Es hätte alles so schön sein können in Berlin am
letzten Wochenende: Die SPD segnet mit über 90 Prozent die Agenda 2010 ab
und der „Kanzler ist froh und glücklich" (titelte die sonst so
seriöse FAZ), der FC Bayern holt sich erwartungsgemäß den DFB-Pokal ab
(4:1 gegen Kaiserslautern) und eine halbe Million Christen feiern das erste
Mal seit der Reformation gemeinsam bei einem Massenauflauf namens „Ökumenischer
Kirchentag". Doch dabei kam es neben Friede und Freude auch zum
Abendmahl.
Am Himmelfahrtstag teilte der katholische Priester
Gotthold Hasenhüttl in der Gethsemane-Kirche tatsächlich seine Hostien
auch an Protestanten aus! Was der Papst doch noch kurz vorher streng
verboten hatte (aber höchstpersönlich schon dem Anglikaner Tony Blair
dieses Sakrament in den Mund legte). Die Empörung ließ nicht lange auf
sich warten. Und zwar über die prompte Kritik von Kardinal Joseph Ratzinger
an Hasenhüttl. Denn der Priester gilt den meisten Deutschen jetzt als
kleiner Held – und die Reaktion auf seine Freigibigkeit als weiterer
Beweis für die Realitätsferne der katholischen Amtskirche.
Zu Demos ganz anderer Art kommt es in den jetzt sehr
lauen Sommernächten in jeder größeren Stadt. „Skate-Night" heißen
die Events, die einmal wöchentlich tausende von (nicht nur jungen) Leuten
auf die Rolle bringen, um gemeinsam auf Inlinern durch die Straßen zu
flitzen und anschließend am Ziel Party zu feiern. Wer’s noch sportlicher
will, meldet sich zu einem der dutzenden Skate-Marathons an oder geht gleich
einen ganzen Urlaub lang zum Country-Skaten, z. B. auf Mallorca.
„Eine zunehmende Sehnsucht nach Familie" dagegen
haben die deutschen TV-Macher ausgelotet. Und müllen den Bildschirm statt
mit Karwall-Talkshows mit sogenannten Doku-Dramas rund ums Baby zu. Da
dürfen sich dann werdende Eltern mit der Kamera bis in den Kreissaal
begleiten lassen – und wir alle sollen beim Schweiß- und Wehen-Geschehen
mitzittern.
Das ZDF nähert sich dem Familienthema auf seine Art. In
Anlehnung an das erfolgreiche „Schwarzwaldhaus" der ARD (eine Familie
lebte wie Bauern vor 100 Jahren) schicken die Mainzer gleich zwei Familien
nach Sibirien, um ihren Kampf gegen Einsamkeit und Kälte als „Sternflüstern"
vorzuführen. RTL setzt dagegen demnächst auf den „Frauentausch".
Zwei Mütter sollen für zehn Tage die jeweils andere Familie versorgen. Wie
weit die Mutterliebe dabei gehen soll, verrät der Sender allerdings noch
nicht.
Überhaupt ist so viel „Realität" wie nie im
Fernsehen. Rund um das Jubiläum der ersten Mount-Everest-Besteigung kramt
jeder Sender ein mitgefilmtes Bergdrama aus der letzten Ecke. Das darf sich
auch mal am Nanga Parbat, K 2 oder an der Eiger-Nordwand abgespielt haben
– Hauptsache echte, quotenbringende Action. Weil sich auch der Aufstand
des 17. Juni zum 50. Mal jährt, flimmern derzeit immer öfter alte
russische Panzer durch die Wohnzimmer.
Sehr realistisch ist leider auch das Bienensterben. Die braven
Honigsammler werden regelrecht ausgesaugt von der aus Indien eingeschleppten
Milbe Varroa destructor. Die Tierchen mit dem Horror-Namen haben den milden
Winter so gut und hungrig überlebt, das viele Imker inzwischen bis zu 90
Prozent Verlust bei ihren Bienen-Beständen haben. Besonders herb trifft das
auch die Obstbauern – denn wo es früher bei der Baumblüte eifrig summte,
lassen sich jetzt nur noch vereinzelte Wespen und Hummeln zum Bestäuben
blicken.