Zweitklassig

Franz Schmid

Das katastrophale Abschneiden der deutschen Fußballnationalmannschaft in Portugal war im Grunde genommen alles andere als eine Überraschung. Zwar keimte nach dem relativ guten Spiel gegen die Niederlande noch so etwas wie ein Fünkchen Hoffnung auf, doch wer sich die zum Teil jämmerlichen Vorstellungen der sogenannten Elitekicker in den Vorbereitungsspielen zu Gemüte geführt hat, der konnte sich unschwer in der Illusion wiegen, dass mit dieser Mannschaft auch nur ein Blumentopf zu gewinnen ist.

Seit über ein Jahrzehnt macht sich ein schleichender Niedergang im deutschen Fußball bemerkbar und dies nicht nur in der Nationalelf. Allein die Ergebnisse in den europäischen Vereinswettbewerben der letzten Jahre sprechen Bände. Man kommt um die bittere Erkenntnis nicht mehr herum: Deutschlands Fußball ist zweitklassig und die Vizeweltmeisterschaft des Jahres 2002 war nur die Ausnahme, die die Regel bestätigt.

Deutschlands Fußballer können kaum noch gegen zweitklassige Mannschaften mithalten, geschweige denn gegen die Weltelite.

Dabei war und ist der Fußball untrennbar mit Deutschlands Aufstieg zur Wirtschaftsgroßmacht nach dem Zweiten Weltkrieg verbunden. Die Älteren unter uns erinnern sich noch der Euphorie, die der Sieg der Walter-Elf 1954 in Bern ausgelöst hat. Es ging ein Ruck durchs Land, die Menschen konnten wieder zu unproblematischen Helden aufschauen und mit Optimismus in die Zukunft blicken.

Und sie vollbrachten eine wirtschaftliche Leistung, die ihresgleichen in der Welt sucht. So waren die Weltmeisterschaften der Jahre 1974 und 1990 sowie die Erfolge der National- und Vereinsmannschaften bis weit in die Neunziger nur Ausdruck dieser fußballerischen Vormachtstellung.

Doch wie sieht es heute aus? Die Nationalmannschaft ist ein Schatten ihrer selbst, kaum besser stehen die Klubs der Bundesliga im internationalen Vergleich. Und irgendwie strahlt dies auch auf weitere Bereiche aus. In den letzten Wochen waren viele Interviews mit Börsianern und Wirtschaftsleuten zu vernehmen, die auf einen Erfolg bei der EM hofften, damit dadurch im Lande die so bitter notwendige psychologische Aufbruchsstimmung erzeugt wird. Doch das ging gründliche daneben.

Deutschland zehrt mittlerweile von der Substanz, von dem Fleiß und der Schaffenskraft der Generation, die das Land nach der verheerenden Katastrophe des Zweiten Weltkrieges wieder aufgebaut haben. Zu lange hat man sich auf den Lorbeeren des Erreichten ausgeruht. Seit Jahren beträgt die Zahl der Arbeitslosen um die vier Millionen, die Staatsschulden steigen unaufhörlich auf Rekordhöhen, ganze Industriezweige wandern wegen wuchernder Bürokratie und unerträglich hoher Steuern ins Ausland ab.

Doch es kommt noch dicker: Die vor einiger Zeit durchgeführte PISA Studie enthüllte mit unbestechlicher Objektivität, dass der Stolz unseres Landes, unser Bildungs- und Ausbildungssystem im Argen liegt. Man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass Deutschland ein rohstoffarmes und somit ein grundsätzlich armes Land ist.

Unser wichtigster Rohstoff ist das Wissen und Können seiner Bürger. Wenn nun der Nachwuchs nicht mehr in der Lage ist, Lesen, Schreiben, Rechnen und sonstige Grundkenntnisse zu beherrschen, dann wird es in Kürze düster aussehen. Man muss einigen Politikern, die den Mut haben, den Rückkehr zu sogenannten deutschen Tugenden wie Fleiß, Ordnung, Pünktlichkeit und Strebsamkeit fordern, Recht geben. Dazu sollten allerdings noch Kreativität und Erfindungsreichtum kommen.

Noch ist Deutschland eine führende Exportnation und es gibt im Bereich der alternativen Energien hoffnungsvolle Ansätze. Doch die Zeit drängt und man sollte nicht warten bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Im Fußball ist dies nämlich schon passiert.