Die Szenerie wirkt gespenstisch wie eine
Geisterbeschwörung: Beleuchtet vom schummrigem Licht eines Tempels sitzen
über 100 Männer kreisförmig im Schneidersitz auf der Erde. Jeweils nur
mit einem schwarz-weiß karierten Tuch um die Hüfte, stoßen sie über eine
Stunde lang ihr „Ke-ta-schak, Ke-ta-schak...!" aus, wobei sie immer
wieder ihre Hände in den Nachthimmel heben.
Keine
Chance für Dämonen.
Der monotone Chor versetzt die Männer in Trance - und
die Zuschauer auf den Holzbänken in Verzückung. Oder sollte diese
vielleicht eher von den hübschen, mystisch geschminkten Tänzerinnen in der
bunten Glitzertracht herrühren, die im Halbdunkel des Kreises zärtliche
bis wilde Szenen aus dem Ramayana-Epos aufführen?
Bei diesen eindrucksvollen Riten handelt es sich um die
klassische Methode, Dämonen auszutreiben - und davon gab es eine ganze
Menge. Zum Beispiel die, die den Krieg im Irak entfesselten oder die, welche
die Krankheit SARS in Umlauf gebracht haben und vor allem die, die das
Bombenattentat im Vergnügungs-Viertel von Kuta begangen haben, bei dem am
12. Oktober 2002 insgesamt 202 Menschen sterben mussten.
Die
romantischen Reisterassen von Bali.
Dass Bali einmal unter derart negativen Zeichen steht,
konnte sich bislang niemand vorstellen. Schließlich galt die „Insel der
Götter" schon seit mehreren Jahrzehnten als Inbegriff des Paradieses!
Hinduistische
Balinesen versammeln sich zum Gebet.
Doppelt so groß wie das Saarland und eine von 14.000
Inseln Indonesiens, verband man Bali mit einsamen Stränden, romantischen
Sonnenuntergängen, harmonisch geschwungenen Reisterrassen, mystischen
Sandstein-Tempeln und bunt gekleideten Menschen, die mit Inbrunst religiöse
Zeremonien vollziehen.
Wunderschöne
Mädchen bei einem traditionellen Tanz.
Einst von Hippies und dann von Pauschalurlaubern
absorbiert, fand sich der magische Name schließlich auch in der
Szenen-Architektur oder im weltweiten Ausbruch der Wellness-Freuden wieder.
Wer Bali heute besucht, wird die freudige Erfahrung machen, dass sich der
Zauber dieser Insel stärker erweist als alles andere: Denn weder der
Touristen-Boom noch die Terroristen-Bomben konnten den Reiz der Insel
zerstören!
Ke...ta...schak,
ke...ta...schak....Aufführungen aus dem Ramayana Epos.
Ubud, im Landesinneren gelegen, ist eng mit der
Legendenbildung Balis verbunden. Hier ließ sich 1927 Walter Spies nieder,
der die Menschen seiner Heimat mit romantisierenden Gemälden von einfachen
Bauern und ihren Reisterrassen faszinierte. In den 30er Jahren entdeckten
immer mehr deutsche Maler den Charme des Orts und gründeten eine
Künstler-Kolonie mit zahlreichen Ateliers, die auch die Hippies in den 60er
Jahren magisch anzog.
Ein
Fischer wirft seine Angel beim romantischen Sonnenuntergang aus.
So verwundert es nicht, dass Ubud, das wegen seiner
Höhenlage gemäßigtes Tropenklima hat, auch heute noch in dieser
künstlerischen Tradition steht. Die Straßenzüge des Globetrotter-Mekkas
sind flankiert von Galerien, vielfältigen Werk- und Verkaufsstätten des
Kunsthandwerks, aus denen sich sogar die Massai in Afrika oder die Indianer
in Arizona viele ihrer Souvenirs liefern lassen. Überall laden ruhige,
urgemütliche Cafes und Restaurants zum Verweilen ein - insofern man seine
Hotelanlage überhaupt verlassen möchte.
Zumeist liegen diese an verwinkelten Seitenstraßen, die
inmitten von Reisfeldern enden, und können mit einer einzigartigen Romantik
aufwarten: Götterfiguren flankieren die Eingänge, die stilvollen, stets
architektonisch verspielten Hotelbauten verlieren sich in Gärten mit
farbenfrohen Bougainvillen, duftenden Frangipani- und schwer behangenen
Mango- oder Rambutanbäumen. Blumen, Moos und Kletterpflanzen bewachsen
Mauern und kunstvolle Steinmetz- oder Holzschnitzarbeiten.
Idyllischen Pools sind aus Felsen gehauen oder in
Reisterrassen eingelassen. Als ähnlich naturnahe Oasen locken Spas, in
denen kleine Kanäle, Wasserfälle oder Springbrunnen plätschern und
angenehme Frische verbreiten. Ob Körperreinigung mit Kräutern, Ölen und
Yoghurt, traditionelle Algen- oder professionelle Tiefenheilungs-Massage -
oder das obligatorische Blütenbad in der Natursteinwanne - auf dieses
Erlebnis sollte niemand verzichten! Zwei Stunden Jungbrunnen kosten 20 Euro.
Überhaupt setzen die Balinesen auf Preissenkungen und
günstige Wechselkurse, um die Touristen, speziell die Deutschen, wieder
vermehrt auf die Insel zu locken. Denn die letzten beiden Jahre weisen bis
zu 50 Prozent Besucherschwund aus.
Oka Wati, die 57jährige Besitzerin des Hotels „Ubud"
hatte einst schon für die Hippies gekocht. Damals kostete die Übernachtung
einen halben US-Dollar. „Das Attentat hat viele Menschenleben
ausgelöscht, aber es darf unser Inselparadies nicht in den Köpfen der
Menschen zerstören!"
Tut es auch nicht. Schon in einem halben Jahr dürfte die
große Baulücke in der Jalan Legian von Kuta wieder ganz zugewachsen sein.
Und einen Steinwurf entfernt im neuen „Bounty", das einem
Piratenschiff ähnelt, tanzen die Menschen - wie überall im größten
Touristenzentrum an der Küste - bei Live- und Discomusik schon wieder
ausgelassen bis zum nächsten Morgen.
An den Stränden, die sich in unendliche menschenleere
Weiten verteilen, ist alles wie früher. Ihre Beschaffenheit macht den Reiz
aus: gelber Sand in Sanur, grauer am Legian Strand und 100 Kilometer weiter
westlich sogar tiefschwarz, während er bei Tulamben an der Nordostküste
aus rundem, rostfarbenen Lava-Gestein besteht.
Im Inneren der Insel sind es vor allem die Bilderbuch-Motive der
Reisterrassen, die Besucher anlocken. Sich an sanfte Hügel oder steile
Berghänge schmiegend, nutzen sie jeden Quadratmeter fruchtbaren Bodens aus,
um durch ein kunstvolles Bewässerungssystem aus Quellen und Bächen drei
Ernten pro Jahr zu ermöglichen. Bedingt durch die Krisen im Tourismus hat
eine Rückbesinnung auf die traditionelle Reiswirtschaft der Insel
eingesetzt.