Rechtspraxis in Thailand

Premprecha Dibbayawan, Rechtsanwalt (MCI, Miami Universität) Verwaltungsratspräsident der swissSiam Gruppe

Begnadigungsprozessordnung

Gesetzanpassungen sind unerlässlich

Wie groß der Einfluss der bürokratischen Reform auf die Gesetzgebung und die Aus führungsbestimmungen ist, die am 1. Oktober letzten Jahres in Kraft gesetzt wurden, ist eine Frage, die viele Rechtsgelehrte zur Zeit beschäftigt.

Seit diese Reform Rechtskraft erlangt hat, sind viele Änderungen im Bereich der admini-strativen Organisation, sowie bezüglich der Befehlsgewalten und Zuständigkeiten gemacht worden. So ist neu das Justizministerium für das Departement des Strafvollzuges zuständig, anstelle wie bisher das Innenministerium. Diese Entscheidung macht es dem Inhaftierten unmöglich, um eine Königliche Begnadigung nachzusuchen, wie es durch das geltende Recht geregelt ist, weil die Strafvollzugsbehörde ihre Begnadigungsgesuche mangels einer Gesetzesrevision nicht an das Innenministerium zur Bearbeitung einreichen kann.

Dieser Transfer der Zuständigkeit zwischen den beiden genannten Ministerien benachteiligt nun die Gefangenen und beraubt sie ihrer in der Verfassung verankerten Rechte. Auf Grund vorliegender Situation ist es unerlässlich, eine entsprechende Anpassung der betroffenen Gesetze voranzutreiben. Leider hat, bis dato, niemand die Initiative ergriffen, diesem Misstand Abhilfe zu schaffen. Als Randbemerkung sei erwähnt, dass besagter Handwechsel des Mandates zwischen den beiden Ministerien noch nicht stattgefunden hat.

Als Folgekonsequenz aus dieser Situation ist festzuhalten, dass seit Oktober letzten Jahres kein Gesuch für eine Königliche Begnadigung beim Büro des Privatsekretärs seiner Königlichen Hoheit, eingegangen ist.

Ausnahme bilden Begnadigungsgesuche von Königlichen Hoheiten und von Staatsober-häuptern für deren Landsleute, mit denen Thailand diplomatische Beziehungen unterhält.

Das Problem liegt im Kriminalgesetzverfahren, das nun angepasst werden muss, damit es die Auflagen der bürokratischen Reform erfüllt. Gemä? diesen Auflagen ist nur der Innenminister oder das Kabinett befugt, Begnadigungsgesuche seiner Königlichen Hoheit zu unterbreiten.

Sektion 259 sagt aus: „Eine Person oder eine Partei mit persönlichen Interessen, die verurteilt worden ist, hat nach Abschluss eines Gerichtsfalles und Vorliegen eines bestätigten Gerichtsurteil die Möglichkeit, ein Gesuch um Begnadigung durch seine Königliche Hoheit beim Innenminister einzureichen."

Sektion 260 beschreibt: „Wenn der Gesuchsteller inhaftiert ist, ist das Begnadigungs-gesuch an den zuständigen Gouverneur der Provinz oder an den Gefängnisdirektor, zur Weiterleitung an den Innenminister, zu richten."

Das Gesetz sieht ebenfalls vor, dass, wenn der Straftäter kein Gesuch einreicht, der Innenminister seinerseits die Möglichkeit hat, ein Empfehlungsschreiben um Begnadigung durch seine Königliche Hoheit für den Straftäter einzureichen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Strafakte des Übeltäters einer sorgfältigen Überprüfung unterzogen wird und man zur Überzeugung kommt, dass eine Begnadigung in Betracht gezogen werden könnte.

Mit dem Transfer der Zuständigkeit für die Strafvollzugsbehörde an das Justizministerium ist die Behandlung von Begnadigungsgesuchen so lange unmöglich, bis die entsprechenden Gesetzesergänzungen ratifiziert und in Kraft gesetzt sind. Alle seit 1. Oktober 2002 eingereichten Begnadigungsgesuche an die Strafvollzugsbehörde können in Ermangelung der vorerwähnten Gesetzesanpassungen und Ergänzungen nicht bearbeitet werden. Der Innenminister hat die Kompetenz in Eigeninitiative um Königliche Begnadigung nachzusuchen, kann aber nicht dazu gezwungen werden.

Wie ist dieses Problem zu lösen? Eindeutig durch eine schnellstmögliche Einbringung einer entsprechenden Gesetzesvorlage und deren Inkraftsetzung. Die Ungerechtigkeit dieses Versäumnisses liegt in der Tatsache, dass es den Häftlingen technisch gesehen verboten ist, ihre durch die Verfassung zugesicherten Rechte (Einreichen eines Begnadigungsgesuches) auszuüben. Es ist offensichtlich, dass alle in dieser Angelegenheit zur Frage stehenden Gesetze ergänzt und/oder abgeändert werden müssen. Nur so wird die Voraussetzung geschaffen, die Amtsgewalt betreffend eines Königlichen Begnadigungsgesuches vom Innenminister zum Justizminister transferieren zu können. Das Verfahren, diese Gesetzesergänzungen der neuen Situation anzupassen und von den zuständigen Instanzen gutzuheißen, ist ein zeitaufwendiger Prozess und in der Zwischenzeit bleiben viele Betroffene unnötig eingekerkert.

Da bis anhin noch kein Gesetzesentwurf für die notwendigen Ergänzungen zur Vernehmenslassung eingebracht worden ist, stellt sich eine weitere Frage: „Wie kann der Mangel dieser fehlenden Gesetzeslage bewältigt werden?"

Ausgehend von den heute gültigen Gesetzen gibt es keine rechtlichen Auslegungen oder Bestimmungen, die es den Betroffenen verbietet, ein Gesuch für eine Königliche Begnadigung direkt an Seine Königliche Hoheit zu richten.

Der König war über Jahrhunderte der Zufluchtsort für seine Untertanen in Zeiten von Not, Kummer und Elend gewesen. Es wird berichtet, dass sogar während der Ramkhamhaeng-Herrschaft die Untertanen an einer Glocke an der Vorderseite des Königpalastes läuten konnten, und der Kõnig am Tor erschien und versuchte die präsentierten Probleme seiner Untertanen zu lösen.

Die Zeiten haben sich geändert, aber unsere Verfassung sichert uns zu, dass Seine Königliche Hoheit die Kompetenz hat, Begnadigungen auszusprechen und durchsetzen zu lassen. Hoffen wir, dass die zuständigen Regierungsstellen sich ihrer Verantwortung bewusst sind, und die Verzögerung der zur Frage stehenden Gesetzesänderungen nicht weiterhin die Interessen der Betroffenen nachteilig beeinflusst und sie ihrer durch die Verfassung zugestandenen persönlichen Rechte beraubt.