzte Woche mit ein paar sehr unbequemen Wahrheiten: Nach einer Erhebung vertrauen nur noch magere 11 Prozent der Institution Kirche, satte 45 Prozent haben gar kein Vertrauen mehr in die Amtskirche, die protestantischen Lutheraner kommen auf ebenfalls nicht üppige 17 Prozent Vertrauen. Dass die politischen Parteien noch schlechter abschnitten, dürfte den Priestern kein Trost sein – ebensowenig die große Sympathie der Bevölkerung für die „gelben Engel" vom ADAC (klarer Spitzenreiter der McKinsey-Umfrage). Denn, so ein weiteres Ergebnis: die Deutschen sind beileibe keine Atheisten geworden, sie haben bloß keinen Draht mehr zur Institution Kirche. Und verweigern deshalb per Austritt die Kirchensteuer.

Gottlose Gesellen seien in der Mainacht auch in Berlin am Werke gewesen, heißt es. Wie jedes Jahr ging über Kreuzberg der brennende Krawall nieder. Nur ist inzwischen eines anders: Die Randalierer verbrämen ihre Wut nicht mehr mit politischen Attributen, sie wollen nur noch durch Gewalt auffallen. Und so standen diesmal die Bewohner auf, gingen ebenfalls auf die Straße, um mit Straßenfesten das Schlimmste zu verhindern. Leider war der Einsatz nicht überall von Erfolg gekrönt. Und so mussten die Friedfertigen auch noch mit ansehen, wie die Polizei auf „Deeskalationskurs" den marodierenden Minderheiten ebenfalls lange tatenlos bei ihrem brandschatzenden Werk zusah.

Sicherer dagegen darf man sich seit Neuestem in vielen U-Bahnhöfen fühlen – Mozart, Bach und Beethoven sei Dank. Seit die Bahnsteige mit blechern-scheppernden Klängen der alten Meister beschallt werden, steige die Zufriedenheit der Kunden wieder. So freuen sich die Verkehrsbetriebe. Klar, bei der „Ode an die Freude" verfliegt gleich jeder Unmut über den verspäteten Zug. Und: lästige Dauergäste im warmen Untergrund vertreibt die hohe Kunst angeblich gleich mit.

Übrigens: Wenn Sie in den nächsten Tagen mal wieder zur Deutschen Welle zappen, können Sie Ihr Glas heben. Der deutsche Auslandssender feiert dieser Tage seinen 50. Geburtstag.