Diese Woche war sehr aufregend für einige von uns. Vor
allem für jene, die mit dem Herzen dabei waren, als Ladan und Laleh, die
iranischen Siamesischen Zwillinge die Operation wagten, die sie endlich nach
29 Jahren trennen sollte.
Die beiden jungen Frauen waren als Kinder einer armen
Familie geboren worden und diese konnte sich keine richtige ärztliche
Betreuung, geschweige denn eine Trennungs-Operation leisten.
Die beiden Mädchen lernten, miteinander und auf immer
verbunden zu leben. Sie mussten alles gemeinsam machen. Ob es sich dabei um
einfache Handreichungen handelte oder um das morgendliche Duschbad, den Gang
zur Toilette, das Aufstehen am Morgen und auch das zu Bett gehen – nie war
eine alleine. Die Entscheidung, was man studiert und welchen Beruf man
ergreift, muss auch gemeinsam gemacht werden.
Man sollte versuchen, sich das einmal vorzustellen. Da
ist dein Zwilling an dich angewachsen, du teilst jede kleinste Regung, jedes
Glück und jede Trauer mit ihm. Du lernst jemand kennen, den du liebst –
und selbst da gibt es kein sich zurückziehen, keine Zweisamkeit zwischen
dir und dem Geliebten.
Statistisch gesehen kommt auf 100.000 Geburten ein
siamesisches Zwillingspaar. Heute werden die Doppelföten meist bei
Ultraschall-Untersuchungen entdeckt und abgetrieben. Die ersten Zwillinge,
die weltweit bekannt wurden, weil sie zusammengewachsen waren, war das
Brüderpaar Chang und Eng Bunkes, die 1811 in Siam (Thailand) zur Welt kamen.
Sie waren von der Brust bis zum Nabel zusammengewachsen. Allerdings
meisterten sie ihr Leben so gut es ging und wurden sogar 63 Jahre alt –
ein Alter, das bei siamesischen Zwillingen selten vorkommt. Außerdem waren
sie beide mit einem Schwesternpaar verheiratet und zeugten insgesamt 22
Kinder.
Die beiden iranischen Frauen, studierte Juristinnen,
wollten so ein Leben nicht. Sie einigten sich darauf, die schwere Operation,
die von deutschen Ärzten bereits 1996 abgelehnt wurde, da sie zu riskant
sei, endlich doch zu wagen. Die Operation war der tiefe Herzenswunsch der
Siamesischen Zwillinge. Die Zwillinge waren vor der Operation über das hohe
Risiko informiert worden, entschieden sich aber dennoch dafür. Die beiden
wollten das Risiko lieber auf sich nehmen, als weiterhin zusammengewachsen
zu leben. Doch Ladan und Laleh bezahlten den Traum von der Trennung mit dem
Leben. Nach der 52 stündigen Marathon-Operation starb erst Ladan, wenig
später auch ihre Schwester Laleh an Blutverlust.
Nun tauchen Fragen auf. Warum wurde dieses Risiko eines
weltweit ersten Versuches, erwachsene siamesische Zwillinge zu trennen, die
am Kopf zusammen gewachsen sind, von den Ärzten in Singapur eingegangen?
Auch sie hatten bereits vor der Operation klare Aussagen gemacht. Sie
befürchteten den Tod einer oder beider Zwillinge oder ein Leben als Debile,
das kein Leben mehr gewesen wäre für diese äußerst intelligenten Frauen.
Ich glaube, die Zwillingsschwestern und die Ärzte hatten
die richtige Entscheidung getroffen. Denn auch so war das Leben für beide
wahrscheinlich nicht sehr lebenswert.