Einfach tierisch

Die Psychologie der Pferde

Willi Netzer erzählt über Pferde

Hinter der allgemein populären Einschätzung des Pferdes als tapfer, couragiert und arbeitswillig, verbirgt sich in Wirklichkeit ein eher nervöses, vorsichtiges, in gewisser Weise auch zum Nichtstun neigendes Tier. Sich selbst überlassen, genießt es ein ruhiges zurückgezogenes Dasein und auch jahrelanges Training und Domestizierung ändern nichts an seiner wahren Natur und dem Hang zur Unabhängigkeit. Sein unterwürfiges Verhalten gegenüber Menschen ist in der Tat nichts mehr als ein Kompromiss mit sich selber, mit dem Vorteil von Schutz und Sicherheit.

Ein Pferd in Furcht wird schon mal schlagen oder beißen, es wird aber in einer Situation von echter Gefahr wohl eher davonrennen. Diese Reaktion ist in einer Kavallerieattacke gut erkennbar, in der Pferde mit Bravour gewürdigt werden, wenn sie in die gegnerischen Linien regelrecht hineindonnern.

In der Tat sind die Pferde aber in Panik bei all dem Lärm und Donnern um sie und in der fälschlichen Annahme, die Gefahr käme von hinten, flüchten sie dann nach vorne, um sich in Sicherheit zu bringen.

Wie intelligent ist ein Pferd?

Abgesehen von seiner zurückhaltenden und eher ängstlichen Natur, zeigt das Pferd eine gewisse Intelligenz und Feinfühligkeit. Im Grunde arglos, vergisst es jedoch ungern Grausamkeit und erinnert sich auch nach Jahren noch an alles, was es mit Schmerz und Leiden in Verbindung bringt. Seine Beziehung zum Menschen muss auf Vertrauen basieren. Es ist absolut unumgänglich für eine Bezugsperson, firm und entscheidungsfähig und gleichzeitig auch aufmerksam und rücksichtsvoll zu sein, da das Pferd in ihr Schutz und Sicherheit sieht.

Pferde, nicht unähnlich uns Menschen, haben alle ihre persönlichen Charaktereigenschaften, die vereint die individuelle Persönlichkeit bestimmen. Ein Pferd kann demnach apathisch, neugierig, großzügig, aggressiv, uninteressiert, folgsam oder auch stur sein. Pferde zeigen auch eine ganze Reihe von Gefühlen wie Liebe, Hass, Eifersucht, Dankbarkeit, Zuneigung, Ablehnung und auch manchmal eine gewisse Falschheit.

Es interpretiert die Absicht und Stimmung des Menschen vom Ton und der Schärfe seiner Stimme.

Werden Pferde gefordert, wie zum Beispiel auf der Rennbahn, kommen all diese Charaktereigenschaften sehr schön zum Vorschein. Es gibt den kämpferischen Typ, der sich nur ungern im Rennen schlagen lässt. Andere sind eher etwas lethargisch und brauchen ununterbrochen Aufmunterung, und dann sind da auch jene, die sehr schnell aufgeben, sobald ein anderes Pferd sie überholt.

Letztendlich gibt es auch den Typ, der immer vorne wegsein will, ganz egal in welcher Gangart. Mir persönlich der allerliebste.