Teil 2
Diese Artikelserie ist in erster Linie für die hier
ansässigen Rentner gedacht. Beim Taubenrennen spielt der Zeitfaktor eine
wesentliche Rolle. Anders gesagt, wer am meisten Zeit hat, seine Lieblinge
zu beobachten und sie richtig einschätzen kann, weiß wen er beim nächsten
Rennen einsetzen wird. Er weiß, welche Taube er mit welchen Methoden
motivieren kann, um mit der schnellsten Zeit im Rennen heim zu fliegen.
Der Taubenliebhaber wird in dieser Weise zum Trainer oder
zum Coach, wie man neuerdings sagt. Er hat so quasi seine eigene Mannschaft,
die er regelrecht aufbaut. Er kennt jeden einzelnen Spieler, seine
Fähigkeiten, seine Leistungskurve. Er weiß, wo und wann er ihn gezielt
einsetzen kann. Die Leistungskurve oder auch Form spielt dabei die
allerwichtigste Rolle. Die Geheimnisse der Form sind der Schlüssel zum
Erfolg.
Bevor
ich aber irgendwelche Geheimnisse preisgebe, werde ich erst einmal versuchen
zu erklären, worum es bei den Taubenrennen überhaupt geht. Ganz grob
gesehen, werden Tauben, die in einem gewissen Umkreis von Taubenspielern in
Taubenschlägen gehalten werden, gemeinsam, also gleichzeitig an einem
bestimmten Ort, dem Auflassort, aufgelassen. Die Tauben waren im Idealfall
vorher auf diesen Heimflug vorbereitet worden und die Taube mit der
höchsten Durchschnittsgeschwindigkeit mit der sie nachhause fliegt, gewinnt
die Trophäe.
Zur korrekten Ermittlung der Geschwindigkeit sind eine
Konstatieruhr, ein nicht entfernbarer Identifikationsring mit einer Nummer,
die es nur einmal gibt und einem abnehmbaren nummerierten Gummiring
versehen. Bei der Ankunft der Taube auf ihrem Schlag, nimmt der
Taubenspieler den Gummiring ab. Steckt ihn in ein Loch in die Uhr und dreht
an der Uhr, wobei der Ring nach innen verschwindet und gleichzeitig die
Uhrzeit auf einer Papierrolle konstatiert wird.
Neuerdings haben die Tauben noch einen Plastikring mit
eingeschweißtem Elektronikchip am Bein und die Daten werden bei der Ankunft
elektronisch erfasst. Hier in unserem Taubenverein spielen wir noch mit den
alten Uhren. Die Spannung bleibt dabei über mehrere Stunden oder Tage
erhalten, auch wird der eventuelle Sieger erst nach umständlicher
Rechenarbeit im Vereinslokal ermittelt. Der Umstand, dass der Wettstreit
nicht nur um den Erstplatzierte geht, erhöht natürlich den ganzen Spaß.
Das hiesige Lieblingsspiel geht um den Letztplatzierten der ersten 10
Prozent der aufgelassenen Tauben, das heißt, wenn ein Taubenspieler zwei
oder mehr Tauben in gewinnverdächtiger Zeit in den Schlag bekommt, wird er
erst nur eine konstatieren und die weiteren zu dem Zeitpunkt konstatieren zu
dem er denkt, das eine davon die Letzte der ersten 10 Prozent sein könnte.
Im Klartext heißt dies, der Spieler muss so genau wie möglich wissen,
wer wie viele Tauben schon eingedreht hatte. Er ist also laufend am
telefonieren und muss sich entscheiden wie viel von der erhaltenen
Information der Wahrheit entspricht.