Einfach tierisch

Einfach tierisch: Der 6. Sinn des Pferdes

Das Orientierungsvermögen

Willi Netzer erzählt über Pferde

Wenn Ausreiten zur täglichen Routine wird, macht man sich wohl des öfteren Gedanken über die Fähigkeit der Pferde, im Notfall den Weg auch alleine zurück zu finden.

Bei Pferden, welche die Umgebung so gut kennen wie ich selber, ist dies überhaupt keine Frage. Man merkt dies schon daran, dass bei Wegkreuzungen ein Pferd sich immer für den kürzeren Weg zum Stall entscheiden wird. Dieser Umstand ist jedoch wohl der Tatsache zuzuschreiben, dass Pferde ja bekanntlich ein enormes Erinnerungsvermögen haben.

Was passiert nun, wenn man einem Pferd in einer ihm unbekannten Umgebung dieselbe Entscheidung überlässt? Ich kann mich noch sehr gut an die Anfangszeit meiner hiesigen Ausritte erinnern. Und wir waren tatsächlich einmal in einer Entscheidungsnotlage bezüglich der Richtung des korrekten Heimwegs.

Wir hatten uns, nachdem uns die nähere Umgebung des Stalles zu wenig Herausforderung war, in die unwegsamen Berge des Kau Mai Geo-Naturschutzgebietes gewagt. Dieses ist etwa eine Reitstunde vom Reitstall entfernt und wohl 40 Quadratkilometer groß. Die Gegend ist, abgesehen von einem Tempel, unbewohnt, gut bewaldet und hat jede Menge freiwandernde Rinder. Dies hat den Vorteil, dass es überall Rinderpfade gibt, die allerdings nicht sehr koordiniert verlaufen.

Ein Erinnerungsfoto von dem Ritt ins Ungewisse

Nach drei Stunden auf diesen Rinderpfaden mussten wir uns eingestehen, dass wir in einer „Hänsel und Gretel" Situation waren. Wir waren bereits zwei Mal im Kreis gegangen und den Glauben an unsere menschliche Überlegenheit verloren. Die Pferde hatten offensichtlich auch genug diesem Spiel. Ich gab meinem Pferd die Zügel frei und es zögerte nicht, einen Pfad aus diesem Vielerlei von Pfaden zu wählen.

Als wir endlich aus dem Wald heraus waren, waren wir zwar am falschen Platz, wir konnten aber in der Ferne unser geliebtes Pattaya sehen. Die Richtung hatte also gestimmt, obwohl die Pferde noch nie auf diesem Weg gegangen waren.

Mir war damals aufgefallen, dass mein Pferd wohl öfters mal, ähnlich einem Hund, mit der Nase am Boden war. Ich bin überzeugt, dass der Geruchssinn, genauso wie das Gehör eine nicht unwesentliche Rolle bei der Navigation spielten. Diese Sinnesorgane sind beim Pferd wesentlich ausgeprägter als bei uns und ich könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel der Stallgeruch auch über zehn Kilometer noch für Pferde wahrnehmbar ist. Ein 6. Sinn ist in diesem Falle wohl überflüssig.