Soll man eine Trennung überhaupt durchführen?

Franz Schmid

Diese Woche war sehr aufregend für einige von uns. Vor allem für jene, die mit dem Herzen dabei waren, als Ladan und Laleh, die iranischen Siamesischen Zwillinge die Operation wagten, die sie endlich nach 29 Jahren trennen sollte.

Die beiden jungen Frauen waren als Kinder einer armen Familie geboren worden und diese konnte sich keine richtige ärztliche Betreuung, geschweige denn eine Trennungs-Operation leisten.

Die beiden Mädchen lernten, miteinander und auf immer verbunden zu leben. Sie mussten alles gemeinsam machen. Ob es sich dabei um einfache Handreichungen handelte oder um das morgendliche Duschbad, den Gang zur Toilette, das Aufstehen am Morgen und auch das zu Bett gehen – nie war eine alleine. Die Entscheidung, was man studiert und welchen Beruf man ergreift, muss auch gemeinsam gemacht werden.

Man sollte versuchen, sich das einmal vorzustellen. Da ist dein Zwilling an dich angewachsen, du teilst jede kleinste Regung, jedes Glück und jede Trauer mit ihm. Du lernst jemand kennen, den du liebst – und selbst da gibt es kein sich zurückziehen, keine Zweisamkeit zwischen dir und dem Geliebten.

Statistisch gesehen kommt auf 100.000 Geburten ein siamesisches Zwillingspaar. Heute werden die Doppelföten meist bei Ultraschall-Untersuchungen entdeckt und abgetrieben. Die ersten Zwillinge, die weltweit bekannt wurden, weil sie zusammengewachsen waren, war das Brüderpaar Chang und Eng Bunkes, die 1811 in Siam (Thailand) zur Welt kamen. Sie waren von der Brust bis zum Nabel zusammengewachsen. Allerdings meisterten sie ihr Leben so gut es ging und wurden sogar 63 Jahre alt – ein Alter, das bei siamesischen Zwillingen selten vorkommt. Außerdem waren sie beide mit einem Schwesternpaar verheiratet und zeugten insgesamt 22 Kinder.

Die beiden iranischen Frauen, studierte Juristinnen, wollten so ein Leben nicht. Sie einigten sich darauf, die schwere Operation, die von deutschen Ärzten bereits 1996 abgelehnt wurde, da sie zu riskant sei, endlich doch zu wagen. Die Operation war der tiefe Herzenswunsch der Siamesischen Zwillinge. Die Zwillinge waren vor der Operation über das hohe Risiko informiert worden, entschieden sich aber dennoch dafür. Die beiden wollten das Risiko lieber auf sich nehmen, als weiterhin zusammengewachsen zu leben. Doch Ladan und Laleh bezahlten den Traum von der Trennung mit dem Leben. Nach der 52 stündigen Marathon-Operation starb erst Ladan, wenig später auch ihre Schwester Laleh an Blutverlust.

Nun tauchen Fragen auf. Warum wurde dieses Risiko eines weltweit ersten Versuches, erwachsene siamesische Zwillinge zu trennen, die am Kopf zusammen gewachsen sind, von den Ärzten in Singapur eingegangen? Auch sie hatten bereits vor der Operation klare Aussagen gemacht. Sie befürchteten den Tod einer oder beider Zwillinge oder ein Leben als Debile, das kein Leben mehr gewesen wäre für diese äußerst intelligenten Frauen.

Ich glaube, die Zwillingsschwestern und die Ärzte hatten die richtige Entscheidung getroffen. Denn auch so war das Leben für beide wahrscheinlich nicht sehr lebenswert.