Der Schwindel mit den Hormonen

Sigrid Schopfleitner

„Was du nimmst keine Hormone?", fragte mich neulich eine Freundin entsetzt. Wir sind beide in dem Alter, wo sich die Wechseljahre bemerkbar machen. Sie als Krankenschwester schwört natürlich auf Medikamente jeder Art und nimmt auch fleißig ihre Hormone ein. Ich nicht. Sie leidet immer noch unter Hitzewallungen, falls sie einmal damit aussetzt. Ich nicht. Ich ernähre mich hauptsächlich von Gemüse, Obst, trinke viel klares Wasser und mache Ausdauersport. Außerdem entgifte ich meinen Körper des öfteren.

Dass ich mit meiner Eigentherapie recht habe, hat sich nun in einer Studie erwiesen, die die größte und nutzbringendste aller Zeiten sein sollte. Mehr als 16.600 Frauen im Alter zwischen 50 und 79 Jahren waren daran fünf Jahre beteiligt. Nun wurde sie vor einem Jahr vorzeitig abgebrochen. Forscher der „Women’s Health Initiative" (WHI), die diese Versuchsreihe machte, gaben als Grund an, dass Hormone am Nervenkostüm zerren und das Risiko, an lebensbedrohlichen Nebenwirkungen wie Brustkrebs zu erkranken, hatte den therapeutischen Nutzen der Hormonbehandlung deutlich übertroffen. Es wurden noch mehr Wahrheiten über die so stark in Mode gekommenen Kombinationspräparate - Östrogen plus Progesteron - veröffentlicht.

Wie die Studie ergab, gibt es weder einen erkennbaren Schutz vor leichten Altersdemenzen noch vor der gefürchteten Alzheimer-Krankheit. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Von 2.229 hormonbehandelten Frauen hatten 40 nach vier Jahren einen Gedächtnisverlust, während in der gleich großen Placebo-Gruppe nur 21 Frauen davon betroffen waren. Es wird nun vermutet, dass diese Häufung weniger auf neuronale Effekte zurückzuführen ist als auf die Blutgerinnsel fördernde Wirkung der Hormone. Daher wächst das Risiko eines Schlaganfalles bei längerer Einnahme von Hormonen deutlich an.

Deshalb geben verantwortliche Ärzte in letzter Zeit nur noch kurzfristig Hormongaben bei sehr starken Wechseljahr-Beschwerden. Allerdings sollte das Wort kurzfristig wirklich so gemeint sein, denn schon nach einem Jahr können sich erste Anzeichen von Gedächtniseinbußen zeigen.

Auch das Brustkrebsrisiko steigt bei der Einnahme, speziell von Kombinationspräparaten. Zwar in geringerem Ausmaß, ist aber trotzdem etwa anderthalbmal so groß wie bei der Placebogruppe. Allerdings gibt es noch etwas, was bisher verschwiegen wurde. Eine Studie ergab, dass sich den Frauen, die Östrogen plus Progesteron erhielten, die Hormone zwar nicht die Charakteristik der Tumore selbst verändern, dafür aber zu einer rasche Veränderung des Gewebes des umliegenden Brustgewebes führen. Die Früherkennung leidet darunter und die bei hormonbehandelten Frauen häufiger auftretenden aggressiven Tumore werden mit der Mammographie oft zu spät erkannt. Bereits nach einem Jahr war die Zahl der auffälligen Röntgenbefunde mit fast zehn Prozent fast doppelt so hoch wie in der Placebogruppe.

Das verunsichert natürlich Frauen wie auch die Ärzte. Denn diese haben sich auf die Plausibilität biologischer Fakten und die vielversprechenden ersten Studien verlassen. Ersatzöstrogene und -gestagene erschienen als wahrer Segen für Wechseljahrbeschwerden, denn die Hormone, die im Körper der Frauen altersbedingt und meist plötzlich fehlen, sind wirklich oft sehr unangenehm. Mit den künstlichen Hormonen, in entsprechender Dosierung verabreicht, konnte man Hitzewallungen, Schlafstörungen und Herzbeschwerden abfedern, wenn nicht ausschalten. Man erwartete, dass die Gefahr von Knochenschwund und das Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken gemindert wurde. Und dass sie auf die Nervenzellen des Gehirns, die reich an Östrogen-Rezeptoren sind, vor allem jene in den lern- und gedächtnisrelevanten Regionen, eine positive Wirkung ausüben.