E-mail aus München

Von Nicola Hahn

Pokern und Bluffen scheint voll in Mode zu sein

Zu hoch gepokert haben die Fußballclubs in den letzten Jahren. Nach Saisonschluss der Bundesliga herrscht Katerstimmung bei leeren Kassen. Und wie viel in Zukunft dort hineinfließen wird, ist noch unklar – denn die wertvollen TV-Rechte sind noch nicht verkauft. Sie sind den Sendern in Zeiten der Werbeflaute schlicht zu teuer. SAT 1 hat jedenfalls gerade mal die Hälfte der letztjährigen Summe geboten. Und bei der ARD kramt man auch in den (leeren) Sparstrümpfen. Klar ist nur: 24 von 36 Vereinen der Profiligen bekamen nach Finanzprüfung „Blaue Briefe" von ihrer Dachorganisation DFL. Und das bedeutet auch das Aus für die Phantasiegehälter ihrer Spieler.

Geblufft haben soll die Deutsche Telekom. 1500 Kleinanleger verklagten den „Rosa Riesen" auf Schadenersatz wegen überhöhten Ausgabekursen bei der dritten Emission. Hintergrund: Das Vermögen soll durch falsche Immobilienbewertungen aufgeblasen worden sein. Tatsache ist, dass die Aktien seit der heftig werbebetrommelten Ausgabe steil in den Sinkflug gingen.

Auf den Höhepunkt ihres Sozial-Pokers steuert die SPD zu. Kurz vor dem Sonderparteitag zur „Agenda 2010" mit harten Schnitten ins System sollte IWAN die Gemüter der Partei-Linken besänftigen. Das ergänzende Programm zu Innovation, Wachstum, Arbeit und Nachhaltigkeit überdauerte allerdings nicht mal ein Wochenende – und verschwand als „schrecklicher Iwan" wieder in der Schublade. Begleitet mal wieder vom Droh-Bluff des Kanzlers mit Rücktritt.

Einen neuen Trumpf im Polizei-Poker zog der Hamburger Rechtsausleger Schill aus dem Ärmel. Weil er die versprochenen 2000 zusätzlichen Gesetzeshüter aus Geldmangel nicht einstellen konnte, will er seine Streifen wenigstens neu einkleiden. Mit großem Hokus-Pokus stellte er am Montag die von Luigi Collani entworfenen blauen Uniformen vor. Weil Blau mehr Vertrauen und Sicherheit ausstrahle als Grün. Wann die Bobby-ähnlichen Gewänder allerdings zum Einsatz kommen, ist noch völlig ungewiss: Sponsoren sollen die Neo-Collanis finanzieren.

Zum Nerven-Poker weitet sich die Sorge um die Geiseln in Algerien aus. Nachdem gut die Hälfte letzte Woche aus der Hand ihrer islamischen Entführer von der algerischen Armeebefreit wurde, bangt nun die Nation um den Rest der entführten Wüsten-Touristen. Für Entrüstung sorgte unter anderem die Falschmeldung vom Montag, auch sie seien wieder frei. Mit gemischten Gefühlen verfolgt man aber auch die Schilderungen der bereits Heimgekehrten: Könnten zu freimütige Äußerungen die anderen in größere Gefahr bringen?!

Nach SARS ist nun H7N7 der neueste Flush im Epidemie-Grusel. So heißt das Virus, das die Geflügelpest auslöst. Der aggressive Grippe-Erreger schwappte letzte Woche aus den Niederlanden nach Nordrhein-Westfalen. Ausgerechnet einen Tag, nachdem vorläufige Entwarnung gegeben worden war, tauchte er in einer Geflügelfarm auf. Und weil in Holland ein Tierarzt mit H7N7-Symptomen starb, fragt das Boulevard gleich hysterisch in Riesenlettern: Löst die Geflügelpest auch unter Menschen bald ein Massensterben aus?

Schmunzeln löst dagegen der Werbe-Bluff Baden-Württembergs aus. Für die zieht Verleger Hubert Burda durch die Weinberge und erklärt: „Wir können alles. Außer Hochdeutsch." Auch der Badener kann alles mögliche, z. B. den Großteil seiner Zeitschriften seit Jahren im eindeutigbayrischen München produzieren zu lassen. Selbst der Druckstandort im Badischen Offenburg stand schon zur Disposition.