E-mail aus München

Von Nicola Hahn

Trau, Stau wem... die Sommerferien haben in den nördlichen Bundesländern sowie u.a. in den Niederlanden begonnen – und damit erblüht auch der Deutschen liebstes Hobby wieder: im Stau stehen. Denn man muss ja „Samstags fahrn, wenn alle fahrn", wie schon Mike Krüger wusste. Und so kam es am vergangenen Wochenende wie jedes Jahr an den üblichen verdächtigen Autobahnabschnitten zu endlosen stehenden Blechlawinen gen Süden.

Ganz Clevere hatten da noch schnell auf die Billig-Airlines wie Ryan-Air oder Air Berlin umgeschwenkt, im Internet oder an den Last-Minute-Schaltern pauschal zugeschlagen – um dann in den ebenfalls endlosen Schlangen am Check-in, ganz ohne Auto, im Stau zu stehen. Angesichts dieser Szenen mag man kaum glauben, dass die Reiselust der Deutschen ungebrochen ist. Doch sogar auf Mallorca, unser aller Lieblingsinsel, stehen noch immer ganze Hotelblöcke leer. Jetzt soll sogar die dort mit großem Tamtam eingeführte Ökosteuer (rund ein Euro pro Tag und Gast) wieder fallen.

Ob die Insel dann tatsächlich sonniger gesehen wird, bleibt fraglich. Denn harte Konkurrenz droht aus dem Osten. Bulgarien etwa bietet sich seit einigen Jahren als (noch) billige Konkurrenz in Sachen Sonne, Sand und Saufen an – und erfreut sich wachsender Beliebtheit, nicht nur bei Ostalgikern aus den Neuen Bundesländern.

Während sich die einen den unausweichlichen Urlaubsspeck anzüchten, sollen Deutschlands Kinder endlich abspecken. Jedenfalls nach dem Willen von Verbraucherministerin Renate Kühnast. Weil inzwischen ein Drittel aller Jugendlichen und 20 Prozent der Kinder zuviel auf den Rippen haben, startet ihr Ministerium nun eine große Kampagne gegen Pommes, Cola und Computer und für Apfel, Tee und Toben.

Das Sommerloch gestopft haben auch weitere Meldungen zum Fall Michel Friedman. Fünf Seiten mit sämtlichen Ermittlungsergebnissen quollen letzte Woche aus dem Fax eines Berliner Pizza-Bäckers und waren tags drauf prompt in der Bildzeitung zu lesen. Eine gezielte Indiskretion der (von Friedman-Freunden oft geschmähten) Staatsanwaltschaft? Nein, eine peinliche Panne seiner eigenen Anwälte. Tja, wer solche Verbündete hat...

Kaum noch Freunde in Deutschland hat Silvio Berlusconi. Italiens Ministerpräsident und Medienmogul mit recht eigenwilliger Rechtsauffassung führte sich als turnusmäßiger EU-Ratspräsident mit einem Eklat ein. Nach Kritik an seiner Politik kanzelte er den deutschen EU-Abgeordneten Martin Schulz mit dem Rat ab, doch eine Rolle als KZ-Aufseher in einem Nazi-Film zu übernehmen. Und setzte noch nach, die würde ganz hervorragend zu Schulz passen. Was das Ganze so richtig pikant machte: Nach heftigsten Protesten bedauerte Berlusconi tags drauf zwar in einem Telefonat mit Kanzler Schröder die Wahl des Begriffes und des Vergleiches. Als dies jedoch (auch international) als Entschuldigung akzeptiert wurde, erklärte der Italiener prompt, so sei das nicht gemeint gewesen.

Entsetzen herrscht auch über einen neuerlichen Fall tödlicher Gewalt an einer deutschen Schule. Ein 16-jähriger Junge erschoss letzten Mittwoch in Coburg erst seine Lehrerin und dann sich selbst vor den Augen seiner Klasse. Und wie im Erfurter Fall haben die Gazetten gleich mal einen Schuldigen ausgemacht: das böse, gewalttätige Fernsehen. Zu dumm, dass die Fahnder nicht gleich noch einschlägige Computerspiele entdeckten, dann wäre zumindest für das Boulevard der Fall geklärt gewesen. Bleibt nur zu hoffen, dass die wahre Ursachenforschung dieses Phänomens für Experten weiter geht, wenn sich die Masse längst der nächsten Sensation zugewendet hat.

Manchmal kommt es ja auch zu späten Einsichten. Völlig überraschend erklärte Altbundeskanzler Helmut Kohl dieser Tage in einem Vortrag: „Natürlich wurden auch im Vollzug der deutschen Einheit Fehler gemacht, nicht zuletzt von mir – in den materiellen Bedingungen wie auch sonst wo."