Fett ist schön

Franz Schmid

Es gibt Menschen, die behaupten, dass das gesellschaftliche und soziale Leben in Thailand auf drei Prinzipien aufgebaut ist, die in der thailändischen Sprache alle mit „S" anfangen: „Sabai" (gut), „Sanuk" (Spaß und Vergnügen) und „Suai" (Schönheit).

Das erste ist gekennzeichnet durch das schon fast zwanghafte Streben nach Harmonie und Eintracht in allen Lebensbereichen. Sanuk und seine Auswüchse konnte man erst vor kurzem beim überschäumenden Songkran erleben und erleiden. Und das letztere begegnet einem hier auf Schritt und Tritt. Es gibt Schönheitssalons, Wellness Center und Schönheitskliniken. Die Zahl der Schönheitswettbewerbe geht in die Dutzende, wenn nicht sogar Hunderte. Die beiden letzten Großereignisse im Alcazar und Tiffany legen ein beredtes Zeugnis ab, dass Schönheit in diesem Land vor den Geschlechtergrenzen nicht Halt macht. Und die Geschäftswelt schmückt sich – sei es der Autosalon oder die Eröffnung eines neuen Einkaufszentrums – mit Legionen hübscher und schlanker Menschen, meist weiblichen Geschlechts, um die (Einkaufs)Lust anzustacheln.

Und damit sind wir schon beim Stichwort. Der Schlankheitswahn hat auch das Königreich mittlerweile voll und ganz erfasst. Wer ein paar Pfunde zu viel hat, hungert sie sich runter, quält sie sich im Studio bei schweißtreibender Tätigkeit ab oder lässt sich diese einfach absaugen. Doch was ist mit all den bedauernswerten Menschen, die entweder nicht über die Zeit, die finanziellen Mittel oder ganz einfach den Durchhaltewillen verfügen, diesem gesellschaftlich akzeptierten Ideal gerecht zu werden? Es hat Fälle gegeben, in denen Menschen – meist Frauen – wegen ihrer Korpulenz keine Anstellung erhielten oder diese erst in einem langwierigen Prozess einklagen mussten. Dicke werden gesellschaftlich geächtet, haben weniger Aufstiegschancen und auch bei der Partnerwahl stoßen sie auf größere Hindernisse als ihre weniger wohlbeleibten Zeitgenossen. Ein Grund zu resignieren und sich in das Unvermeidliche zu fügen? Weit gefehlt. Auch für diejenigen mit den paar Pfunden zuviel, gibt es Hoffnung auf soziale Akzeptanz.

Vor kurzem erst fand in der Nähe von Bangkok ein Jumbo Schönheitswettbewerb statt. Viele wohlbeleibte Damen aus allen Winkeln des Königreiches stritten um die Krone der schönsten dicken Frau. Das Ganze fand großen Anklang und nicht nur in diesem Land. Wer sagt denn eigentlich, dass schön immer schlank heißen muss? Es gab Zeiten, in denen die Körperrundungen durchaus als Schönheitsideal galten. Man braucht sich nur einmal an die Bilder eines Rubens zu erinnern. Und wer weiß denn schon, dass man im Zeitalter des Barock Waden- und Hüftpolster verwendete, um sein Äußeres für sich und seien Mitmenschen attraktiver zu machen. Die Schlankheit ist ein Diktat der Mode- und Unterhaltungsindustrie, welches so richtig erst nach in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zum Vorschein kam. Nun soll auf keinen Fall die Fettleibigkeit als Schönheits- oder gar Gesundheitsideal propagiert werden. Auf die Gefahren der Übergewichtigkeit für unser körperliches Wohlbefinden werden wir zu Recht oft genug hingewiesen. Doch man sollte auch akzeptieren, dass jeder Mensch auch körperlich verschieden veranlagt ist und sich durchaus mit ein paar Rundungen mehr wohler fühlt als manch ausgehungertes Model. Und es gibt auch genug Menschen, die dies attraktiv finden. Und somit schließt sich wieder der Kreis von „Sabai", „Sanuk" und „Suai". Jedem das Seine.