E-mail aus München

Von Nicola Hahn

Schlaflos in Deutschland war das Motto des letzten Wochenendes. Freitag Nacht setzte auch hierzulande der Run auf den neuen „Harry Potter" ein. Viele Buchhandlungen hielten ihre Kunden ab Mitternacht mit Quiddich-Partys bei Laune, bis sie endlich Samstags morgens ab sechs Uhr (ja, ja das Ladenöffnungsgesetz) die Kassen klingeln lassen konnten. Obwohl das Buch vorerst nur auf englisch zu haben ist, griffen die Massen scharenweise zu. Und weil es für englische Bücher auch keine Preisbindung gibt, überschlugen sich die Handelsketten mit Lockpreisen. Bei Hugendubel in München etwa waren die gut 700 Seiten Hogward-Abenteuer für nur 14,90 Euro statt empfohlener 29 Euro zu ergattern. Solange der Vorrat reicht – und das war natürlich nicht lange.

Was Sie tags drauf quasi zum Frühstück serviert bekamen, war in Deutschland der zweite Nacht-Event: das Box-Duell Klitschko gegen Lewis. Gegen 4.30 Uhr am Sonntag früh verfolgten Millionen am Fernseher die blutige Schlacht in L.A. Und damit auch der letzte sich noch ein Urteil bilden konnte, ob Vitalis klaffende Cuts nun von Kopfstößen oder Treffern verursacht wurden, hatte er dazu in den fortwährenden Wiederholungen des Kampfes den ganzen Sonntag über ausreichend Gelegenheit. Auch wenn die Meinungen darüber noch auseinander gehen, in einem sind sich hier alle einig: Der Doktor aus Kiew hat sich gegen Lennox wacker geschlagen und darf als „unser" Held gelten.

Zur Freude vieler Fußballfans kehrt die Bundesliga wohl zur ARD zurück. Nun hofft man auf die Wiederbelebung der guten alten „Sportschau" mit vielen Ball-Duellen und wenig Werbung. Doch Medien-Experten dämpfen die Freude bereits. Auch die ARD muss das Geld wieder verdienen, was sie für die TV-Rechte ausgibt. Deshalb sind die Unkenrufe wohl berechtigt, die besagen: „Die Sportschau wird von der alten nichts, und von ,ran’ fast alles übernehmen." Da ist schon zweitrangig, dass man sich hinter den ARD-Kulissen balgt, welcher Sender wohl die Show bekommt: WDR, NDR oder BR.

Ein neuer Ost-West-Konflikt keimt auf, wegen der anhaltenden Metallerstreiks in den Neuen Ländern. Deren Kampf um die 35-Stunden-Woche stieß in den alten Bundesländern erst nur auf Kopfschütteln, inzwischen allerdings immer häufiger auf blanke Wut. Denn mangels Nachschub aus den Zulieferwerken dort gibt es jetzt Kurzarbeit in der Autoindustrie West. BMW in München waren die ersten, VW und andere werden wohl folgen. Aber auch an den Streikorten spielen sich groteske Szenen ab. Teils werden Arbeitswillige inzwischen per Helikopter über die Köpfe ihrer streikenden Kollegen an ihre Wirkungsstätten geflogen.

Der neue Freizeitspaß heißt zur Zeit Pflücken. An Stadträndern und auf dem Land gibt’s immer mehr Felder zum Obst und Gemüse selber ernten. Ganze Familien schwärmen aus in die Erdbeeren, Bohnen & Co. Sogar den Blumenstrauß für die Liebste kann man inzwischen selber schneiden. Oft auf Treu und Glauben, denn am Rand des Gladiolen- oder Sonnenblumenfeldes wartet oft nur eine Spardose statt eines Kassierers auf den fälligen Obolus.

Unter Kindern haben Kreisel die Pokemons abgelöst. Überall lassen die Kids jetzt „Beyblades" aus Japan in Frisbee-artigen Plastikscheiben rotieren. Hip sind die knallbunten Kunststoffdinger nicht nur wegen ihres Space-Designs, sondern weil das Zusammensetzen aus 24 möglichen Einzelteilen eine Pseudo-Wissenschaft für sich ist. Wenn man die Teile überhaupt ergattern kann, weil sie ständig ausverkauft sind.

Und die Thai-Küche (oder was man hier dafür hält) löst endgültig den China-Einheitsbrei ab. Aldi Süd verkauft seit Donnerstag unter anderem Sesamöl, Kokosmilch sowie Fertig-Reisgerichte „Curry – würzig" und sogar einen ominösen „Thailand Chop Suey"-Salat im Glas. Na dann: Guten Appetit!