Man fährt am Abend in Pattaya die Central Road
Richtung Sukhumvit entlang. Die Ampel in weiterer Entfernung springt auf
Rot. Die Bremslichter des Vordermannes leuchten auf. Unbewusst geht man
vom Gas, schaltet zurück und tritt auf die Bremse. Die Leuchtreklamen
blinken, Fußgänger überqueren die Straße, in den Garküchen sitzen die
Menschen zusammen und nun klingelt auch noch das Handy. Zwischendurch wird
es wieder Grün und während man das Telefonat führt, setzt man die
Autofahrt fort. Der geneigte Leser wird sich sicher fragen: was soll das
jetzt? Ist das hier eine Abhandlung über das Autofahren in Pattaya oder
die Gefahren des Telefonierens beim Wagen lenken? Nein, weit gefehlt.
Diese kurze Szenenbeschreibung soll deutlich machen,
wie viele Eindrücke auf einen Menschen bei einer ganz alltäglichen
Handlung – über die man schon gar nicht mehr nachdenkt – einstürmen.
Und dabei wurde für diesen vergleichsweise kurzen Zeitraum nur ganz
wenige Szenen genommen, die ein Mensch während einer knappen Minute
wahrnimmt. Mit Sicherheit sieht der die Autos und Motorräder im
Gegenverkehr, er hört die Musik vom CD-Spieler, nimmt die hübsche Frau
am Straßenrand wahr und vieles mehr. Die menschlichen Wahrnehmungsorgane
sind tagtäglich einem wahren Ansturm von Informationen ausgesetzt. Wären
wir gezwungen, auf alle diese zu reagieren, dann wären wir als
biologisches Mängelwesen total überfordert und nicht lebensfähig.
Deshalb ist es wichtig, dass wir in der Lage sind, aus der Fülle der
Informationen, diejenigen herauszuholen, die für unser Überleben
unmittelbar wichtig und notwendig sind. Dies bedeutet natürlich, dass uns
Informationen, die uns zunächst nicht so wichtig erscheinen, verloren
gehen. Auf den ersten Blick erscheint dies nicht weiter tragisch. Doch
wenn wir über den eigenen – und manchmal sehr engen Gesichtskreis
hinausgehen – dann können die Konsequenzen verheerend sein.
Jeder Mensch versucht sich und seine Stellung in der
Welt zu definieren. Wie macht er das eigentlich? Das geht nur durch
Vergleiche mit anderen Menschen. Und da bei normalen Menschen ein gesundes
Selbstwertgefühl herrscht, ist es natürlich so, dass man bei solchen
Vergleichen selbst immer ein bisschen besser abschneidet als der andere.
Auch dies ist eigentlich noch nicht schlimm. Gefährlich allerdings wird
es, wenn solche Vergleiche nur anhand weniger und leicht messbarer
Kategorien vorgenommen werden. Und hier sind wir wieder am Anfang
angelangt.
Wenn ich mich mit einem anderen Menschen vergleiche,
dann mache ich mir meist nicht die Mühe, dessen ganze Lebensgeschichte
von Geburt an zu kennen und mich auch noch mit seinen spezifischen
Lebensumständen zu befassen. Das wäre zu recht eine Überforderung und
ein Zuviel an Information. Doch viele Menschen machen es sich sehr einfach
und legen sich nur auf sehr wenige – manche gar nur eine – Kategorie
fest. Und manchmal dient diese Kategorie nur dazu, vorgefasste Meinungen
zu bestätigen. So werden Menschen allein anhand ihrer Hautfarbe, Rasse,
Religion oder Staatszugehörigkeit (vor)verurteilt. Es gab einmal einen
interessanten Versuch in einer Universität. In einer Klasse mit Studenten
wurden zwei Gruppen gebildet, die sich nur durch die Farbe der
Kugelschreiber unterschieden.
Nun sollten die Angehörigen der einen Gruppe die Angehörigen der
anderen und der eigenen Gruppe anhand eines Fragebogens beurteilen. Heraus
kam immer – und wen wundert es – dass die eigene Gruppe immer besser
abschnitt als die anderen. Dabei kannten sich die Studenten überhaupt
nicht und das einzige objektive Unterscheidungsmerkmal war die Farbe des
Kugelschreibers. Jeder, der vorschnell über andere anhand weniger
Kriterien urteilt, sollte sich diese Geschichte vor Augen halten.