E-mail aus München

Von Nicola Hahn

Heiße Zeiten sind rund um Pfingsten ausgebrochen. Seit zwei Wochen stöhnen die Deutschen unter tropischen Temperaturen. Bei 32 bis 35 Grad im Schatten flüchtet an die Badeseen, wer kann – und die Innenstädte bleiben (bis auf unermüdliche Touristen) weitgehend leer. Und das sogar am ersten „verkaufsoffenen Samstag" bis 20 Uhr. Wir sind halt – im Gegensatz zu euch in Pattaya – nix Gutes gewöhnt.

Und auch nichts Schlechtes: Denn unterbrochen wird die Hitzewelle immer wieder von heftigsten Gewittern. Durch die Wucht der Orkane und sintflutartigen Regenfälle waren allein über die Feiertage fünf Tote, vor allem nördlich der Mainlinie, zu beklagen.

Eins erhitzt die Gemüter aber noch mehr als das Wetter: der Tod von Jürgen W. Möllemann. Wo immer in diesen Tagen zwei oder mehr Menschen zusammen kommen, wird heftig spekuliert: War sein spektakulärer Absturz beim Fallschirmspringen tatsächlich ein Selbstmord oder doch ein Unfall? Klar ist bisher nur, dass an seiner Ausrüstung wohl nichts defekt oder manipuliert war und dass Zeugen sahen, wie er den geöffneten Hauptschirm ausklinkte.

Und wenn es ein Selbstmord war: Was hatte ihn in den Tod getrieben? Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Steuerhinterziehung? Schließlich waren Vertreter der Justiz genau zur Todeszeit an insgesamt 25 Orten zur Hausdurchsuchung im Fall Möllemann unterwegs, darunter auch in seinem Privathaus in Münster.

Oder waren es doch die Politikerkollegen, besonders die ehemaligen Parteifreunde „mit ihrer Hetzkampagne", wie Möllemanns Ehefrau Carola anklagt? Sie ließ demonstrativ mehrere Kondolenzschreiben aus der FDP-Zentrale ungeöffnet zurückgehen. Und zugegeben, bei den salbungsvoll dick aufgetragenen Nachrufen aus allen Ecken und in allen TV-Kanälen blieb beim Zuhörer bzw. -schauer auch ein Eindruck schaler Heuchelei hängen. Kaum je hatte ein Politiker einen größeren Sturm der Entrüstung gegen sich erlebt als Möllenmann nach der Verteilung seines Israel-feindlichen Flugblattes. Und nun werden flugs seine „besonderen Verdienste" wieder hervorgekramt, wie in der sehr diplomatischen Todesanzeige der Bundesregierung. Überhaupt hat man den Eindruck, dass bei den Kondolenz-Inseraten jedes Wort dreimal auf der Goldwaage gelegen hat (nachzulesen in der FAZ vom 10. Juni).

Angesichts dieser Ereignisse ging der Fußball-Fight gegen Schottland zu Recht ein wenig unter. Obwohl es zu einem Duell Berti Vogts contra Rudi Völler hochgejazzt worden war. Auch Neu-Schotte Berti selbst sprach in der Pressekonferenz vor dem Spiel mehrmals von einem „Schpechelmätsch". Doch das Lachen über diese Englischkünste verging den Deutschen nach dem mühsam ereierten 1:1 ganz schnell. Bloß weiter zum nächsten „Angstgegner" Färöer-Inseln...

Ein Schuss Glamour zum Schluss: In Berlin wurden am letzten Freitag die Deutschen Filmpreise verliehen. Abräumer der Oscar-Kollegin Lola: „Good Bye, Lenin!". Acht Trophäen heimste die köstliche Wende-Satire von Regisseur Wolfgang Becker ein, die ja auch schon bei der Berlinale und an den Kinokassen äußerst erfolgreich war.

In der ARD ist dienstags abends nicht mehr alles Bio. Diese Woche verabschiedete sich Alfred Biolek in seiner Talk-Show zum letzten Mal von seinen Gästen. Ganz geht die TV-Ikone aber noch nicht in Rente: In „Alfredissimo" kocht er weiter sein Süppchen mit wechselnden Promis.