Willi Netzer

Gewissermaßen ist Willi Netzer wegen des Gewichts nach Thailand gekommen. Nicht wegen seines eigenen, sondern dem seiner Handelsware. Und das ging so:

Während seines Maschinenbau-Studiums sammelte Willi in den Ferien eifrig Mineralien, Fossilien und Halbedelsteine. Viele der Steine kaufte er auf den Märkten von Marokko und verkaufte sie anschließend auf entsprechenden Messen in Deutschland, womit er sich sein Studium finanzieren konnte. Er schleppte gerade seine Kisten voller Steine auf die Messe, als er einen anderen Verkäufer bemerkte, der nur ein kleines Kästchen mit sich herum trug. „Er erklärte mir, dass er mit Edelsteinen handelte und ich wechselte praktisch wegen des Gewichts mein Spezialgebiet", lacht Willi.

Willi Netzer hatte in Idar-Oberstein an Spezialkursen in Mineralogie teilgenommen und wagte sich bald auf der Suche nach Schnäppchen im Edelsteinhandel in die weite Welt hinaus, wobei er sein Studium schnell vergaß. Dabei kam er auch an Asien nicht vorbei und ganz besonders an Bangkok, dessen Chinatown schon damals ein Zentrum des Juwelenhandels war.

Dort erhielt er ein Angebot, in das Geschäft mit der Verarbeitung und den Handel von Edelsteinen einzusteigen und ließ es sich nicht zweimal sagen. Sieben Jahre lebte er in Bangkok und zog dann 1983 nach Pattaya um. Als die Edelsteinbranche 1992 einen Niedergang erlebte, fasste Willi den Entschluss, sich beruflich von den kleinen Steinen weg und sich großen Tieren zuzuwenden. Schon in Bangkok hatte er im Armeeklub wieder mit dem Reiten begonnen und führte dieses Hobby nun in Pattaya fort. „Da ich früher in Sachen Edelsteinen immer unterwegs war, hatte ich in Spanien das Reiten gelernt", sagt er. In Pattaya eröffnete zu dieser Zeit die erste Pferderanch mit aus Australien importierten Pferden und Willi war gleich der erste, der sich auf eines der Tiere setzte. „Nachdem ich nach Pattaya umgezogen war, habe ich immer wieder auf der Ranch ausgeholfen", erinnert er sich. Er ritt die jungen Pferde zu, beschlug ihre Hufe und half bei allen anderen Arbeiten. Und 1992 entschloss er sich eben, seine eigene Ranch zu eröffnen. Auf einem großen Stallgelände an der Straße nach Rayong, Highway 36 bei km 11, stehen jetzt insgesamt 16 Pferde für Reitunterricht und Ausritte durch die schöne, unbewohnte, hügelige Gegend zur Verfügung. Willi unterrichtet teilweise selbst im Dressur- und Springreiten, betreut Pferde anderer Besitzer, züchtet Pferde und reitet sie noch immer selbst zu. „Das geht nicht ganz so schnell und hart wie in den Cowboyfilmen", meint er. „Vor allem muss sich das Pferd an den Menschen und seine Befehle gewöhnen und durch lange Wiederholungen wird es dann gefügig." Willi hat selbst noch nie an Turnieren teilgenommen, „aber beim nächsten bin ich dabei", verspricht er. Besonders interessant ist für ihn die Verschiedenheit seiner Kunden: „Die meisten haben anfangs Angst vor den Tieren und sind vollkommen verkrampft. Doch die Russen und Araber springen einfach drauf und galoppieren herum." Beeindruckt war er von einem Grönländer, der wie ein echter Indianer auf dem Pferd saß ohne die Steigbügel zu berühren und über die Wiesen flog.

Neben seinen Pferden hat Willi jetzt wieder ein neues großes Hobby: die Brieftaubenzucht. Seit 4 Jahren beschäftigt er sich mit den Tauben und nimmt regelmäßig an Rennen teil. „So eine Taube fliegt 120 Kilometer pro Stunde. Schon im Alter von einem Monat kann eine Taube von jedem Ort aus ihren Stall wiederfinden", erklärt er. Gemeinsam mit den Taubenzüchtern aus Bangkok und von der Ostküste organisiert er Turniere, wobei die Tauben im Norden Thailands ausgesetzt werden und die schnellste gewinnt. „Zum Training setze ich meine Tauben etwa 100 Kilometer entfernt aus und versuche dann, vor ihnen zurück zu sein. Das ist gar nicht so einfach", sagt er.

„Ich habe mein ganzes Leben lang meine Hobbys gelebt", freut sich Willi, der das Leben in Thailand genießt. Er hat eine Lebensgefährtin und ist deren 9-jähriger Tochter ein Vater und möchte gern noch sehr lange hier bleiben. „Das Leben hier ist sehr angenehm, sehr preiswert und viel leichter als in Deutschland" sagt er. Vor allem beeindruckt ihn, dass man hier auch ohne formelle Ausbildung alles versuchen und erfolgreich sein kann. „Ich würde mich freuen, wenn alles so bleibt, wie es jetzt ist, denn deshalb sind wir aus Europa ja hierher gekommen", betont er. Vielleicht nehmen sich so manche, die dieses Land immer verändern wollen, an ihm ein Beispiel.