Die schlimmste Befürchtung hat sich nun bestätigt: Das
Virus der Vogelgrippe scheint erstmals von Mensch zu Mensch übertragen
worden zu sein. Die thailändischen Behörden gaben bekannt, dass die
26-jährige Pranee Thongchan dem Virus H5N1 erlag, der diese Krankheit
auslöst. Auch eine Untersuchung ihrer Schwester ergab, dass diese ebenfalls
infiziert wurde.
Die beiden Frauen betreuten die kranke Tochter der
26-Jährigen. Die Tochter ist vermutlich auch an der Vogelpest gestorben.
Das konnte aber nicht mehr festgestellt werden, da der Leichnam des
elfjährigen Kindes sofort eingeäschert wurde.
Dies ist wieder ein typisches Beispiel für den Umgang
der Behörden mit solchen schweren Vorkommnissen. Es wird einfach
heruntergespielt, und erst wenn internationale Organisationen
Nachforschungen anstellen, gibt man dies scheibchenweise nach der berühmten
„Salamitaktik" zu. Aber dieser traurige Vorfall hat den
Premierminister anscheinend nicht zu weiterem Nachdenken angeregt. Forsch
– wie es seine Art ist – hat er angeordnet, dass die zuständigen
Behörden die Vogelgrippe innerhalb von 30 Tagen in Thailand auszurotten
hätten. Internationale Experten konnten darüber nur den Kopf schütteln.
Wie soll das in die Praxis umgesetzt werden? Das erinnert an den englischen
König Canute, der am Strand stand und der Flut verbot an den Strand zu
schlagen. Nun, auch er bekam nasse Füße...
Das Virus wird wahrscheinlich von Zugvögeln, in der
Hauptsache Enten, verbreitet. Diese Vögel erkranken aber nicht, sondern
andere Tiere, aber auch Menschen, die mit dem Kot der infizierten Vögel
oder den Tieren selbst in Berührung kommen, werden vom Virus befallen. Das
ist auch der Grund, dass Fälle von Vogelgrippe immer wieder im Land
aufflackern, sogar in Gegenden, wo man glaubte, die Seuche schon besiegt zu
haben. Anfang des Jahres sind mehr als 100 Millionen Tiere dem Virus H5N1
zum Opfer gefallen.
Wenn die Seuche total bekämpft werden soll, wäre dies
nur möglich, indem man sämtliche Vögel in Thailand tötet, und nicht nur
Nutztiere wie Hühner, Enten oder Puten. Doch das ist wohl unrealistisch,
die Auswirkungen sind nicht abzuschätzen, da die Insektenpopulation
explosionsartig zunehmen würde. Auch ist es unwahrscheinlich, dass man die
beliebten Kampfhähne vom Leben zum Tode befördert, da diese Tiere für
ihre fanatischen (und meist reichen und einflussreichen) Besitzer einen
nicht zu unterschätzenden Wert haben. Kampfhähne werden bis zu 100.000
Baht gehandelt. Die illegalen Wettkämpfe sind fester Bestandteil der
Untergrundwirtschaft.
Inzwischen geht auch die Angst vor einer weltweiten
Seuche, die in Asien ihren Ursprung hat, in Regierungskreisen der USA um. Es
gibt bereits einen Notfallplan, der von 207.000 Toten in den USA ausgeht.
Millionen von Infizierten würden das Gesundheitssystem zum Kollaps bringen.
In Deutschland gibt es einen ähnlichen Plan für den „Fall der
Fälle". Ein Impfstoff ist jedoch noch nicht in Sicht.
Eine weitere Horrorvorstellung ist, dass das Virus
mutieren könnte. Chinesische Wissenschaftler haben erklärt, sie hätten
bei Schweinen (diese haben ein ähnliches Immunsystem wie der Mensch) einen
Stamm des H5N1 Virus gefunden. Dieser kann sich leicht mit einem
gewöhnlichen Grippevirus vermischen und wäre dann von Mensch zu Mensch
übertragbar.
Die Haltung der thailändischen Regierung in dieser Frage
ist leider unverständlich. Was in solchen Fällen nötig ist, sind keine
forschen Anordnungen, die vom Ansatz her schon undurchführbar sind, sondern
Offenheit gegenüber der eigenen Bevölkerung. Schönrederei und Vertuschen
helfen niemandem weiter, im Gegenteil, die Glaubwürdigkeit nimmt Schaden.