Ein salomonisches Urteil?

Franz Schmid

Vieles hier in Thailand wird auf echt thailändisch-salomonische Weise erledigt. Erst kürzlich erfuhr das wieder einmal eine Freundin von mir.

Meine Bekannte fuhr kürzlich gegen 14:00 Uhr auf einer wenig belebten Seitenstraße etwas außerhalb Pattayas mit ihrem Auto. Ein Lieferwagen schien auf der linken Straßenseite zu parken und nachdem sich meine Bekannte versichert hatte, dass es kein nachfolgendes oder entgegenkommendes Auto gab, wollte sie an diesem parkenden Lieferwagen vorbeifahren und scherte deswegen ein wenig aus. Der Lieferwagenfahrer hatte sich jedoch plötzlich entschlossen, nicht mehr zu parken, sondern wollte umkehren, deshalb war er so weit nach links gefahren. Wie so üblich bei vielen Autofahrern in Thailand, hatte er dabeiaus alter Gewohnheit nicht in die Rückspiegel gesehen oder sich sonst wie zu vergewissert, ob er durch seine Fahrweise andere Autos behinderte. Er fuhr geradeaus mit der rechten Frontseite seines schweren Lieferwagens in die Vordertüre meiner Bekannten. Sie wurde dabei auf die andere Straßenseite katapultiert und landete in einem frisch ausgelegten Graben vor einem Privathaus. Wäre sie nur einen Meter weiter abgekommen, wäre sie am Strommast aufgeprallt und der Unfall mit Sicherheit für ihre Gesundheit nicht so glimpflich abgelaufen.

Als sie aus dem Wagen ausstieg, beschimpfte sie der Fahrer, dessen Frau mit Kleinkind auf dem Vordersitz saß, dass sie falsch gefahren sei. Meine Bekannte, eine Farang, tat das Richtige: Sie verständigte sofort thailändische Bekannte und bat sie um Unterstützung. Außerdem hatte sie eine Kamera dabei und machte sofort Aufnahmen von beiden Autos, der Bremsspur und allem, was nötig war.

Da die Polizei von Pattaya, die relativ schnell kam, nicht zuständig war, musste die Polizei von Banglamung gerufen werden, was wieder eine Stunde mehr Wartezeit bedeutete. Messungen wurden vorgenommen und endlose Debatten geführt, wobei der Fahrer des Lieferwagens immer wieder falsche Behauptungen aufstellte. Diese wurden ihm von der Polizei widerlegt und die Begleiter meiner Bekannten, die die Konversation verfolgten, freuten sich schon und berichteten meiner Freundin, das sie recht bekommen würde.

Dann kam es schließlich, wie es kommen musste, alle Beteiligten fuhren um 16:00 Uhr auf die Polizeidienststelle. Dort wurden nochmals alle Daten aufgenommen und dann wurde der Fahrer des Lieferwagens mit den Versicherungsvertretern beider Parteien ins Büro gerufen. Meine Bekannte oder ihre Begleiter wurden dazu nicht eingeladen. Um 17:00 Uhr verließ der Polizeibeamte das Büro und entledigte sich sofort seiner Uniformjacke, wobei er verkündete, dass er jetzt dienstfrei habe und die Farang morgen zurückkommen solle. Es wurde aber auch noch angedeutet, dass es ja auch einen anderen, den salomonischen Weg gäbe.

Dieser salomonische Weg, Thai-Stil, wurde ihr dann auch sofort von ihrem Versicherungsagenten dargelegt: Er, der gegnerische Versicherungsagent und die Polizei wissen, dass sie an dem Unfall unschuldig sei. Sie solle sich trotzdem mitschuldig erklären, es würde ihr nichts passieren, keine Strafe und so, aber ihre Versicherung brauche dann nur den Schaden an ihrem Auto zu bezahlen und die gegnerische Versicherung würde den Schaden des Lieferwagenfahrers übernehmen. Auf ihre Vorhaltungen hin, dass dann im nächsten Jahr ihre Versicherung erhöht werden würde, lächelten die Thais milde.

Könnte somit bewiesen worden sein, dass man dem Verlangen der Farangs, Fairness und Gerechtigkeit zu erfahren, wieder einmal mit einem typisch thailändischen Urteil entgegen gesprochen hatte?