Fortschritt

Franz Schmid

Vertreter der Regierung, Diplomaten, Geschäftsleute und Otto Normalverbraucher waren voll des Lobes über die ersten Testfahrten der neuen U-Bahn Bangkoks, die helfen soll, die weit über die Grenzen Thailands hinaus bekannten und berüchtigten Verkehrsstaus zu lindern. Niemand wird erwarten, dass nach der lang ersehnten Eröffnung der Untergrundbahn am 12. August die Blechschlangen wie durch ein Wunder von der Straße verschwunden sein werden, doch dürfte sich für Hunderttausende von Bangkoks Einwohnern die Lebensqualität spürbar verbessern.

Sie müssen nicht mehr in aller Herrgottsfrühe aufstehen und sich stundenlang durch den Stau quälen, um rechtzeitig zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen. Ganz zu schweigen davon, dass sich diese vermaledeite Prozedur am Abend in der entgegengesetzten Richtung wiederholt.

Wer erinnert sich denn noch der schrecklichen, gar nicht allzu lange zurückliegenden Zeiten, als es in Bangkok weder die gebührenpflichtigen „Expressways" und „Fly-overs", geschweige denn die Hochbahn gegeben hat.

Fahrtzeiten von drei bis vier Stunden in die Silom oder Sukhumvit Road an Werktagen waren eher die Regel als die Ausnahme, wenn man aus Thonburi kam. Grotesker Auswuchs dieses verkehrspolitischen Wahnsinns waren die sogenannten Pullerflaschen für Autofahrer, damit man auch während eines vielstündigen Staus seine Notdurft im geliebten Vehikel erledigen konnte. Und auch nach Einführung der Hochbahn hat es eine ganze Zeit gedauert bis es sich in den Köpfen der Menschen durchgesetzt hatte, dass es doch wesentlich angenehmer ist, im wohltemperierten Waggon über den Blechlawinen zu schweben, anstatt wertvolle Lebenszeit in seiner Karosse zu verschwenden.

Damit keine Missverständnisse aufkommen, es soll hier nicht generell Front gegen das Automobil gemacht werden. Es wird auch in Zukunft noch gebraucht werden und wird eine wichtige Rolle im Verkehr spielen. Es geht vielmehr um die intelligente Nutzung dieses Vehikels. Und darum, wie die verschiedenen Verkehrssysteme so ineinander verwoben werden können, dass ein größtmöglicher Nutzen für Mensch und Umwelt dabei herauskommt. Was spricht denn beispielsweise dagegen, dass man einheitliche Tickets für U-Bahn, Hochbahn und bestimmte Buslinien schafft? Oder dass man für „Park & Ride" Benutzer einen Bonus bereithält?

Ein schneller Ausbau der beiden neuesten Verkehrssysteme tut dringend not. Man braucht nur einen täglichen Blick auf die Brücken zwischen Thonburi und Bangkok zu werfen, um zu wissen, wo man als nächstes den Hebel ansetzen sollte. Doch Handlungsbedarf besteht auch beim Verkehr ins nähere und weitere Umland. Die Fahrten mit dem Bus von Bangkok nach Pattaya und umgekehrt sind sehr preisgünstig und relativ bequem, allerdings gibt es da immer wieder das Nadelöhr Bang Na, wo sich der Verkehr jedes Mal staut.

Ist es zuviel verlangt, wenn man anregt, dass die mautpflichtige Autobahn bis zur Sukhumvit herangeführt werden möge? Oder um sich zu einem ganz kühnen Gedanken zu versteigen: Könnte man das BTS System denn nicht von Bangkok über Chonburi bis nach Pattaya hinein führen? Dankbare Konsumenten gäbe es genug, die auch angemessene Preise dafür bezahlen würden. Und um es auf den Punkt zu bringen: Hier in Pattaya liegt verkehrpolitisch vieles im Argen.

Auf die unbefriedigende Diskussion über öffentliche Verkehrssysteme und Bahttaxis soll hier nicht eingegangen werden. Doch könnte sich das Urlaubsparadies hier ein Beispiel an der Hauptstadt nehmen. Oder müssen die Staus erst so heftig werden, dass die Touristen ausbleiben? Ein öffentliches Verkehrsnetz mit Anbindungen an die Nachbarstädte und bis nach Bangkok, dies wäre wahrhaftig ein Fortschritt mit menschlichem Maß.

Allerdings bräuchte man dann besser ausgebaute Straßen in Pattaya, um mit dem Strom der Touristen am Wochenende aus Bangkok auch fertig zu werden.