Eine Klatschgesellschaft

Franz Schmid

„Weißt du", sagte neulich ein Freund zu mir, „ich bin aus Deutschland weg, weil ich den Klatsch und Tratsch, der dort in einer Kleinstadt vor sich geht, ganz einfach leid war. Aber hier musste ich zu meinem Entsetzen feststellen, hier ist es genauso schlimm, wenn nicht noch ärger", klagte er.

Hat er nun recht, mein Freund oder nicht? Ich habe über seine Klagen ein wenig nachgedacht und ich muss sagen, ich kam zu dem Schluss, dass er in gewisser Weise Recht hat.

Pattaya ist, obwohl in den vergangenen Jahren rasend schnell gewachsen, trotzdem immer noch ein „kleines Nest", was die Anzahl der Farangs, speziell der deutschen Gesellschaft anbelangt. Hier kennt jeder fast jeden. Und jeder weiß natürlich über den anderen genauestens Bescheid! Logisch, wo man doch „eben alle kennt".

Manchmal allerdings beschränkt sich dieses „Kennen" oder „Wissen" über seine Mitmenschen ganz einfach aufs Hörensagen, einfach nur auf das, was man von anderen Leuten eben erfahren hat. Meist von jenen lieben Mitmenschen, die eben „einfach alles" über alle wissen.

Wie viel Leid und wie viele Probleme bereits in der ganzen Welt dadurch geschaffen wurden, ist wohl jedem von uns klar, der auch nur einigermaßen vernünftig denken kann. Wie viele Rufmorde wurden schon durch gedankenloses Dahinplappern, Nachplappern von etwas, das man vielleicht nur zur Hälfte gehört und verstanden hat und dann gleich an seine nächsten Freunde weitergab, begangen?

Wird dieses Weitererzählen von Geschichten, die man nicht genau kennt, die man eben nur von jemand anderem erfahren hat, als Beweis von großer Klugheit empfunden? Möchten sich jene lieben Mitmenschen vielleicht besonders hervortun, besonders im Ansehen ihrer Mitmenschen steigen, wenn sie ihnen etwas anvertrauen? Etwas, das ihnen vielleicht selbst unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut wurde oder wie schon vorher erwähnt, sie nur vom Hörensagen kennen.

Ich kann das nicht ganz glauben, denn so dumm kann doch kein Mensch sein, dass er das wirklich glaubt! Ich glaube, es ist vielmehr die Sensationslust, die in jedem von uns ein wenig schlummert. Diese Sensationslust, die nur darauf wartet, endlich aus seinem Schlaf erweckt zu werden um dann wie ein Raubtier sich auf das wartende Futter zu stürzen, es zu verschlingen und dann wieder auszuspeien. Egal, ob man damit seine Freunde oder Bekannten bespuckt.

Wie schon ein sehr kluger Mensch einmal sagte, ist der Mensch das größte Raubtier. Und das grausamste! Ein tierisches Raubtier tötet nur aus Hunger und um am Leben zu bleiben. Ein Mensch jedoch, dessen Hände zum Früchte- und Gemüsepflücken geformt wurden und dessen Zähne keinesfalls zum Reißen von Nahrung gebildet wurden, hat sich selbst entartet. Er benützt seinen Verstand zum Töten, sei es nun echter Mord oder nur Rufmord.

Pattaya besteht nur aus wenigen Deutschsprachigen und trotzdem bekriegen sie sich gegenseitig und verletzen sich, verbal und körperlich, wo und wie oft es nur geht. Kann denn damit nicht endlich ein Ende gesetzt werden?