Rechtspraxis in Thailand

Premprecha Dibbayawan, Rechtsanwalt (MCI, Miami Universität) Verwaltungsratspräsident der swissSiam Gruppe

Mitspracherecht für die Öffentlichkeit

Soziale Konflikte, vor allem solche die Umwelt betreffend, kosten unserem Land wertvolle Zeit und Geldmittel, die besser für sinnvollere Bestrebungen aufgewendet würden.

Jede Staatsinitiative, die eine Gruppe oder Gruppen von Bürgern in Mitleidenschaft zieht, führt unvermeidbar zu Widerstand. Dies ist ganz einfach der Fall, weil der Staat alles unternimmt seine Macht zu wahren und den Staatsbürger vom Prozess der Entscheidungsfindung ausschließen will. Da schlussendlich das Leben jedes einzelnen Bürgers durch diese Entscheidungen, welcher Art auch immer, beeinflusst wird, ist es mehr als verständlich, dass der Bürger ein Mitspracherecht für sich beansprucht.

Unglücklicherweise und trotz unzähliger Konflikte hat der Staat bis heute keine große Bereitschaft gezeigt auf seine alleinige Machtstellung im Entscheidungsprozess zu verzichten.

Aber jetzt gibt es eine gute Neuigkeit für alle diejenigen, die auf eine demokratische Lösung gewartet hatten. Der Staat will nun die Öffentlichkeit durch Meinungsumfragen in seine Entscheidungsprozesse miteinbeziehen, anstelle sie wie bisher, Ausnahmen vor-behalten (siehe unten), auszuschließen.

Die Staatsregierung hat Anfang Mai einen Gesetzesentwurf angekündigt, dass alle zukünftigen Staatsinitiativen, die Bürger und/oder die Gemeinden betreffen, der Öffentlichkeit zur Beratung unterbreitet werden müssen.

Dieser Prozess soll nicht nur bestimmen, wie die Initiative eingeführt werden soll und was für Massnahmen ergriffen werden müssen um einen gegenteiligen und negativen Einfluss zu vermeiden, sondern vor allem ob die Initiative ihre Berechtigung hat.

Wenn dieser Entwurf in Kraft gesetzt werden sollte, wird es das erste Mal sein, dass die Öffentlichkeit eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Landes durch Staatsinitiativen oder Projekte spielen wird.

Bis anhin wurde immer per Erlass bestimmt wie sich das Land weiterentwickeln soll, ohne der Öffentlichkeit die Chance zu geben, ein Mitspracherecht auszuüben.

Dieser Entwurf soll nun garantieren, dass die in Sektion 59 der Konstitution aufgeführten Rechte des einzelnen Staatsbürgers in bezug auf die Informationspflicht und die Redefreiheit über alle durch den Staat und deren Ministerien ausgeübten Aktivitäten erfüllt werden, die einen Einfluss auf die Umwelt, Gesundheit oder Lebensqualität der Bürger und/oder Gemeinden haben könnten.

Ebenso einmalig ist auch die Vorgangsweise der Präsentation dieses neuen Gesetzesentwurfes. Das dafür zuständige Konzil hat die Meinungsumfrage für den zur Frage stehenden Entwurf für die neue Gesetzgebung in der Öffentlichkeit mit großem Aufwand umworben und das Versprechen abgegeben alle „bona fide" Meinungen mit zu berücksichtigen.

Interessierte Personen können über die Webseiten des Konzils (nur in Thai) eine Kopie des Entwurfes herunterladen und in der Folge per Email ihren Kommentar direkt an das Konzil senden.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Öffentlichkeit für einen Gesetzesentwurf um ihre Meinung nachgefragt wird. Die Entwürfe der Konstitution und kürzlich für das nationale Gesundheitswesen haben einen öffentlichen Meinungsprozess durch landesweit organi-sierte Forums durchlaufen, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, ihre Meinung abzugeben.

Es wird nun das zweite Mal sein, nach der Meinungsumfrage für die Konstitution und das nationale Gesundheitswesen, wo die Öffentlichkeit konsultiert wird, bevor der Entwurf vor das Kabinett und in der Folge vor das Parlament zur Abstimmung gelangt, und das erste Mal, wo eine Regierungsstelle selbst einen solchen Prozess von sich aus eingeleitet hat.

Trotz dem guten Willen, mit dem das Konzil nun diesen Entwurf dem breiten Publikum vorstellt, und dem Staatsbürger ein Mitspracherecht eingeräumt wird, ist diese Vernehmenslassung gleichwohl limitiert.

Das Konzil wird vor allem Kommentare auf Grund ihrer Webseiten per Email, Briefpost und Fax erhalten, dadurch wird eine Vielzahl von Bürgern ausgeschlossen, hauptsächlich in den ländlichen Gebieten, wo es nur limitierten oder keinen Zugang zum Internet gibt und sie somit von der ganzen Initiative nicht in Kenntnis gesetzt werden können. Um diese Schwachstelle in der Kampagne zu kompensieren sind landesweit Forums organisiert worden, um so, zusammen mit den Antworten aus der elektronischen Umfrage, die repräsentative öffentliche Aussage eines breiten Publikums zu erhalten. Der Zeitraum für diesen Öffentlichkeitsprozess ist vom 12. Mai bis zum 12. Juni 2003 angesetzt worden.

Sollte der oben aufgeführte Öffentlichkeitsprozess den erwarteten Erfolg bringen, so wird diese Vorgangsweise als Modell für alle zukünftigen Gesetzesentwürfe zum Einsatz kommen. Es sollte demzufolge keine Gesetzesgebung mehr in Kraft gesetzt werden, ohne dass sie einer unverfälschten, öffentlichen Meinungsumfrage unterzogen wurde. Das wird in Zukunft mithelfen, Konflikte in hohem Masse zu eliminieren und dadurch zur Stabilität der Gesellschaft als Ganzes beitragen.