Wann ist ein Kind voll zurechnungsfähig für die
Konsequenzen seiner Aktionen? Ein Komitee des Justizministeriums vertritt
die Ansicht, dass ein Kind unter 13 Jahren für eine kriminelle Straftat
nicht angeklagt werden soll. Kindererzieher und Sozialarbeiter sind davon
jedoch nicht überzeugt.
Der Vorschlag einer Ergänzung im Gesetzbuch, das
Mindestalter eines Kindes von zur Zeit acht Jahren auf 13 Jahre für eine
kriminelle Straftat anzuheben, hat bei Rechtsgelehrten und Kinderpädagogen
viele Fragen ausgelöst. Die Kardinalfrage lautet: „Mit welchem Alter soll ein
Kind als zurechnungsfähig erklärt und für eine kriminelle Straftat angeklagt
und bestraft werden können?"
Rechtsanwälte, Sozialhelfer und Vertreter der Kindsrechte
befürchten, wenn eine Ergänzung oder Änderung des bestehenden Mindestalters
im Kriminalgesetz angenommen und in Kraft gesetzt würde, Kinder dadurch
ermutigt werden könnten, Straftaten zu begehen, im Wissen, dass sie dafür
nicht strafrechtlich belangt werden können und es daher zu keinem
Rehabilitationsprozess führen kann.
Eine weitere Befürchtung besteht darin, dass Erwachsene
Kinder für ihre Straftaten missbrauchen könnten. Daher ist in der
Gesetzesänderung vorgesehen, dass die wahren Schuldigen verfolgt und bestraft
werden, die Kinder für ihre Straftaten missbrauchen, und dafür Sorge getragen
wird, dass solche Kinder voll rehabilitiert werden. Die Brisanz der
Gesetzesänderung hat das bearbeitende Komitee veranlasst, die Vorlage dem
Justizminister zur Begutachtung zu unterbreiten. Das Komitee ist einheitlich der
Ansicht, dass das Mindestalter im Kriminalgesetz auf 13 Jahre heraufgesetzt
werden sollte, da es überzeugt ist, dass ein Kind unter 13 Jahren nicht voll
entwickelt ist, körperlich, geistig und emotionell. Es fehle ihm die Fähigkeit
Recht von Unrecht zu unterscheiden und die Konsequenzen seiner Aktionen zu
verstehen.
Ein bekannter Dozent der Chulalongkorn Universität
widerspricht dieser Aussage. Er argumentiert, dass gemäss seiner langjährigen
Erfahrung und Untersuchungen, die meisten Kinder, im Alter von 11 bis 12 Jahren
rationell und logisch denken und sehr wohl die Konsequenzen ihrer Aktionen
verstehen würden und sie daher in der Lage wären, Recht und Unrecht zu
klassifizieren. Er weist darauf hin, dass Kindern in der heutigen Zeit viele
Möglichkeit geboten werden durch verschiedenste Medien, Informationen und
Anschauungsunterricht zu erhalten, vor allem durch das Fernsehen und dadurch ihr
Verstand genügend entwickelt und stimuliert wäre, Verstöße gegen verbotene
Drogen, sexuelle Belästigungen usw., als gesetzeswidrig zu begreifen. Er hat
jedoch Verständnis für die Obrigkeit, die eine Anhebung des Mindestalters
wünscht, vor allem unter Berücksichtigung der Konvention der Kindsrechte der
Vereinigten Nationen, die von Thailand mitunterzeichnet wurde. Er regt an, auf
Grund der Komplexität dieser vorgesehenen Gesetzeränderung, dass das Komitee
des Justizministeriums mehr Experten (Kinderpädagogen, Psychologen und
Psychiater) beizieht, um dem Aspekt der Entwicklung des Kindes besser Rechnung
zu tragen. Vor allem macht er sich Sorgen um die obdachlosen Kinder, die den
größten Risikofaktor darstellen, selbst straffällig oder Opfer von
kriminellen Banden zu werden. Solchen obdachlosen Kindern, die in Straftaten
verwickelt und aufgegriffen würden, sollten nicht wieder freigelassen, sondern
in staatliche Heime eingewiesen werden. Dort sollen sie eine
Basisschulausbildung und Sozialhilfe erhalten, um einmal, auf freien Fuß
gesetzt, nicht wieder rückfällig zu werden und „überleben" zu können.
Viele Sozialhelfer vertreten die Ansicht, dass, von Kindern
unter 13 Jahren begangene Straftaten, auf einer „von Fall zu Fall Basis"
behandelt werden sollten. Im Falle von schweren Straftaten, wie zum Beispiel
Mord, sollten Kinder, auch unter dem vom Gesetz festgelegten Mindestalter,
strafrechtlich verfolgt und abgeurteilt werden. Sie regen an, dass der Staat
Hand in Hand mit den Eltern der jungen Straftäter (Kindern) arbeiten sollte.
Leider kommen jedoch solche gesetzbrechenden Kinder meistens aus armen und
zerrütteten Familienverhältnissen, wo von den Eltern keine Hilfe erwartet
werden kann.
Die Kinderförderungsstiftung vertritt die Meinung, dass von
jungen Gesetzesbrechern (Kindern) begangene Straftaten, die gemäß Strafordnung
mit weniger als drei Jahren Gefängnis geahndet werden, keine rechtlichen
Maßnahmen unternommen werden sollten, diese Straftäter jedoch von den
Gesetzesvertretern während einer längeren Zeit, und wenn möglich unter
Mitwirkung der Eltern, überwacht werden sollten.
Die Öffentlichkeit ist ebenfalls aufgefordert sich zu dieser
Gesetzesänderung zu äußern. Rufe zur Überarbeitung und Aktualisierung des
Kriminalgesetzes wurden ebenfalls laut, seit bekannt wurde, dass ein
neunjähriger Knabe in Bangkok für einen Verstoß gegen das
Straßenverkehrsgesetz angeklagt und strafrechtlicht verfolgt wurde. Der Knabe
schob sein Fahrrad über eine Straße und wurde dabei von einem Taxifahrer
angefahren. Der Knabe wurde wegen seiner Rücksichtslosigkeit, auf einem Fahrrad
ohne Klingel und ohne Bremsen zu fahren, sowie unpassender Benützung der
Strasse angeklagt. Der Knabe, der sich bei diesem Unfall verletzte, wurde in ein
Erziehungsheim eingewiesen. Die Eltern des Knaben beschwerten sich über diese
unverhältnismäßige Vorgehensweise der Polizei. Nachdem die Presse diesen
Vorfall aufgegriffen und auf ihren Titelseiten publiziert hatte, wurde der Knabe
sofort nach Hause entlassen und die Strafverfolgung eingestellt. Die zuständige
Polizeistelle erhielt eine scharfe Rüge vom Premierminister über ihre
Vorgangsweise und der zuständige Polizeibeamte wurde zwischenzeitlich seines
Postens enthoben.
Abschließend ist festzuhalten, dass in vielen zivilisierten
Ländern weltweit, Kinder unter 14 Jahren von einer strafrechtlichen Verfolgung
ausgeschlossen sind. Das Rechtssystem in Thailand ist in vielen Bereichen
veraltet und Bedarf einer dringenden Anpassung und Aktualisierung. Es gilt nun
abzuwarten, wie die zuständigen Stellen in Sachen Mindestalter entscheiden
werden.