E-mail aus München

Von Nicola Hahn

„Das ganze Leben ist ein Quiz" weißsagte Komödiant Hape Kerkeling vor Jahren die Zukunft des deutschen Fernsehens. Und so kam es. Heute fragt Günther Jauch auf RTL bei konstant hohen Einschaltquoten „Wer wird Millionär?" und wird mit diesem Erfolgsrezept auf allen Kanälen kopiert. Weil es aber dort für den Zuschauer nur die Erkenntnis zu gewinnen gibt, dass andere vielleicht mehr (oder weniger) wissen als man selbst, wird Deutschland jetzt vermehrt zum Mitzocken an der Mattscheibe gelockt.

Mit „Neun Live" gibt es gar einen ganzen Kommerzsender, der nur von Gewinnspielen lebt. Das simple Konzept: Den Zuseher mit teilweise ziemlich dämlichen Fragen an die Telefone locken. Für die Anrufe, bei denen natürlich nur einer durchkommt, werden saftige Gebühren fällig, mit denen der Sender inzwischen in die Gewinnzone gesegelt ist (und das ganz ohne weitere Werbeeinnahmen).

Mit Honig wollen deshalb auch andere Fliegen fangen. Rufen Sie an, gewinnen Sie... schallt es immer öfter aus der Röhre. Von Sport bis „Superstars"... kaum eine TV-Show kommt noch ohne Zuschauerpreise aus. Sogar im Flagschiff „Wetten, dass..." wird Thomas Gottschalk bald ein Traumhaus (Wert: eine Mio. Euro) ausloben. Das ruft prompt die Spielverderber auf den Plan. In Berlin denkt man bereits über ein Gesetz nach, das Telefon-Preisausschreiben verbieten soll...

In die Röhre geschaut hat Deutschland erwartungsgemäß wieder beim „Grand Prix d’Eurovision" (Platz 12). Da triumphierte erstmals die Türkei mit einer „Orient meets Disco"-Nummer von sexy Sertab Erener. Für die Favoriten aus Russland reichte es nur zu Platz drei, vielleicht, weil das Skandal-Duo t.a.T.u. mal nicht in Unterwäsche antrat und angesichts des großen Ereignisses sogar auf seine lesbischen Kusseinlagen verzichtete. Die beiden „Russen-Luder" können’s verschmerzen, schließlich sind sie derzeit in allen europäischen Charts ganz oben zu finden mit ihrem Hit „Nothing gonna get us".

Ernst wird es dagegen bei der Bundeswehr. Seit dieser Woche hat sie offiziell einen neuen Auftrag: Ihr Hauptziel ist künftig nicht mehr die Landesverteidigung sondern internationale Einsätze und Terrorabwehr. Bei einer solchen Konzentration auf das Wesentliche kann man nämlich auf weitere 6000 Soldaten verzichten und landauf, landab etliche Kasernen schließen. Und dafür am umstrittenen, weil viel zu teuren Transportflugzeug M 400 weiter mitbauen.

Köpfe rollten dieser Tage bei der Bahn. Zwei für das neue Preissystem verantwortliche Vorstände mussten ihren Schreibtisch räumen. 120 Mio. Minus fuhr die Bahn im 1. Quartal des Jahres ein, weil immer weniger sich angesichts des komplexen Rabattdschungels (wie Bahn-Fan Harald Schmidt) fragen wollen: „Fährst du schon oder rechnest du noch?" Viele steigen da lieber auf Mitfahrzentralen um, die seit Januar gut 20 Prozent Zuwachs verzeichnen. Doch trotz allem: Grundsätzlich will Bahn-Chef Mehdorn an der Preisreform festhalten. Ganz wie in der Politik spricht er von „Nachbesserung".

Zum Schluss das Neueste aus der SPD kurz vor dem Schlagabtausch auf dem Sonderparteitag: Da durfte sich Gehard Schröder diese Woche über den klaren Wahlsieg Henning Scherfs in Bremen freuen (SPD 42,3 %, CDU 29,9%, Grüne 12,8%, FDP 4,1%). Und sich gleichzeitig über Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Per Steinbrück ärgern, der auf Biegen und Brechen die Koalition mit den Grünen aufs Spiel setzen will.

Was macht derweil der „kleine Mann auf der Straße"? Will in Sachsen für die 35-Stunden-Woche streiken (Urabstimmung läuft) oder klaut bundesweit die heißen Dessous-Poster von Topmodel Heidi Klum (für die Klamottenkette H & M) aus den Plakatkästen.