Warum das alles?

Franz Schmid

Die Bilder aus Haiti gingen um die Welt. Wie es bei solchen gewaltsamen politischen Umstürzen schon leider üblich ist, gingen die Kontrahenten mit äußerster Grausamkeit aufeinander los. Ein bei lebendigem Leibe verbrannter Haitianer, der nur im Verdacht stand, ein Anhänger des gestürzten Präsidenten Aristide zu sein, ist nur ein weiteres Beispiel in der Kette von Gewalt und Grausamkeiten, die sich Menschen gegenseitig antun.

Doch Haiti ist nur ein Exempel aus der Reihe von Scheußlichkeiten, zu denen Menschen fähig sind. Man braucht eigentlich nur die Nachrichten anzuschalten und man könnte meinen, dass wir in einem Tollhaus leben. Im Irak gehen jeden Tag Bomben hoch, Israel und die Palästinenser bekämpfen sich jeden Tag bis aufs Messer, in Afrika toben blutige Kriege, die man schon gar nicht mehr wahrnimmt. So wähnt man sich in Europa und Nordamerika und hier in Thailand auf einer Insel der Seligen.

Doch ist dem wirklich so? Erst vor wenigen Jahren veranstalteten die Serben einen blutigen Genozid auf dem Balkan und an die Verbrechen des vergangenen Jahrhunderst, wo auch wir Deutsche uns unrühmlich hervortraten, braucht man schon gar nicht mehr zu erinnern. Dass in Europa Jahrhunderte lang schreckliche Kriege stattfanden – allen voran der Dreißigjährige Krieg – ist schon fast in Vergessenheit geraten. Und auch im sonnigen Thailand werden die blutigen Unruhen immer mehr. Harmlose Spaziergänger von Fanatikern mit der Machete abgeschlachtet, Schulen in die Luft gesprengt.

Es ist also keine Eigenart fremder Rassen oder Völker, sondern es ist dem Menschengeschlecht scheinbar eingegeben, dass man sich zu gewissen Zeiten und unter gewissen Umständen gegenseitig furchtbar quält. Woran das eigentlich liegt, kann man nur schwer ermessen.

Im Tierreich kommen solche unnötigen Grausamkeiten eigentlich nicht vor. Tiere töten, um zu überleben, das mag für den außenstehenden Beobachter manchmal schrecklich anzusehen sein, doch ist eigentlich nicht feststellbar, dass Tiere irgendeinen Gewinn daraus ziehen, wenn sie sich gegenseitig schreckliche Dinge antun. Der berühmte Verhaltensforscher Konrad Lorenz hat für solche Fälle deshalb von einer biologischen Fehlfunktion des Menschen gesprochen. Er vermutete, dass Menschen, die solche Taten begehen, irgendwelche genetischen Fehler haben, die mit dem ursprünglichen biologischen Verhaltensmuster nicht übereinstimmen. Der berühmte Philosoph Arnold Gehlen sprach sich dafür aus, dass die Menschen für immer an harte, außerrationale Werte gebunden sein müssen, damit sie nicht ihren niederen Trieben und Instinkten folgen sollten und diese Gemeinheiten begehen können. Beide Auffassungen haben etwas für sich, doch in ihrer Absolutheit würden sie nur zu neuen Katastrophen und Irrtümern führen.

Der Weg der Aufklärung und der Toleranz wird weiter beschritten werden müssen, sonst wird die Menschheit wirklich noch einmal im Dunkel eines neuen Mittelalters enden. Global betrachtet, gibt es Anlass zur Hoffnung, man braucht sich nur an den glücklichen Ausgang des Kalten Krieges zu erinnern, der auch ganz anders hätte ausgehen können. Doch solange es Menschen gibt, wird dieses „Mittelding zwischen Engeln und Vieh" zu Großem und Schönen, aber auch zu Schrecklichem in der Lage sein. Es gilt deshalb wachsam zu sein und solche Vorkommnisse schon im Keim zu ersticken, bevor es zu spät ist. Denn irgendwann einmal könnte es zu spät sein und dieser Planet wird menschenleer durchs Weltall rasen.