Abhängigkeit

Franz Schmid

Wieder einmal fällt der Strom aus. Gerade hat man zwei Stunden an einer wichtigen Sache mit dem Computer gearbeitet und im Eifer des Gefechts das Sichern der Daten vergessen. Am liebsten möchte man den Bildschirm einschlagen und die verfluchte Apparatur aus dem Fenster werden.

Es ist schon das zweite Mal in dieser Woche, dass so etwas passiert und man kann sich nun wieder auf einen längeren arbeitsamen Abend einrichten. Blöde Technik, denkt man leise grummelnd und macht sich mühsam daran, die unterbrochene Arbeit fortzusetzen.

Eigentlich konnte so etwas früher ja nicht passieren. Aber wie war das eigentlich, dieses früher, diese Zeit vor Computern, Laptops, CDs und Floppydisks? Wie haben wir denn damals gearbeitet? Wie lange? Und wie gut?

Es ist eine nicht zu bestreitende Tatsache, dass die Technisierung der Welt den Menschen das Leben einfacher und angenehmer macht. Die Probleme, die aus diesem Fakt entstehen, sind keine Probleme einer übertriebenen Technik; die Probleme entstehen durch den Ausfall einer solchen.

Als vor über einem Jahr in weiten Teilen der USA und Kanadas der Strom ausfiel, da hat man auf einmal gespürt, wie abhängig der einzelne Mensch vom reibungslosen Funktionieren der Technik geworden ist.

Unsere Gesellschaften werden von Tag zu Tag komplexer und durchorganisierter. Man kann diesen Umstand bedauern, begrüßen oder verdammen, aber an dieser Tatsache kommt keiner vorbei. Doch wie dem begegnen und wie sich wappnen gegen die Unzulänglichkeiten der (menschlichen) Technik? Da gibt es eine kleine radikale Gruppe, die die revolutionäre Umkehr zurück zur Natur fordert.

Diese Gruppierung ist in der Regel nicht besonders zahlreich, dafür des öfteren um so lautstärker und manchmal auch radikaler. Doch was würde dies bedeuten? Es gäbe keinen Strom mehr für Kühlschränke, Elektroöfen, Fernseher, Radios und was es nicht sonst noch allen technischen Wunderwerken gibt.

Kluge Leute haben einmal errechnet, dass der komplette Ausfall des Stromnetzes in Deutschland ohne jeglichen Ersatz binnen einer Woche den Tod von zwei Millionen Menschen zur Folge hätte.

Auf den ersten Blick mag diese Zahl übertrieben klingen, doch stelle man sich nur einmal folgendes vor: die Babys in den Brutkästen könnten nicht überleben, die Menschen in den Intensivstationen ebenfalls nicht. Rettungsdienste könnten im Notfall nicht mehr angerufen werden.

Es wird nicht genug Nahrung geben, da die Kühlkette unterbrochen wird, Wasser ist nicht mehr in den Häusern verfügbar, es gibt keine Straßenbeleuchtung mehr, es gibt keinen Verkehr mehr. Soll man das Horrorszenario noch weiter ausmalen? Also vergisst man am Besten die natur- und sozialromantischen Vorstellungen. Heißt das nun blindes Vertrauen in die allmächtig scheinende Technik zu haben?

Auch dies wäre der falsche Weg. Doch was kann ein Einzelner tun, der noch nicht einmal weiß, wie ein simples Radio funktioniert? Die Antwort kann nur lauten: Sicherungen einbauen, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne.

Das geht von Notfallpaketen im Haushalt bis zu UPS Geräten am Computer. Es gibt die Möglichkeit, sich selbst in Kursen und Bildungsangeboten über einfachere technische Vorgänge schlau zu machen. Und vielleicht sollte man, wenn man weiß, dass ab und zu einmal der Strom ausfallen könnte, die Erzeugnisse seiner geistigen Arbeit doch von Zeit zu Zeit sichern.