Auch die eifrigsten Reisenden werden einmal träge. Die
Abenteurer in den Camps der Khmer sehnen sich irgendwann nach einer Dusche und
die Rucksacktouristen wollen nach all den Nächten in den Schlafsälen der
Herbergen auch einmal wieder ein eigenes Hotelzimmer haben. Also entschloss ich
mich, in diesem Monat eine Pauschalreise zu unternehmen und ganz zivilisiert und
organisiert zum Stempeln auf „Visarun" zu fahren. Nach all den mehr oder
weniger abenteuerlichen Individualreisen in unsere geliebten Nachbarländer tat
es gut, die Beine hochzulegen und andere die Formulare ausfüllen zu lassen. Und
der Service ist in Pattaya ja tip top.
Dieser
freundliche Beamte in Zivil erledigt unsere Visaangelegenheiten.
Die Visa- und Einreisegebühren nach Kambodscha betragen
insgesamt 1.100 Baht, welche ich voll und ganz als meine persönliche Spende zur
Entwicklungshilfe verbuchen kann. Ich muss nicht auf eine
Wohltätigkeitsveranstaltung gehen, sondern kann meinen Beitrag gleich beim
Visarun entrichten. So ein „Run" ist eigentlich eine saubere Sache, eine
schnelle Fahrt an die Grenze, kurz die Beine vertreten, die Spenden übergeben
und zurück geht es – er gleicht einem schnellen, ordentlichen chirurgischen
Eingriff in den trägen Fluss der aufeinanderfolgenden Tage eines touristischen
Aufenthaltes in Thailand.
Ich machte mich also auf den Weg nach Poi Pet in Kambodscha.
An jenem Sonntagmorgen goss es in Strömen und als ich vor dem Büro des
Veranstalters ankam, passierte schon das erste Malheur. Ich hatte – sparsam
wie ich bin – die billige Variante gewählt und für 2.000 Baht eine Fahrt im
großen Reisebus gebucht. Aufgrund des starken Regens war dieser allerdings
eingelaufen und wir mussten uns mit einem Minibus begnügen. Ich hatte nur zwei
Mitreisende: einen furchtbar nervösen Italiener, der die ganze Zeit vor sich
hin piff und später aufgeregt hin und her lief, und einen coolen Amerikaner,
der in Bangkok wohnte und sein Visum schon 14 Tage überzogen hatte. „No
Problem". Na mal sehen, dachte ich.
Eine
geschäftige Verbindungsstraße zweier stolzer Staaten.
Wir fuhren aus Pattaya heraus und am Tempel von Khao Mei Kaew
vorbei und dann drei Stunden auf endlos langen, geraden Straßen durch eine
endlose, grüne, fast menschenleere Landschaft bis nach Aranya Prathet. Ich
nehme an, die Rückfahrt verlief genauso ereignisreich, doch ich war vom
Grenzgewusel so erschöpft, dass ich nichts davon mitbekam.
Der Grenzübergang ähnelt eher einem riesigen Marktplatz mit
geschäftigen Händlern, staunenden Touristen und den üblichen Taschendieben
als dem zivilisierten Übergang aus dem Hoheitsgebiet eines stolzen Königreichs
in jenes einer fast ebenso stolzen und nicht mehr ganz sozialistischen
Volksrepublik. Zahlreiche Kinder liefen auf uns zu, um uns mit ihren großen
Regenschirmen vor den dicken Wolken zu bewahren. Die Straße war von den
unzähligen Holzkarren verstopft, welche Nahrungsmittel, Gebrauchsgüter und
Menschen transportierten und von fleißigen Kambodschanern gezogen wurden. Jeder
staugeplagte umweltbewusste Südschweizer würde bei diesem Anblick sicher
gleich über ein Referendum zur Einführung dieser Verkehrsmittel an den
italienischen Grenzübergängen nachdenken.
Aufgrund der komplett organisierten Pauschalreise lagen
unsere Formulare natürlich griffbereit und ausgefüllt vor, so dass der erste
Stempel kein Problem war. Der Amerikaner hatte tatsächlich keine
Schwierigkeiten, er wurde zu einer netten älteren Dame geführt und zahlte
lächelnd seine 2.800 Baht. Dann gaben wir unsere Pässe einem vertrauensvollen
und vertrauenserweckenden freundlichen Beamten in Zivil, welcher sich um die
Formalitäten für unsere Visa für Kambodscha kümmerte. Alles in allem muss
ich sagen, dass mir dieses Detail an der ganzen Reise am wenigsten gefiel. Die
Beamten waren zwar äußerst sparsam und verwendeten für ihre Stempelorgie
schon gebrauchte Seiten meines Passes, aber das Visum für die fünf Minuten
Kambodscha benötigt immer eine ganze Seite. Da wird der Pass schnell abgenutzt.
Unser Beamter stürzte sich ins Gewimmel seiner Kollegen,
während wir gelassen vor dem Einreiseschalter auf unser Visum warteten. Na ja,
nicht ganz so gelassen. Ehrlich gesagt war ich etwas besorgt, so zwischen zwei
souveränen Staaten ohne meinen Europäischen Pass eingeklemmt zu sein. Und der
Italiener lief auch wieder aufgeregt hin und her. Doch ich hätte es wissen
sollen: Alles verlief seinen gut geölten Gang der kambodschanischen
Bürokratie, wir bekamen unser Visum, bezahlten die Einreisegebühr, erhielten
den Einreisestempel, liefen über die Straße, erhielten den Ausreisestempel,
liefen nach Thailand zurück, erhielten den Einreisestempel und saßen bald
wieder im Bus. Ruck zuck, durchorganisiert bis ins kleinste Detail.
Wir entschlossen uns noch, etwas für die lokale Wirtschaft zu tun und in
einem netten Lokal einzukehren. Dann ging es wieder zurück nach Pattaya. Alles
in allem war es eine empfehlenswerte Tour, auch wenn ich von Kambodscha außer
den Grenzbeamten, Handkarrenfahrern, dem großen Landestor und den Außenseiten
der Casinos nichts gesehen habe.