Verhältnismäßigkeiten

Franz Schmid

Die Bilder millionenfach getöteter Hühner sind uns allen noch in Erinnerung. Auch die täglichen Schlagzeilen in den Medien über die Ausbreitung und die Gefahren der Vogelgrippe werden noch lange im Gedächtnis haften bleiben. Und natürlich sind die menschlichen Todesopfer dieser gefährlichen Seuche nicht vergessen.

Doch sollte man sich bei aller Vorsicht im Hinblick auf die Krankheit und Anteilnahme gegenüber den bedauernswerten Menschen, die dieser Seuche erlagen, eines vor Augen führen: In ganz Asien hat es weniger als 50 Tote gegeben. Man erinnere sich, die SARS Krise hatte allein in China Menschenleben in dreistelliger Höhe gefordert.

Aber wenn man sich den Blätterwald in Europa und insbesondere in Deutschland anschaut, der sich in dieser Zeit mit der Krise befasst hat, könnte man denken, dass der Weltuntergang unmittelbar bevorsteht und jeder noch schnell sein Apfelbäumchen pflanzen sollte.

Um es gleich zu sagen, es soll hier nichts beschönigt oder heruntergespielt werden. Diesen Fehler haben andere schon gemacht und damit viel Unheil angerichtet. Doch genauso wenig sind Hysterie und Panikmache hilfreich und da sind wir Deutsche leider viel zu oft der unrühmliche Vorreiter.

Es sollen hier nur einmal ein paar Zahlen herhalten, um die Situation objektiv zu beleuchten: In Ostasien leben etwa drei Milliarden Menschen. Weniger als eine halbe Hundertschaft ist leider dem Vogelgrippevirus erlegen.

Wie schon gesagt, jeder einzelne Tote ist zuviel, doch lässt sich der Anteil der Todesopfer noch nicht einmal in Promille ausdrücken. Alleine in Pattaya sterben pro Woche mehrere Menschen durch Verkehrsunfälle und Gewaltverbrechen. Bis jetzt ist Gott sei Dank noch niemand auf die Idee gekommen, dies publizistisch so auszuschlachten wie die Vogelgrippenkrise.

Wäre dem so, dann müsste der unbedarfte Leser auf den Gedanken kommen, dass in diesem Teil Südostasiens der Dritte Weltkrieg mit endzeitlicher Konsequenz ausgebrochen ist.

Was nötig ist, sind Augenmaß und Sachlichkeit bei jedweder Art von Berichterstattung. Es ist gewiss nicht leicht, den Mittelweg zwischen Hysterie und Herunterspielen zu finden, doch jeder verantwortungsvolle Journalist sollte sich über die Konsequenzen seiner Artikel im Klaren sein.

Eine umfassende Aufklärung über die Gefahren solcher Vorkommnisse – und leider wird es sie immer wieder geben- tut absolut not. Doch genauso wichtig ist auch, darauf hinzuweisen, dass es bestimmte Schutzmechanismen gibt und es beispielsweise für Viren nicht möglich ist, bestimmte Temperaturen überleben.

Viele Geflügelzüchter sind in den Ruin getrieben worden, die Tourismusindustrie, die sich nach SARS und 9/11 gerade wieder erholt hatte, wurde wiederum angeschlagen und auch viele unserer hier lebenden Landsleute wurden hart getroffen, einige sogar in den Ruin getrieben. Natürlich liegt dies nicht alleine an der Ängste schürenden Berichterstattung einiger deutscher Zeitungen, aber deren Beiträge waren durchaus nicht immer hilfreich.

Der alte Grundsatz wonach nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind („only bad news are good news") sollte bei einem verantwortungsvollen Journalismus nicht gelten. Es muss alles auf den Tisch, auch die guten Seiten. Dies scheint man in Deutschland bei gewissen Zeitungen leider manchmal zu vergessen.