Franz Schmid
Vor einigen Jahren hat der deutsche Politologe und
Schriftsteller Arnulf Baring sich mit einem Phänomen in Deutschland
auseinandergesetzt, welches gerade nach der Wiedervereinigung immer mehr um
sich gegriffen hatte. Unter dem Titel „Die Deutschen – ein Volk in
Moll" beschrieb er auf ironisch-kritische Weise die Gefühlslage der
Jammerossis und –wessis. Das Paradoxe an der ganzen Sache war, dass die
Leute sich um so mehr beklagten, je besser es ihnen ging. Subjektive
Befindlichkeit und objektive Tatsachen sind nun einmal zwei gänzlich
verschiedene Dinge.
Hier in Thailand fühlt man sich manchmal an dieses Buch
und die Gefühlslage dieser Mitmenschen erinnert, wenn man sich mit einigen
unserer Landsleute unterhält. Nun soll hier um Gottes Willen nichts schön
geredet werden. Es gibt in diesem Lande für uns Farangs genug Dinge,
worüber man sich zurecht aufregen und ärgern kann. Doch von denjenigen,
die hier um ihre nackte Existenz kämpfen, wie beispielsweise einige durch
die Hühnergrippe arg gebeutelte Gastwirte, hört man erstaunlich wenig. Es
geht auch vielmehr um die Art und Weise, wie man sich zu den Dingen
verhält. Sicher kann ich von einem Touristen, der zum ersten Mal hier ist
und vielleicht auch kein Wort Englisch kann, nicht verlangen, dass er die
Feinheiten der thailändischen Kultur und Sitten versteht. Dies gelingt auch
alteingesessenen Farangs nach Jahrzehnten nicht. Und es wird auch niemand
der maßlosen Übertreibung bezichtigt, wenn er das Verkehrschaos oder die
raubritterähnlichen Verhaltensweisen der Bahttaxis anprangert.
Doch wenn dies hier alles so schrecklich ist, warum
kommen jährlich Millionen Touristen aus den Industrieländern nach Pattaya?
Warum wohnen, leben und arbeiten Tausende von Farangs allein in diesem
ehemaligen Fischerdorf? Mit Sicherheit gibt es einige, die sich in ihrem
Heimatland nicht mehr blicken lassen können, doch für die große Mehrheit
gilt doch, dass man sich hier wohler fühlt als in Deutschland, England oder
sonst wo in Europa.
Doch leider gibt es unter manchen Deutschen, die als
Langzeittouristen oder Geschäftsleute an der Ostküste leben eine
lautstarke Minderheit, die sich über alles und jeden beschwert und denen
nichts gut genug ist. Da wird gemeckert, dass es in der alten Stammkneipe
auf einmal kein deutsches Bier mehr (für einige scheint dies ein
überlebenswichtiges Element zu sein) gibt oder dass das Hotel jetzt statt
fünfhundert auf einmal sechshundert Baht kostet. Auch an den Einheimischen
wird kein gutes Haar gelassen. Entweder sind sie zu dumm, zu faul, zu
langsam und auf jeden Fall zu ungebildet, da sie ja alle kein Deutsch
sprechen. Alles ist zu teuer, zu dreckig und zu veraltet. Da fragt man sich,
warum sind diese Leute eigentlich noch hier. Es fällt auf, dass die
Nörgler und Jammerer entweder zu denen gehören, die überhaupt keiner
Tätigkeit nachgehen – also scheint das Jammern eine Art
Ersatzbefriedigung zu sein – oder es sind diejenigen, bei denen man
Zweifel hat, ob sie jemals wieder ungestraft deutschen Boden betreten
können.
Es sollen hier zwei Lanzen gebrochen werden: Einmal für
das Land, indem wir momentan leben und vielleicht auch arbeiten. Trotz aller
erkennbarer Fehler und Schwächen ist es ein liebenswertes und sympathisches
Land mit freundlichen Menschen, die eben nun einmal einen anderen
kulturellen Hintergrund haben als wir. Und zum anderen für alle die
Deutschen, die hier tagein tagaus fleißig arbeiten, gute Werke tun und
trotz aller objektiv vorhandenen Widrigkeiten nicht in die Jammerorgie
einstimmen, weil sie wahrscheinlich gar keine Zeit dazu haben.