E-mail aus München

Von Nicola Hahn

Wow, war das ein Wochenende. Die Großbildfernseher in den Kneipen waren genauso im Dauerbetrieb wie die Privatapparate. Lauter alte und neue Stars des Sports gab es zu bejubeln. Erstmal konnten wir Rudis Ausraster in Rejkjawik endlich völlig vergessen – das 3 : 0 gegen Island (hierzulande am frühen Samstag Abend) war wirklich eine Erlösung. Und Ballack wurde von Kaiser Franz mit den Worten geadelt: „Wir haben einen Leader gefunden." Darauf noch ein Helles, Kölsch oder Pils – je nach Region.

Mit etwas schwerem Kopf dann am frühen Sonntag die spannende Aufholjagd von Michael Schuhmacher. Wer wollte auf den neuen Formel-1-König schon mit Kaffee anstoßen?! Also nix wie los zum Sieges-Frühschoppen. Den sonnigen Rest des Sonntags schnell verschlafen, um fit für die Fußball-Mädels zu sein.

Da musste man doch einige Namen lernen, um die neuen Weltmeisterinnen auch gebührend auf dem Spielfeld zu verfolgen. Und die machten es ja wirklich spannend (auch wenn es über den Spiel-Stil sehr geteilte Meinungen gibt). Tatsache ist: das 1 : 1 gegen Schweden und damit der erste WM-Sieg für die Damen-Elf machte den Sieger-Taumel in Teutonien perfekt.

Danke Nia Künzer für das Golden Goal. Aber schließlich heißt Nia ja auch Glück (in Botswana, wo die 23-jährige Pädagogik-Studentin als Kind deutscher Entwicklungshelfer zur Welt kam). Und Bettina Wiegmann mit der 10 auf dem Rücken stellte sogar Lothar Matthäus in den Schatten – übertraf dessen Rekord von 42 Einsätzen bei Länderspielen. Für diese Leistungen schüttete der DFB erstmals eine Siegprämie an die Damen aus: insgesamt 21 000 Euro pro Kopf… Da können die männlichen Kollegen zwar nur lachen. Doch auf dem Römer machten die Mädels fast eine bessere Figur, als die Jungs…

Auch Dieter Bohlen hat einen neuen Rekord geschafft. Er ist der erste, der mit einem teilweise geschwärzten Buch auf Platz 1 in die Bestsellerlisten schoss. Für eines der wenigen unzensierten Exemplare von „Hinter den Kulissen" werden inzwischen beim Internet-Auktionator e-bay bis zu 1000 Euro geboten. Ärgern wird den Nestbesudler dabei vor allem, dass dieser Zusatz-Profit nicht in seine eigene Tasche fließt.

Wo er doch in nächster Zeit mit akademischer Konkurrenz rechnen muss. Als ernsthafter Gegenpart zu all den „Superstar"-Shows im TV hat in dieser Woche in Mannheim die erste Pop-Uni des Landes ihre Pforten geöffnet. 54 musikalische Erstsemester füllen dort die Hörsäle, in denen u. a. Banal-Poet Xavier Naidoo („Ich kenne nichts…") und Smudo von den Schwaben-Rappern Fantastische 4 vom harten Musikbrot vor dme hoffnungsvollen Nachwuchs referieren. Die beiden 6-semestrigen Studiengänge nennen sich übrigens hübsch neudeutsch „Musikbusiness" und „Popmusikdesign". Wir warten auf den ersten Dr. Pop…

Erstaunt muss ich in hiesigen Gazetten lesen, dass thailändischer Musikgeschmack noch kurioser ist als deutscher. Es wird berichtet, dass unser Schrill-Bayer Daniel Küblböck mit seinen Quietsche-Liedchen auf Platz 1 der Thai-Charts stehen soll. Also wirklich – ich hatte Sie doch schon vor Wochen vor diesem „Superstar" gewarnt…

Na, da geh ich doch lieber Kunst im Kaufhaus gucken. Nachdem auch die Kunstszene depressiv am Boden liegt, wollen nun Konsumtempel etwas für die Kultur tun. Den Auftakt macht Karstadt in München mit einer Ausstellung Worpsweder Künstler. Paula Modersohn-Becker zwischen Mänteln und Bikinis – das hätte sich die Malerin auch nie träumen lassen.

Apropos träumen: Die ewige Ruhe steht auch zur Diskussion. Nordrhein Westfalen will sein Bestattungsgesetz ändern. Bald soll z. B. die Oma in der Urne auch im heimischen Regal stehen dürfen. Da kann man sich doch mal drüber aufregen, oder?! Da versteht man nämlich wenigstens, um was es geht. Ganz im Gegensatz zu den Änderungen im Sozialgesetz, um die der Bundestag streitet. Da blickt nämlich keiner mehr durch, wer in welcher Partei nun was will. Klar ist nur: alle wollen unser Bestes – unser Geld!