Schlaflos in Deutschland war das Motto des letzten
Wochenendes. Freitag Nacht setzte auch hierzulande der Run auf den neuen „Harry
Potter" ein. Viele Buchhandlungen hielten ihre Kunden ab Mitternacht
mit Quiddich-Partys bei Laune, bis sie endlich Samstags morgens ab sechs Uhr
(ja, ja das Ladenöffnungsgesetz) die Kassen klingeln lassen konnten. Obwohl
das Buch vorerst nur auf englisch zu haben ist, griffen die Massen
scharenweise zu. Und weil es für englische Bücher auch keine Preisbindung
gibt, überschlugen sich die Handelsketten mit Lockpreisen. Bei Hugendubel
in München etwa waren die gut 700 Seiten Hogward-Abenteuer für nur 14,90
Euro statt empfohlener 29 Euro zu ergattern. Solange der Vorrat reicht –
und das war natürlich nicht lange.
Was Sie tags drauf quasi zum Frühstück serviert
bekamen, war in Deutschland der zweite Nacht-Event: das Box-Duell Klitschko
gegen Lewis. Gegen 4.30 Uhr am Sonntag früh verfolgten Millionen am
Fernseher die blutige Schlacht in L.A. Und damit auch der letzte sich noch
ein Urteil bilden konnte, ob Vitalis klaffende Cuts nun von Kopfstößen
oder Treffern verursacht wurden, hatte er dazu in den fortwährenden
Wiederholungen des Kampfes den ganzen Sonntag über ausreichend Gelegenheit.
Auch wenn die Meinungen darüber noch auseinander gehen, in einem sind sich
hier alle einig: Der Doktor aus Kiew hat sich gegen Lennox wacker geschlagen
und darf als „unser" Held gelten.
Zur Freude vieler Fußballfans kehrt die Bundesliga wohl
zur ARD zurück. Nun hofft man auf die Wiederbelebung der guten alten „Sportschau"
mit vielen Ball-Duellen und wenig Werbung. Doch Medien-Experten dämpfen die
Freude bereits. Auch die ARD muss das Geld wieder verdienen, was sie für
die TV-Rechte ausgibt. Deshalb sind die Unkenrufe wohl berechtigt, die
besagen: „Die Sportschau wird von der alten nichts, und von ,ran’ fast
alles übernehmen." Da ist schon zweitrangig, dass man sich hinter den
ARD-Kulissen balgt, welcher Sender wohl die Show bekommt: WDR, NDR oder BR.
Ein neuer Ost-West-Konflikt keimt auf, wegen der
anhaltenden Metallerstreiks in den Neuen Ländern. Deren Kampf um die
35-Stunden-Woche stieß in den alten Bundesländern erst nur auf
Kopfschütteln, inzwischen allerdings immer häufiger auf blanke Wut. Denn
mangels Nachschub aus den Zulieferwerken dort gibt es jetzt Kurzarbeit in
der Autoindustrie West. BMW in München waren die ersten, VW und andere
werden wohl folgen. Aber auch an den Streikorten spielen sich groteske
Szenen ab. Teils werden Arbeitswillige inzwischen per Helikopter über die
Köpfe ihrer streikenden Kollegen an ihre Wirkungsstätten geflogen.
Der neue Freizeitspaß heißt zur Zeit Pflücken. An
Stadträndern und auf dem Land gibt’s immer mehr Felder zum Obst und
Gemüse selber ernten. Ganze Familien schwärmen aus in die Erdbeeren,
Bohnen & Co. Sogar den Blumenstrauß für die Liebste kann man
inzwischen selber schneiden. Oft auf Treu und Glauben, denn am Rand des
Gladiolen- oder Sonnenblumenfeldes wartet oft nur eine Spardose statt eines
Kassierers auf den fälligen Obolus.
Unter Kindern haben Kreisel die Pokemons abgelöst.
Überall lassen die Kids jetzt „Beyblades" aus Japan in
Frisbee-artigen Plastikscheiben rotieren. Hip sind die knallbunten
Kunststoffdinger nicht nur wegen ihres Space-Designs, sondern weil das
Zusammensetzen aus 24 möglichen Einzelteilen eine Pseudo-Wissenschaft für
sich ist. Wenn man die Teile überhaupt ergattern kann, weil sie ständig
ausverkauft sind.
Und die Thai-Küche (oder was man hier dafür hält)
löst endgültig den China-Einheitsbrei ab. Aldi Süd verkauft seit
Donnerstag unter anderem Sesamöl, Kokosmilch sowie Fertig-Reisgerichte „Curry
– würzig" und sogar einen ominösen „Thailand Chop
Suey"-Salat im Glas. Na dann: Guten Appetit!