Rechtspraxis in Thailand

Premprecha Dibbayawan, Rechtsanwalt (MCI, Miami Universität) Verwaltungsratspräsident der swissSiam Gruppe

Kinderkriminalität

Wann ist ein Kind voll zurechnungsfähig für die Konsequenzen seiner Aktionen? Ein Komitee des Justizministeriums vertritt die Ansicht, dass ein Kind unter 13 Jahren für eine kriminelle Straftat nicht angeklagt werden soll. Kindererzieher und Sozialarbeiter sind davon jedoch nicht überzeugt.

Der Vorschlag einer Ergänzung im Gesetzbuch, das Mindestalter eines Kindes von zur Zeit acht Jahren auf 13 Jahre für eine kriminelle Straftat anzuheben, hat bei Rechtsgelehrten und Kinderpädagogen viele Fragen ausgelöst. Die Kardinalfrage lautet: „Mit welchem Alter soll ein Kind als zurechnungsfähig erklärt und für eine kriminelle Straftat angeklagt und bestraft werden können?"

Rechtsanwälte, Sozialhelfer und Vertreter der Kindsrechte befürchten, wenn eine Ergänzung oder Änderung des bestehenden Mindestalters im Kriminalgesetz angenommen und in Kraft gesetzt würde, Kinder dadurch ermutigt werden könnten, Straftaten zu begehen, im Wissen, dass sie dafür nicht strafrechtlich belangt werden können und es daher zu keinem Rehabilitationsprozess führen kann.

Eine weitere Befürchtung besteht darin, dass Erwachsene Kinder für ihre Straftaten missbrauchen könnten. Daher ist in der Gesetzesänderung vorgesehen, dass die wahren Schuldigen verfolgt und bestraft werden, die Kinder für ihre Straftaten missbrauchen, und dafür Sorge getragen wird, dass solche Kinder voll rehabilitiert werden. Die Brisanz der Gesetzesänderung hat das bearbeitende Komitee veranlasst, die Vorlage dem Justizminister zur Begutachtung zu unterbreiten. Das Komitee ist einheitlich der Ansicht, dass das Mindestalter im Kriminalgesetz auf 13 Jahre heraufgesetzt werden sollte, da es überzeugt ist, dass ein Kind unter 13 Jahren nicht voll entwickelt ist, körperlich, geistig und emotionell. Es fehle ihm die Fähigkeit Recht von Unrecht zu unterscheiden und die Konsequenzen seiner Aktionen zu verstehen.

Ein bekannter Dozent der Chulalongkorn Universität widerspricht dieser Aussage. Er argumentiert, dass gemäss seiner langjährigen Erfahrung und Untersuchungen, die meisten Kinder, im Alter von 11 bis 12 Jahren rationell und logisch denken und sehr wohl die Konsequenzen ihrer Aktionen verstehen würden und sie daher in der Lage wären, Recht und Unrecht zu klassifizieren. Er weist darauf hin, dass Kindern in der heutigen Zeit viele Möglichkeit geboten werden durch verschiedenste Medien, Informationen und Anschauungsunterricht zu erhalten, vor allem durch das Fernsehen und dadurch ihr Verstand genügend entwickelt und stimuliert wäre, Verstöße gegen verbotene Drogen, sexuelle Belästigungen usw., als gesetzeswidrig zu begreifen. Er hat jedoch Verständnis für die Obrigkeit, die eine Anhebung des Mindestalters wünscht, vor allem unter Berücksichtigung der Konvention der Kindsrechte der Vereinigten Nationen, die von Thailand mitunterzeichnet wurde. Er regt an, auf Grund der Komplexität dieser vorgesehenen Gesetzeränderung, dass das Komitee des Justizministeriums mehr Experten (Kinderpädagogen, Psychologen und Psychiater) beizieht, um dem Aspekt der Entwicklung des Kindes besser Rechnung zu tragen. Vor allem macht er sich Sorgen um die obdachlosen Kinder, die den größten Risikofaktor darstellen, selbst straffällig oder Opfer von kriminellen Banden zu werden. Solchen obdachlosen Kindern, die in Straftaten verwickelt und aufgegriffen würden, sollten nicht wieder freigelassen, sondern in staatliche Heime eingewiesen werden. Dort sollen sie eine Basisschulausbildung und Sozialhilfe erhalten, um einmal, auf freien Fuß gesetzt, nicht wieder rückfällig zu werden und „überleben" zu können.

Viele Sozialhelfer vertreten die Ansicht, dass, von Kindern unter 13 Jahren begangene Straftaten, auf einer „von Fall zu Fall Basis" behandelt werden sollten. Im Falle von schweren Straftaten, wie zum Beispiel Mord, sollten Kinder, auch unter dem vom Gesetz festgelegten Mindestalter, strafrechtlich verfolgt und abgeurteilt werden. Sie regen an, dass der Staat Hand in Hand mit den Eltern der jungen Straftäter (Kindern) arbeiten sollte. Leider kommen jedoch solche gesetzbrechenden Kinder meistens aus armen und zerrütteten Familienverhältnissen, wo von den Eltern keine Hilfe erwartet werden kann.

Die Kinderförderungsstiftung vertritt die Meinung, dass von jungen Gesetzesbrechern (Kindern) begangene Straftaten, die gemäß Strafordnung mit weniger als drei Jahren Gefängnis geahndet werden, keine rechtlichen Maßnahmen unternommen werden sollten, diese Straftäter jedoch von den Gesetzesvertretern während einer längeren Zeit, und wenn möglich unter Mitwirkung der Eltern, überwacht werden sollten.

Die Öffentlichkeit ist ebenfalls aufgefordert sich zu dieser Gesetzesänderung zu äußern. Rufe zur Überarbeitung und Aktualisierung des Kriminalgesetzes wurden ebenfalls laut, seit bekannt wurde, dass ein neunjähriger Knabe in Bangkok für einen Verstoß gegen das Straßenverkehrsgesetz angeklagt und strafrechtlicht verfolgt wurde. Der Knabe schob sein Fahrrad über eine Straße und wurde dabei von einem Taxifahrer angefahren. Der Knabe wurde wegen seiner Rücksichtslosigkeit, auf einem Fahrrad ohne Klingel und ohne Bremsen zu fahren, sowie unpassender Benützung der Strasse angeklagt. Der Knabe, der sich bei diesem Unfall verletzte, wurde in ein Erziehungsheim eingewiesen. Die Eltern des Knaben beschwerten sich über diese unverhältnismäßige Vorgehensweise der Polizei. Nachdem die Presse diesen Vorfall aufgegriffen und auf ihren Titelseiten publiziert hatte, wurde der Knabe sofort nach Hause entlassen und die Strafverfolgung eingestellt. Die zuständige Polizeistelle erhielt eine scharfe Rüge vom Premierminister über ihre Vorgangsweise und der zuständige Polizeibeamte wurde zwischenzeitlich seines Postens enthoben.

Abschließend ist festzuhalten, dass in vielen zivilisierten Ländern weltweit, Kinder unter 14 Jahren von einer strafrechtlichen Verfolgung ausgeschlossen sind. Das Rechtssystem in Thailand ist in vielen Bereichen veraltet und Bedarf einer dringenden Anpassung und Aktualisierung. Es gilt nun abzuwarten, wie die zuständigen Stellen in Sachen Mindestalter entscheiden werden.