Rechtspraxis in Thailand

Premprecha Dibbayawan, Rechtsanwalt (MCI, Miami Universität) Verwaltungsratspräsident der swissSiam Gruppe

Die Polizei ist zur Rechenschaft aufgefordert

Anlässlich seines Geburtstages hat Seine Majestät der König in einer Ansprache am 4. Dezember 2003 an die Regierung und sein Volk auf die mehr als 2500 Toten hingewiesen, die im Frühjahr 2003 im Krieg gegen die Drogen ihr Leben gelassen haben. Es ist bis heute in manchen Fällen noch ungeklärt, wie diese Leute getötet wurden.

Auf dem Höhepunkt dieses Krieges meldeten die Medien täglich, auf der Basis von Polizeirapporten, über viele neue Tote. Diese Berichte bestätigten, dass die Polizei, die von der Regierung herausgegebene Parole, radikal gegen die Drogendealer und Drogenkonsumenten vorzugehen, befolgte. Der Mangel an Toten in direkter Verbindung mit Drogendelikten lässt jedoch den Schluss zu, dass es der Gerichtsbarkeit an Effizienz fehlte und die dafür verantwortlichen Polizeifunktionäre in den einzelnen Provinzen in Ermangelung von „Erfolgen" nicht ausgezeichnet werden konnten. Sie wurden von ihren Vorgesetzten gar als Versager abgestempelt, da sie ihr „Plansoll" nicht erfüllten oder aber der Verfolgung persönlicher Interessen bezichtigt. Staatsangestellte wetteiferten im Krieg gegen die Drogen untereinander um unter den Ersten zu sein, die einen „sauberen" Bezirk aufweisen konnten.

Aufgrund von Berichten, wurden die Morde nicht im Kreuzfeuer mit der Polizei begangen, sondern dass rivalisierende Drogenbosse und Drogenbandenmitglieder sich gegenseitig umbrachten, um Mitwisser über die verbotene Tätigkeit für ewig zum Schweigen zu bringen. Je mehr sich solche Morde häuften, desto weniger wurde darüber berichtet. Die Statistiken über diese Morde (siehe nachstehend) wurden nicht nur von der Öffentlichkeit, diplomatischen Kreisen und den Menschenrechtsorganisationen, sondern auch von der Polizei, mit Schrecken notiert.

Wir wissen bis heute nicht, ob diese Tode und die Hintergründe untersucht und die mutmaßlichen Täter verhaftet wurden oder nicht.

Es muss nun ein sauberes Verfahren eingeleitet werden, um diese Morde zu untersuchen und die Ergebnisse müssen den zuständigen Gerichten zur Abklärung überstellt werden, unter Berücksichtigung der Sektion 150 (Versuch und Befehl) des Kriminalverfahrenskodexes.

In den Fällen wo der Mord oder die Tötung durch einen Beamten begangen wurde, der geltend macht, in Ausübung seiner Pflicht gehandelt zu haben oder der Tod in Haftverwahrung durch einen Beamten verursacht wurde, der geltend macht, in Ausübung seiner Pflicht gehandelt zu haben, muss der Untersuchungsbeamte den entsprechenden Autopsie-Bericht der Staatsanwaltschaft zustellen, damit diese ein Gesuch zur Abklärung an das Gericht der zuständigen Provinz einreichen kann, wo sich der Leichnam befindet.

Das Gesuch dient für die Einleitung eines Prozessverfahrens und der, vom Gericht ausgestellte, Befehl muss folgende Angaben enthalten: Wo der Getötete aufbewahrt ist, Ort und Datum des Schauplatzes, sowie Motiv und die Art und Weise die zum Tode führte. Wenn der Tod durch eine andere Person herbeigeführt wurde, muss der Gerichtsbefehl den Namen, Wohnort und besondere Merkmale der verdächtigten Person, sofern bekannt, enthalten, belegt durch die ermittelten Untersuchungsergebnisse.

Das Gericht hat für seine Ermittlungen die Prozessdaten eines Falles 15 Tage im Voraus bekannt zu geben. Der verantwortliche Untersuchungsbeamte (Staatsanwalt) muss gemäss Paragraph 1 der Prozessordnung, alle Beweise und die Zeugen beibringen, die im Zusammenhang mit dem Tode des Opfers stehen. Die Prozessordnung hält ebenfalls fest, dass der Ehemann, Ehefrau, Mutter, Vater, Geschwister, Verwandte, Vormund, Nachfolger oder legitimierter Gesetzesvertreter des Opfers das Recht haben, ein Gesuch an das Gericht zur Überprüfung der Identität des von Staatsanwalt vorgeschlagenen Zeugen einzureichen, eigene Zeugen vorzuschlagen oder einen Rechtsanwalt zu beauftragen ihre Rechte zu vertreten.

Es stellen sich im vorliegenden „Fall" folgende Fragen: Hat die Polizei und der Staat alles unternommen, um die durch das Gesetz festgelegten Verfahren und Anordnungen durchzusetzen? Wie viele dieser Tötungsdelikte wurden von der Polizei untersucht, und wie viele Autopsien wurden durchgeführt? Haben Hinterbliebene Gesuche zur Aufklärung der Todesfolge der Opfer eingebracht? Die Gerichtsbarkeit hat bis heute keine befriedigenden Angaben gemacht über wie viele Opfer durch eine außergerichtliche Tötung durch die Polizei (extrajudictial killing) hingerichtet wurden, oder bekannt gegeben, wer den Befehl gab die besagten Personen zu töten.

Ein weiterer Punkt betrifft die sogenannten Morde unter den „Führungsspitzen" der Drogenmafia. Solche Morde sind in den Polizeirapporten erklärt, dass die Opfer durch Drogenbosse selber oder deren Adjutanten umgebracht wurden um ihre Identität und Tätigkeit vor dem Gesetz anonym zu halten.

Die Polizei hat nie einen Versuch unternommen solche „Täter" aufzuspûren und zu verhaften, geschweige denn die Hintergründe aufzuklären auf wessen Lohnliste das Opfer stand, und wen das Opfer hätte denunzieren können. Man tut sich deshalb schwer diese Geschichten von imaginären „Hintermännern", die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht existieren, zu glauben. Die Polizei konnte bisher keine dieser Täter verhaften, und mangels an Fakten und Beweisen in diesen Tötungsdelikten wurden diese Fälle erfolglos abgeschlossen.

Aufgerüttelt durch die Rede Seiner Majestät hat die Regierung und die Polizei bekräftigt, alles zu unternehmen um Transparenz und Klarheit in dieser „Angelegenheit" zu schaffen, und die Öffentlichkeit vollumfänglich zu informieren.

Nach dem Motto „besser spät als nie" hat die Polizei nun die Möglichkeit ihren angeschlagenen Ruf zu bereinigen und die Regierung, Thailand gebrandmarktes Image der Tolerierung außergerichtlicher Tötungen durch die Obrigkeit und offenkundige Verstöße gegen die Menschenrechte, ins rechte Licht zu stellen.

Auszug aus der Mord Statistik der Nationalen Polizei (im Dezember 2003)

Eine Analyse der Nationalen Polizei über die Todesfälle und Untersuchungen im Krieg gegen die Drogen und anderer Vergehen vom 1. Februar 2003 bis 30. April 2003 zeigt folgende Daten.

Total wurden im oben genannten Zeitraum in 2.598 Vorfällen, 2.849 Personen getötet.

Ermordungen im Zusammenhang mit Drogendelikten: 1.176 Vorfälle, 1.329 Getötete

Ermordungen ohne Zusammenhang mit Drogendelikten: 1.422 Vorfälle, 1.520 Getötete

Der oberste Polizeichef, General Sant Sarutanond gab anlässlich einer Pressekonferenz im Dezember 2003 zu, dass die Polizei bei 1.164 „Ermordeten" im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Drogen über Motiv und Umstände noch immer im Dunkeln tappe. Ebenso wurden keine Namen und Beweise in den einzelnen Fällen bekannt gegeben, die es den betroffenen Hinterbliebenen der Opfer ermöglichen würde die Angaben der Polizei zu überprüfen und/oder zu hinterfragen.

Hoffen wir im Interesse aller, Regierung, Polizei, Volk und Opfern, dass die Wahrheitsfindung in dieser „Angelegenheit", innerhalb der nützlicher Frist, zu einem positiven Ende gebracht werden kann, und alle Hintergrundinformationen, die zu den Ermordungen führten, offen dargelegt werden.